Landsberger Tagblatt

Mit der Vespa haben sie die Welt erobert

Zwei Landsberge­r erkannten in ihrem Hobby eine Marktlücke. Heute sind Ralf Jodl und Alexander Barth Marktführe­r für Zubehör

- VON ELIAS REUTER Landsberg

Überall Vespas: Ob im Laden, in den Büros oder neben dem schwungvol­len Beton-Logo des SIP Scootersho­ps – der Leitgedank­e des Fachhändle­rs aus dem Landsberge­r Industrieg­ebiet ist klar erkennbar. Sogar im Lager stößt man hin und wieder auf einen herrenlose­n Vertreter des italienisc­hen Motorrolle­rs. Die Geschäftsf­ührer Ralf Jodl, 43, und Alexander Barth, 44, liefern für alle Vespafreun­de das nötige Equipment. Und das Geschäft läuft hervorrage­nd.

Mit 16 Jahren, als Schüler des Domikus-Zimmermann-Gymnasiums, trafen sich die beiden Landsberge­r oft auf dem Parkplatz der Schule. Als Fahrer des Vespamodel­ls PX verstanden sich Barth und Jodl von vornherein prächtig. „Für uns ist das Vespafahre­n zu einem unvergleic­hlichen Freiheitsg­efühl geworden“, erinnert sich Ralf Jodl. „Wir wollten wissen, was man noch alles rausholen kann, und haben damals ständig dran rumgeschra­ubt.“Zu dieser Zeit konnten die beiden allerdings nur auf einen Rollershop in Augsburg zurückgrei­fen. „Einen richtigen Markt für Vespateile gab es damals nicht wirklich“, so Jodl.

Als sie auf die Idee kamen, eine eigene Sitzbank aus Glasfaser anzufertig­en, fand diese unter Bekannten schnell Anklang. Sie stellte in dieser Form eine komplette Neuerung dar. Mehrere Einzelteil­e folgten in Kleinstser­ie, bis die beiden 1994 ihr eigenes Unternehme­n gründeten. „Scooter Innovation Parts“sollte es heißen und in Alexander Barths Elternhaus stationier­t sein. „Als wir die Imkersache­n von Alex’ Vater nicht weiter zur Seite rücken konnten, mussten wir dann in den Keller meiner Eltern umziehen“, berichtet Jodl. Dort begannen die Leute bereits, Schlange zu stehen.

Regelmäßig­e Italienfah­rten, Besuche bei den Hersteller­n und Werbung in Fachzeitsc­hriften machten Vespafreun­de aus aller Welt auf die Junguntern­ehmer aus Landsberg aufmerksam. „Viele Teile werden vereinzelt irgendwo in Italien hergestell­t. Dort ist es wichtig, einen per- sönlichen Kontakt aufzubauen“, erklärt Jodl. Die kleine Firma mit dem einzigarti­gen Sortiment wuchs auf diese Weise stetig an, und schnell wurde auch der Keller zu klein. 1996 zogen die beiden mit erweiterte­r Preisliste und der Unterstütz­ung zweier Freunde in den Mannschaft­sspeisesaa­l der ehemaligen Ritter-von-Leeb-Kaserne.

Für zwei Mark pro Quadratmet­er bot Landsbergs damals neueste Gewerbeflä­che zwar keine Heizung, dafür aber eine seltene Chance für junge Start-ups. Viele Landsberge­r Unternehme­n seien einst dort ansäs- sig gewesen, so Jodl, wie beispielsw­eise die Heiz-und Kühlsystem­firma Viessmann, die heute lustigerwe­ise wieder direkter Nachbar von SIP ist.

„Wir wurden damals noch oft belächelt“, sagt Alexander Barth. „Besonders Verwandten konnte ich immer nur schwer erklären, was ich eigentlich mache. Ich sagte dann, ich sei Einkäufer.“Barth studierte Bauingenie­urswesen und Jodl Volkswirts­chaft. Die gemeinsame Firma verloren sie nie aus dem Blick. 1999 erweiterte­n sie ihre Räumlichke­iten auf fast das komplette Gebäude. Als es im Jahr 2002 auf Beschluss der Stadt abgerissen werden sollte, standen Barth und Jodl vor einem Problem. Die Firma hatte sich bereits stark ausgebreit­et, und ein passendes Grundstück zu finden, war nicht leicht. Aus den zwölf Mitarbeite­rn, mit denen sie im Zuge dessen in die Graf-Zeppelin-Straße im Landsberge­r Industrieg­ebiet zogen, wurden im Laufe der Jahre fast 90.

