Gott auf allen Kanälen
Evangelische Kirche setzt auf Neue Medien
Stell dir vor, du sitzt in der S-Bahn und aus deinem Smartphone klingt Psalm 139: „Ob ich sitze oder aufstehe, Du weißt es; Du, Herr, verstehst meine Gedanken von ferne.“Ruhiger Gitarrensound begleitet die Gebetsworte. Dann fordert eine angenehm dunkle Stimme den Hörer auf: „Schau dich mal um, nimm die Menschen in der Bahn wahr!“In der Berliner S 5 zwischen Messe-Süd und Alexanderplatz gab es diese Andacht kürzlich während des Deutschen Evangelischen Kirchentags. Das Netzwerk „Junge Ökumene“ließ mit der App einen Versuchsballon steigen, was mit digitalen Medien auch religiös möglich wäre.
Das „S-Bahn-Halleluja“ist bei Weitem nicht das einzige Projekt in der evangelischen Kirche, um diese Kanäle für die Verkündigung zu nutzen. In Frankfurt am Main läuft inzwischen ein ganzer Gottesdienst interaktiv im Netz ab. „Gott ist nicht weit weg“, verheißt sublan.tv. „Wer will, der kann uns eine Erfahrung, eine Erkenntnis spontan mitteilen“, sagt Pfarrer Rasmus Bertram, der Projektleiter. Jeder Beitrag landet direkt im Gottesdienst – eine Fürbitte oder ein Musikwunsch.
„Jugendliche bewegen sich ganz selbstverständlich in virtuellen Welten, sie sind ein normaler Lebensraum für sie. Warum sollte Gott darin nicht vorkommen?“So fragt Pfarrer Norbert Ehrensperger, Leiter von „LUX, der Jungen Kirche Nürnberg“. Die Smartphone-App Snapchat und das Spiel Minecraft hat seine jugendliche Gemeinde in die Gottesdienste schon eingebaut. Dreidimensional konnte man durch den virtuellen Sakralraum wandeln. Die St.-Lukas-Kirche enthält die gesamte Technik dafür. In einer Woche sei das nicht vorzubereiten, räumt Ehrensperger ein. Doch junge Menschen erlebten sich sehr authentisch in den Gottesdiensten.
Das lässt sich auch vom „Singstar-Gottesdienst“der Evangelischen Jugend im westfälischen Brilon sagen. Hier tragen die Jugendlichen ihre Lieblingslieder selber vor, abgepuffert durch Playback, sagt Pfarrerin Miriam Seidel. Es sind Lieder von Träumen und der Liebe, die mit Gebeten oder Bibel-Texten angereichert werden. Die Texte der Popsongs werden Satz für Satz wie in dem Playstation-Karaoke-Spiel „SingStar“an die Wand projiziert.
„Danke fürs Vorbeten und eine gute Nacht.“So ein Tweet erreicht regelmäßig #twomplet, das Abendgebet beim Kurznachrichtendienst Twitter täglich um 21 Uhr. Es hat inzwischen 1772 Follower. „Eigentlich was ganz Altmodisches“, sagt Iris Battenfeld aus Witten in Westfalen. Die alten Psalmen und Hymnen werden kombiniert mit aktuellen Bitten. Es gibt treue Fans, sogar eine Ehe sei schon gestiftet worden.
Popsongs und Karaoke im „Singstar Gottesdienst“