Wenn auf dem Grab Tomaten wachsen
Trauer Immer wieder kommt es auf Friedhöfen zum Streit über (un)angemessenen Grabschmuck. Was auf Bayerns Gottesäckern erlaubt ist und welche Pflicht vor allem Muslimen sauer aufstößt
Wenn auf dem Grab Tomaten wachsen, neben dem Sarg eine übergroße Flasche Whiskey steht und ein Fußballfan unter dem Wappen seines Lieblingsvereins beerdigt werden will, dann ist die Aufregung schnell groß. Auf dem Friedhof hört vielerorts der Spaß auf. Da gibt es klare Regeln, wie mit einem Menschen nach seinem Tod umzugehen ist und auch, wie eine Trauerstätte auszusehen hat. Manches ist in Gesetzesform gegossen, manches entspringt schlichtweg dem Geschmack der Bürgerschaft.
Und wehe dem, der sich nicht an diese Regeln hält. So rückte erst kürzlich ein Streit in Neuburg an der Donau ins bundesweite Rampenlicht. Eine Frau hatte auf dem Grab ihrer Großeltern Tomaten gepflanzt – als Erinnerung an die gemeinsame Zeit im Garten. „Ein Friedhof ist doch kein Schrebergarten. Der nächste baut dann Radieschen an“schimpfte die Friedhofsreferentin und forderte die Verbannung sämtlicher Obst- und Gemüsepflanzen von Gräbern auf städtischen Friedhöfen. Sie scheiterte mit ihrem Ansinnen im Stadtrat. Allerdings müssten die Sträucher die Würde der Grabstelle und des gesamten Friedhofes wahren, wie ein Rathaussprecher im Nachgang der Entscheidung erklärte. Wie diese Würde auszusehen hat, darüber wird auch andernorts gestritten, wie ein Fall in Bayreuth zeigt. Dort zierten vor einigen Wochen eine überdimensionale Zigarettenschachtel sowie eine Whiskey-Flasche das Grab eines Mannes – es war ein letzter Gruß seiner Freunde an den Gestorbenen. Als „unangemessen“bezeichnete das daraufhin der hiesige Pfarrer und nahm den Vorfall zum Anlass, in der evangelischen Kirchengemeinde darüber zu diskutieren, wie viel Toleranz auf dem Friedhof an den Tag zu legen ist oder ob doch die Trauerrichtlinien verschärft werden sollten. Am Ende einigte man sich darauf, den Trauernden beim Blumenschmuck eines Grabes keine Vorschriften machen zu wollen.
Stellt sich die Frage, was auf bayerischen Friedhöfen eigentlich erlaubt ist, und was nicht? Grundsätzliches wird in Bayern im Bestattungsgesetz geregelt – und, um ganz sicher zu gehen, in einer Verordnung zur Durchführung eben dieses Bestattungsgesetzes. Generell gilt im Freistaat: Tote gehören auf den Friedhof. Was banal klingt, ist in Wahrheit höchst umstritten. Nicht selten würden Trauernde gerne selbst und vor allem frei entscheiden, wo ein Angehöriger begraben oder seine Asche aufbewahrt wird. In der Urne auf dem Kamin im Wohnzimmer. Verstreut auf dem Gipfel des gemeinsamen Lieblingsbergs. Vergraben unter einem Baum im eigenen Garten.
Aus diesem Grund weichte Bremen vor drei Jahren als erstes und bislang einziges Bundesland den Friedhofszwang auf. Dort darf die Asche eines Toten seither unter gewissen Voraussetzungen auf privaten Grundstücken verstreut werden.
In Bayern gilt der Friedhofszwang weiterhin – allerdings mit Ausnahmen. Dazu zählen beispielsweise die immer beliebter werdenden Friedwälder und die Seebestattung, bei der laut Gesetz „die Urne von einem Schiff auf hoher See“beigesetzt wird. Mangels bayerischer Meere ist diese Regelung im Freistaat lediglich theoretischer Natur.
Ein zweiter umstrittener Punkt im bayerischen Bestattungsgesetz ist die Sargpflicht. Sie schreibt vor, dass Leichen hierzulande zwingend in einem Sarg beerdigt werden müssen. Vor allem bei Muslimen, die nach religiösem Ritus Leichen nur in ein Leinentuch gewickelt begraben, stößt das auf Widerstand. Auch aus diesem Grund lassen sich noch immer viele hier lebenden Muslime lieber in ihrem Heimatland (oder dem ihrer Eltern) beerdigen. Während zahlreiche Bundesländer unter anderem als Zeichen des Integrationswillens die Sargpflicht für Muslime bereits aufgehoben haben, hält Bayern trotz immer wiederkehrender Proteste an diesem Gesetz fest. Erst Anfang des Jahres wurde wieder ein entsprechender Antrag der Grünen im Landtag abgelehnt.
Bleibt die Frage, wie es mit Grabsteinen, Bepflanzung oder anderem Schmuck von Gräbern aussieht. Was darf, was darf nicht sein? Eine allgemeingültige Antwort darauf gibt es nicht. Kommunen oder Kirchengemeinden dürfen selbstständig entscheiden, wie ihre Friedhöfe und die Gräber auszusehen haben. Die einen regeln das strikter, die anderen toleranter. Und so wird wohl auch künftig über Tomaten, Whiskey-Flaschen oder ähnliches gestritten werden.
Das ist im Übrigen nicht nur in Bayern so. Vor einigen Jahren löste der letzte Wunsch eines neunjährigen Fußball-Fans in Dortmund Aufregung aus. Der krebskranke Junge hatte sich kurz vor seinem Tod einen Grabstein mit Fußball und dem Emblem von Borussia Dortmund gewünscht. Doch die katholische Kirchengemeinde stellte sich quer. Erst nach monatelangem Ringen kam ein Kompromiss zustande: Ein Ball mit BVB-Symbolen durfte auf dem Boden montiert werden.