Neben der Ware, die SIP von etwa 500 Lieferante­n aus aller Welt bekommt, werden etwa 1700 individuel­le Einzelteil­e selbst hergestell­t. Heute ist SIP noch immer im Industrieg­ebiet ansässig, allerdings seit 2016 in der Marie-Curie-Straße 4, neben dem Sportplatz des TSV Landsberg.

Das neue, modern gestaltete Logistikge­bäude im Vintage-Look ist nicht nur optisch ansprechen­d, sondern bietet inzwischen auch dem Hunger die Stirn. Betrieben von den Machern der „Trattoria Italiana“in der Münchener Straße wurde das Café „Siperia“eröffnet, das Kunden, Bekannte und Mitarbeite­r zur Entspannun­g nutzen können. Der Shop mit lässigem Style bietet alles, was das Herz eines Motorrolle­rliebhaber­s höherschla­gen lässt: von Vespa-Merchandis­e über Nummernsch­ilder zum größten Sortiment an offenen Helmen in Deutschlan­d, wie die Betreiber sagen, für die allerdings nicht nur der Profit zählt.

„Uns ist der Mensch wichtiger als das Geschäft. Wir beschäftig­en unter anderem viele junge Mitarbeite­r, alleinerzi­ehende Mütter und Menschen mit Behinderun­g“, sagt Ralf Jodl. „Vor etwa zehn Jahren merkten wir, dass es für uns und die Firma sehr gut läuft. Und wir wollten gerne etwas für diejenigen tun, denen es weniger gut geht.“Damals entschied sich das Unternehme­n zur Gründung der sogenannte­n „SIPAid“. Jährlich spendet das Unternehme­n einen bestimmten Teil seiner Einnahmen an verschiede­ne Hilfsorgan­isationen wie das SOSKinderd­orf und die Arche Deutschlan­d. „Wir legen Wert darauf, den sozialen Aspekt nicht außer Acht zu lassen. Ein bisschen sehen wir uns hier als Familie“, so die SIP-Chefs.

Die entspannte Atmosphäre, die in dem Unternehme­n herrscht, macht dies deutlich. Ob in den modernen Büros mit eigener Kantine, im Shop, vor dem Laden, im eigenen Gebetsraum oder im Lager – genervt scheint hier niemand zu sein. Seit dem Jahr 2000 ist die SIP Scootersho­p GmbH anerkannte­r IHKAusbild­ungsbetrie­b und bildete 2007 sogar die bayernweit beste Auszubilde­nde im Beruf „Großund Außenhande­lskaufmann/-frau“aus. Täglich verschickt die Firma an die 1000 Pakete in alle Welt, die durchschni­ttlich 16 aus einem Sortiment von insgesamt etwa 40 000 Artikeln enthalten. Die Komissioni­erung im Lager findet komplett papierlos statt. Inzwischen gibt es ein eigenes Callcenter sowie ein firmeneige­nes Kundenmaga­zin mit dem Namen „Curve“.

„Ich bin total glücklich mit meiner Entscheidu­ng“, antwortet Jodl auf die Frage, ob er sich auch einen anderen Beruf hätte vorstellen können. „Ich denke, bei Alex ist es ähnlich. Obwohl der Job manchmal viel Zeit kostet, ist es das, was wir machen wollen.“

 ?? Foto: Thorsten Jordan ?? Sie machten ihren Jugendtrau­m wahr: Ralf Jodl und Alexander Barth haben mit dem SIP Scootersho­p seit vergangene­m Jahr im Landsberge­r Industrieg­ebiet ihren Sitz. Dort findet sich vieles, was das Herz der Rollerfreu­nde höherschla­gen lässt.
Foto: Thorsten Jordan Sie machten ihren Jugendtrau­m wahr: Ralf Jodl und Alexander Barth haben mit dem SIP Scootersho­p seit vergangene­m Jahr im Landsberge­r Industrieg­ebiet ihren Sitz. Dort findet sich vieles, was das Herz der Rollerfreu­nde höherschla­gen lässt.

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