Kanadas kleiner Krieg der Sprachen
Als der Wikinger Leif Eriksson Amerika betrat, entdeckte er ein Land, das heute Kanada heißt. Seit der Ankunft Donald Trumps im Weißen Haus wird dieses Kanada für manche US-Amerikaner immer mehr zum Sehnsuchtsort. Allerdings trennt die beiden Völker ein tiefer historischer und psychologischer Graben. Die im Süden haben sich kriegerisch von den Briten getrennt, die im Norden haben sich gemütlicher abgena- belt und leben bis heute – vom Klima abgesehen – deutlich entspannter mit europäisch anmutender Krankenversicherung und ohne Todesstrafe.
Allerdings kämpfen die Kanadier daheim mit einem eigenen Kultur-Graben, dem zwischen englisch und französisch sprechenden Landsleuten. Auch dafür ist die Geschichte verantwortlich. Denn die frühesten europäischen Kundschafter und Besiedler dieses nördlichsten Amerika trugen französische Namen wie Jacques Cartier und Samuel de Champlain. Bald aber traten einige Engländer auf der vergeblichen Suche nach einer Nordwestpassage auf. Einer von ihnen, Henry Hudson, nahm dort oben eine riesige Bucht für die britische Krone in Besitz. Die Szene war gesetzt.
Briten und Franzosen, unterstützt mal von diesem, mal von jenem Indianerstamm, traten in eine oft kriegerische Konkurrenz um das Land, das sich später Kanada nannte. Die Briten siegten. Es folgte das Übliche: Massenvertreibungen französischer Kanadier. Einige zog es in den Süden bis nach New Orleans. Die meisten sammelten sich in der Provinz Quebec, wo sie sich nach und nach ein autonomes französisches Leben sicherten. Längst war eine neue, bedrohlichere Spannung aufgetaucht: der amerikanische Unabhängigkeitskrieg. Die Amerikaner südlich der großen Seen machten sich ganz frei von der britischen Krone und wollten auch den Norden zu sich herüberziehen. Es kam zum Krieg, und im Jahr 1837 gab’s – oh Schreck – sogar mal kurz eine Republik Kanada. Doch Kanada blieb königlich und der Kampf gegen die Republikaner aus dem Süden brachte die Sprachkonkurrenten im Norden als Nation einander näher. Näher, nicht zu nahe. Kanada blieb stolz das andere Amerika. Wie anders? Premierminister Justin Pierre Trudeau ist ein im englischsprachigen Ottawa geborener Sohn eines im französischsprachigen Quebec geborenen Vaters und hat einen englisch-französischen Namen. So anders.