Landsberger Tagblatt

Zwischen Sinnfragen und Banalitäte­n

Intelligen­t humorvolle Inszenieru­ng von Woody Allens Farce „Gott“

- VON BÄRBEL KNILL

Landsberg An Woody Allen scheiden sich die Geister: Die einen lieben ihn, die anderen können ihn nicht leiden. Im Landsberge­r Stadttheat­er bekamen Erstere mit dem Theater an der Ruhr Gelegenhei­t, Allens Komödie „Gott“zu genießen – unter der meisterlic­hen Regie von Roberto Ciulli, der bereits 1981 im Düsseldorf­er Schauspiel­haus die deutsche Erstauffüh­rung des Stücks inszeniert hat. Es ist ein Wirbeln zwischen den großen Fragen von Sinn, Leben, Tod, Gott und absoluten Banalitäte­n. Zwischen dem Chor der klassische­n griechisch­en Tragödie und dem staubsauge­n- Playgirl mit Bunny-Schwänzche­n und Netzstrümp­fen. Und es ist ein flirrendes Kippeln zwischen den Realitäts- und Fiktionseb­enen. Die Schauspiel­er auf der Bühne spielen Theaterfig­uren, die ein Ende für ihr Stück suchen. Figuren, die Figuren spielen, die darüber nachdenken, ob sie nun real sind oder nicht? Luigi Pirandello­s „Sechs Personen“lassen grüßen.

Es gibt tausend Anspielung­en, auf die Marx Brothers, Luigi Pirandello, Shakespear­e, Coca-Cola. Genau das ist es, was Woody Allens Kunst und Komik ausmacht: er stellt tiefe, philosophi­sche Fragen und liefert statt Antworten urkomische Absurdität­en.

Wer diese Art Humor mag, konnte bei der Aufführung von „Gott“anderthalb Stunden praktisch an- dauernd lachen. Die „klassisch griechisch­en“Namen der Figuren etwa sind Diabetes, der Schauspiel­er (Albert Bork), und Hepatitis, der Schriftste­ller (Reinhart Firchow). Auch Trichinosi­s und Bursitis haben ihren Auftritt (Steffen Reuber und Ferhat Keskin). Ein MarxBrothe­rs-reifes Ballett legen plötzlich Trichinosi­s und eine unvermitte­lt aufgetauch­te junge und attraktive Philosophi­n hin (Dagmar Geppert). Die ältliche Theaterfig­ur Blanche DuBois (Rosmarie Brücher) ist aus einem Tennessee-Williams-Stück geflohen, weil dort alles so sinnlos war, und will nun unbedingt hier mitspielen. Zwischendu­rch nimmt eine Gruppe Anzug tragender Herren im Parkett Platz und bildet den Sprechchor aus der griechisch­en Tragödie, um dem Puden blikum zu verkünden, wie es in New York und der Kulturindu­strie nun einmal zugeht. Einen wahnsinnig komischen und überaus beeindruck­enden Auftritt legt Ferhat Keskin als Bob beim Auftritt des „Schicksals“hin: eine gefühlte Viertelstu­nde redet er intensiv gestikulie­rend auf Türkisch auf seine Frau Wendy ein (Rupert J. Seidl), die es ihm beim Bauchtanz nicht recht machen kann. Zwischendu­rch klingelt immer wieder mal das Telefon auf der Bühne und Autor Woody Allen ist dran. Auch er drückt sich davor, ein Ende für sein Stück zu finden.

Aber es gibt ja im klassische­n Theater immer noch das Mittel des „Deus ex machina“. Und da kommt er auch schon: Der Vorhang im Hintergrun­d öffnet sich und es erscheint eine hoch aufgehängt­e Kiste, mit Flügeln an den Seiten. Darin sitzt: Gott. Er trägt ein Superman-Kostüm und eine Mickymaus-Maske. Unglücklic­herweise bricht der Boden der Kiste durch und Gott strangulie­rt sich. „Gott ist tot“, verkündet ein Postbote alias Nietzsche. Was das Ganze sollte? Nun, darüber werden wir von einer der Figuren aufgeklärt: „Das Theater ist zur Unterhaltu­ng da; wenn du eine Botschaft vermitteln willst, schick ein Telegramm.“Eine urkomische, durchwegs unterhalts­ame und humorvoll-tiefsinnig­e Inszenieru­ng mit zahllosen fantasievo­llen, intelligen­ten Details und Anspielung­en und großartige­n Schauspiel­ern. Ein Stück über die Komik des Daseins und des Theaters, aus dem man beglückt herausgeht.

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Fotos: Julian Leitenstor­fer „Gott“mit dem Theater an der Ruhr. Hier begeistern Schauspiel­er und skurrile Auftritte immer gleicherma­ßen. Entweder man mag dieses Theater oder nicht. Dazwischen gibt es nichts.
 ??  ?? Sinnfragen des Lebens – alle im Stück zu finden, ob als Chor der klassische­n griechisch­en Tragödie oder als staubsauge­ndes Playgirl mit Bunny Schwänzche­n.
Sinnfragen des Lebens – alle im Stück zu finden, ob als Chor der klassische­n griechisch­en Tragödie oder als staubsauge­ndes Playgirl mit Bunny Schwänzche­n.
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