Landsberger Tagblatt

Auf Knopfdruck fließt Milch

Immer mehr Landwirte in der Region stellen Milchautom­aten auf. Für Kunden ist das praktisch. Und für manch einen Bauern ein Weg aus der Krise

- VON SARAH SCHIERACK Augsburg »Leitartike­l Seite 2

Es ist noch gar nicht so lange her, da hat Theresia Böckler der Milchkrise den Kampf angesagt. Der Milchpreis rutschte immer weiter ab, die Landwirte bekamen deutlich weniger ausgezahlt als noch einige Jahre zuvor. „Das war ein Trend, der uns nicht gefallen hat“, sagt Böckler, die mit ihrem Mann einen Hof im Weiler Binzenried bei Kempten führt. Seit zweieinhal­b Jahren steht deshalb ein Milchautom­at

Erlöse sind für die Familie zwar nur ein kleines Zubrot. Immer mehr Milchbauer­n gehen aber einen ähnlichen Weg wie die Böcklers. Allein im Allgäu gibt es derzeit 21 Automaten. Hersteller wie Milch Concept aus Weilheim sprechen davon, dass die Nachfrage im vergangene­n Jahr kräftig angezogen habe.

Dahinter steckt der Wunsch, den Preis für die eigene Milch zumindest zu einem Teil selbst bestimmen zu können. Denn in den vergangene­n Jahren haben viele Landwirte gespürt, wie schnell ein schwankend­er Milchpreis einen Betrieb an den Rand der Existenz bringen kann. Im Sommer 2016 rutschte das Milchgeld mancherort­s auf einen historisch­en Tiefstand von knapp 20 Cent, nachdem Aldi seinen Preis für einen Liter Milch um ein Viertel gesenkt hatte. Um kostendeck­end wirtschaft­en zu können, braucht ein Landwirt allerdings mindestens 40 Cent, manch ein Agrar-Experte spricht sogar eher von 45 Cent.

Die Folgen der Milchkrise sind dramatisch: Allein im Jahr 2016 haben 1600 Milchbauer­n in Bayern aufgegeben. Damit ist ihre Zahl um 4,8 Prozent auf rund 32000 Landwirte geschrumpf­t. Auch die Zahl der Milchkühe ging um 9800 Tiere zurück. Aktuell stehen in den Ställen und auf den Weiden im Freistaat 1,2 Millionen Milchkühe.

Gleichzeit­ig stellen auch immer mehr Milchviehh­alter ihren Betrieb von konvention­eller auf ökologisch­e Landwirtsc­haft um. Im Jahr 2015 ist die Zahl der bayerische­n Bio-Bauern dem Landwirtsc­haftsminis­terium zufolge um etwa zehn Prozent auf 7350 gewachsen, die meisten der Umsteller waren Milchviehh­alter.

In den vergangene­n zwölf Monaten haben sich die Märkte in der geDie samten Agrarbranc­he erholt. Der Milchpreis stieg nach und nach an, auch bei Aldi & Co. kostet die Milch mittlerwei­le wieder mehr. Für die Zukunft ist der schwäbisch­e Bauernpräs­ident Alfred Enderle deshalb vorsichtig optimistis­ch. Das derzeitige Milchgeld sei zwar „nicht berauschen­d“. Aber mit Summen von 33 oder 34 Cent seien die Landwirte jahrelang relativ akzeptabel ausgekomme­n. „In den nächsten Monaten sieht es gut aus“, sagt Enderle deshalb.

Dennoch müssen sich Landwirte darauf einstellen, weiterhin den Preisschwa­nkungen des Marktes ausgesetzt zu sein. Viele Bauern suchen sich deshalb weitere Standbeine – so wie den Milchautom­aten. Allerdings gibt es da aktuell Probleme: Die bundesweit­e Mess- und Eichverord­nung schreibt den Landwirten vor, ihre Milchtanks­tellen mit Messgeräte­n auszustatt­en und für die Milch einen Kassenbele­g auszugeben. Das ist allerdings mit hohen Kosten verbunden – und würde die Automaten weniger attraktiv machen. Bauernpräs­ident Enderle bemüht sich gerade mit Mitstreite­rn darum, die Auswirkung­en möglichst gering zu halten. „Wir hoffen“, sagt er, „dass wir da eine Lösung finden“.

Bei Real steht: „Dieser Markt wird videoüberw­acht.“Reicht dieser knappe Hinweis denn aus?

Grasl: Ja, so ein Hinweis kann rein rechtlich ausreichen­d sein, wenn er deutlich genug angebracht ist. Es muss nicht explizit auf jede einzelne Kamera und die Art der Aufzeichnu­ng hingewiese­n werden.

24 Stunden am Tag gibt es am Automaten Milch Eine neue Verordnung macht den Bauern Ärger

Laut Betreiber werden nur Alter und Geschlecht aufgezeich­net. Also alles halb so schlimm?

Grasl: Wenn es so ist, handelt es sich tatsächlic­h um anonymisie­rte und nicht um personenbe­zogene Daten. Die Frage ist, inwieweit die Kameras auch Daten erfassen, die Rückschlüs­se auf den Verbrauche­r zuließen, etwa von EC-Karten. Dann wäre die Einwilligu­ng des Kunden erforderli­ch. Inwieweit dies hier der Fall ist, kann ich nicht beurteilen.

Welche Möglichkei­ten hat der normale Verbrauche­r, um nicht gefilmt zu werden?

Grasl: Im Grunde wenig. Der Supermarkt hat das Hausrecht und darf mit Kenntnis des Kunden filmen. Wer damit nicht einverstan­den ist, muss in einem anderen Laden einkaufen. Interview: Andreas Schopf

● Zur Person Katharina Grasl ist Ju ristin im Bereich Datenschut­z bei der Verbrauche­rzentrale Bayern.

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