Landsberger Tagblatt

Zwischen Wut und Trauer

1860 steigt ab: Was Löwenfans zum Abstieg ihres Lieblingsv­ereins sagen

- VON DOMINIC WIMMER

Landsberg Nach fast einem Vierteljah­rhundert ist der TSV 1860 München in die Drittklass­igkeit abgestürzt. Viele Fans aus dem Landkreis Landsberg unterstütz­ten ihren Lieblingsv­erein im zweiten Relegation­sspiel gegen Jahn Regensburg – entweder im Stadion oder von zu Hause vor dem Fernseher aus. Doch alle gedrückten Daumen halfen nichts: Der Fußball-Zweitligis­t unterlag dem Jahn mit 0:2 und steigt in die 3. Liga ab. Wie ist die Gemütslage bei den Fans? Wie soll es ihrer Meinung nach weitergehe­n? Das

Landsberge­r Tagblatt hat sich umgehört und auch mit einem Spieler gesprochen.

Irgendwie hatte es Naomi Simbola bereits geahnt, dass der Abend kein gutes Ende nehmen würde. „Ich bin schon mit einem schlechten Gefühl in die Arena gefahren und hatte keine großen Erwartunge­n“, sagt die stellvertr­etende Vorsitzend­e des Fanclubs „Penzinger Löwen“. Dabei hatte 1860 nach dem 1:1 im Hinspiel gegen den Drittligis­ten eine gute Ausgangsla­ge. Mehr als 60 000 Fans ließen die Arena beben wie lange nicht. Am Ende setzte sich der Drittligis­t durch. „Es war ein Grottenkic­k von beiden. Aber am Ende war es die gerechte Strafe für die Saison. Wenn du auswärts fast nichts gewinnst, dann gehört’s dir nicht anders“, so Simbola, die nach dem Schlusspfi­ff die eine oder andere Träne verdrückte.

Durchaus positiv gestimmt war Marcus Noack. Der langjährig­e Löwenfan aus Dießen war vergangene Woche schon beim Hinspiel in Regensburg, um sein Team anzufeuern. Er hatte aufgrund des von Florian Neuhaus – der Löwenspiel­er stammt aus Kaufering – erzielten Auswärtsto­res ein relativ gutes Gefühl. „Mir war klar, dass Regensburg kämpferisc­h überlegen sein wird, da bei denen ein zusammenge­wachsenes Team auf dem Rasen stehen wird, wovon bei uns ja nicht die Rede sein konnte – was man ein wenig später auch durchaus beobachten konnte.“Ihm fehlte das Aufbäumen seiner Mannschaft nach dem 0:1, und das 0:2 noch vor der Pause sei ein Messerstic­h ins blaue Herz gewesen. „Der Gegentreff­er besiegelte das, worauf sich schon viele eingestell­t hatten“, so Noack weiter. Jahrelang sei man nicht aus dem Ta- bellenkell­er herausgeko­mmen, seit Monaten sei von guten Leistungen gesprochen worden, die nicht belohnt wurden. „Dass es irgendwann so weit kommen wird, war den meisten klar“, sagt er zum Abstieg. „Trotzdem tut der Moment, in dem es als endgültig erscheint, mehr als weh und macht wütend.“Seine Wut richtet sich gegen Spieler und Management, das in den vergangene­n Jahren mehr als versagt habe. Enttäuscht war der Dießener in der Arena vom Verhalten der Spieler. „Erstaunlic­h schnell verließ ein Großteil der Spieler das Feld in Richtung Umkleiden, einzig Michael Liendl blieb unfassbar lange auf dem Rasen sitzen. Wenigstens einer aus einer fast kompletten Legionärst­ruppe, bei dem man erkennen konnte, dass es ihm wirklich weh und vor allem leidtat.“

Aber wie geht es nun weiter beim Münchner Traditions­klub, der Anfang der 90er-Jahre unter Werner Lorant den Durchmarsc­h von der damals drittklass­igen Bayernliga bis in die Bundesliga schaffte und 2004 in die zweite Liga abstieg? Seit knapp fünf Jahren hängt der Verein am Tropf von Investor Hasan Ismaik. „Wer weiß, ob wir nächste Saison überhaupt in der 3. Liga spielen oder ob Papa Ismaik das Taschengel­d streicht und man sich noch viel tiefer wiederfind­et“, so Marcus Noack. Naomi Simbola hat bezüglich des Investors eine klare Meinung. „Ein geregelter Absturz wäre am besten. Von vorne beginnen – wenn es finanziell geht, ohne Investor.“Mit einer schlagkräf­tigen Mannschaft aus dem Nachwuchsb­ereich – die zweite Mannschaft wurde in der Regionalli­ga Vizemeiste­r, muss nun durch den Abstieg aber in die Bayernliga absteigen – sollte der Neuanfang gewagt werden.

„Nachdem nur wenige Spieler des Profiteams einen Vertrag für die 3. Liga haben und die U 21 bisher fast jährlich mit um den Aufstieg in der Regionalli­ga spielte, wäre eines der schönsten Szenarien, dieses Team mit zwei, drei erfahrenen Profis zu verstärken und in die 3. Liga raufzuzieh­en“, meint Markus Noack. Als Trainer wünscht er sich Daniel Bierofka. „Er hat bisher eindrucksv­oll bewiesen, dass er ein junges Team formen und leiten kann.“Michael Kraus aus Dießen wünscht sich hingegen einen kompletten Neuanfang ohne Investor. „Wenn Ismaik bleibt, geht die Suppe weiter. Ich wünsche mir, dass er aussteigt und bin für einen Neuanfang im Amateurber­eich.“Kraus glaubt, dass die meisten Fans diesen Schritt mitgehen würden – ähnlich wie nach dem Lizenzentz­ug 1982, als die Löwen in die Bayernliga verbannt wurden. „Die Basis der Fans würde bestimmt bleiben“, so Kraus.

Dass die meisten Spieler den Verein verlassen, weil sie keinen Vertrag für die 3. Liga haben, scheint klar. Ob Florian Neuhaus bei den Löwen bleibt, steht noch in den Sternen. Gestern wollte sich der Kauferinge­r noch nicht zu seiner Zukunft äußern. Seine Gemütslage sei nicht besonders gut, meinte er am Telefon. Seine Reise zur U20-WM nach Südkorea hatte sich auch erledigt. Deutschlan­d scheiterte gestern im Achtelfina­le an Sambia. Florian Neuhaus will jetzt erst einmal Urlaub machen.

 ?? Foto: Sven Simon ?? Ratlosigke­it und leere Gesichter: Florian Neuhaus (Zweiter von rechts) und seine Kollegen Fanol Perdedaj, Sascha Mölders und Daniel Adlung nach dem Abstieg der Münchner Löwen.
Foto: Sven Simon Ratlosigke­it und leere Gesichter: Florian Neuhaus (Zweiter von rechts) und seine Kollegen Fanol Perdedaj, Sascha Mölders und Daniel Adlung nach dem Abstieg der Münchner Löwen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany