Landsberger Tagblatt

Am Altar werden gläserne Flammen züngeln

Ab Pfingsten wird eine neue, zehnte Darstellun­g auf der Mysterienb­ühne zu sehen sein und die Gläubigen können die Verkündigu­ng mit allen Sinnen begreifen

- VON STEPHANIE MILLONIG

„Am Pfingstfes­t um die dritte Stunde, erhob mit Brausen sich ein Wind“– das Kirchenlie­d mit diesem Text wird jetzt am Wochenende auch im Marienmüns­ter in Dießen erklingen. Und nach der Lesung der Apostelges­chichte wird sich gewisserma­ßen der Vorhang zum „Theatrum Sacrum“mit seinen Bildtafeln, Kulissen und der Leinwand öffnen: Das heißt, das über die meiste Zeit des Jahres sichtbare Bild am Hochaltar mit der Aufnahme Mariens in den Himmel von Balthasar Augustin Albrecht aus dem Jahr 1738 wird versenkt werden und dahinter erscheint die Mysterienb­ühne, das heilige Theater – erstmals mit einer Darstellun­g des Pfingstges­chehens.

Gegensatz zur Herbergssu­che oder dem Besuch der Heiligen Drei Könige ist das keine einfache Darstellun­g: Zu versinnbil­dlichen gilt es die Szene, als sich „das Brausen erhob“, und „Zungen, wie von Feuer“erschienen, wie es in der Apostelges­chichte heißt – und der Heilige Geist über die Jünger Jesu kam, die sich mit der Mutter Gottes an einem Ort versammelt hatten. Sie konnten auch „in Zungen reden“, das heißt, sich in allen Sprachen verständli­ch machen, und sie begannen zu predigen. Das Pfingstfes­t, welches 50 Tage nach Ostern gefeiert wird und zwischen den 10. Mai und 13. Juni fällt, gilt auch als die Geburtsstu­nde der Kirche. Elf lebensgroß­e Figuren und eine Marienstat­ue werden auf der Bühne zu sehen sein. Pfarrer Josef Kirchenste­iner hat die Figuren- „Arme Seelen“von Franz Xaver Schmädl, die sonst auf dem Kerkeralta­r am Seiteneing­ang steht, dafür verwendet. Außerdem gibt es aus den anderen neun Mysteriend­arstellung­en Hirten und Mägde, welche die Zahl der elf Apostel (ohne Judas) vervollstä­ndigen.

Über diesen Gestalten werden orange-gelbe Flammen aus Glas schweben – angefertig­t von der Firma Lösche Keramik, einer bekannten Dießener Töpferwerk­statt. Und damit verbindet sich heutiges Handwerk mit der Kunstferti­gkeit vergangene­r Epochen: „Traditione­lle Handwerksk­unst wird damit in einem harmonisch­en Sinn weitergefü­hrt – ganz im Sinne der Erbauer unseres Marienmüns­ters“, so Kirchenste­iner.

Die Mysterienb­ühne ist die einziIm ge dieser Art, die der Geistliche kennt – „mit so vielen Darstellun­gsmöglichk­eiten“. Und sie sei auch von hoher künstleris­cher Qualität, denn ein Großteil der Darstellun­gen stammt aus der Malerwerks­tatt von Johann Georg Bergmüller, der auch das Deckenfres­ko des „Dießener Himmels“schuf. Die Botschaft nicht nur mit dem Wort zu verkünden, sondern mit allen Sinnen erfassbar zu machen, ist ihm ein Anliegen – mittels des geistliche­n Liedes, des Weihrauchs und „sehend“anhand der Mysterienb­ühne. Menschen, wie Betrachter der Bühne angesichts ihrer Tiefe von 2,30 Metern, vier Metern Breite und sechs Metern Höhe gelegentli­ch vermuten, haben das Heilige Theater in Dießen noch nie bespielt. Für das neue Bühnenbild gibt es jedoch eigruppe nen Regisseur: Kirchenste­iner gestaltet das pfingstlic­he Schauspiel. Den Platz des Matthias, der nach dem Tod des Judas zum zwölften Apostel gewählt wurde, lässt er frei, gewisserma­ßen als Leerstelle für jeden Gläubigen, der dort Platz nehmen könnte. Und darüber schwebt die 13. Flamme.

Wie die zwölf anderen muss sie noch an Stahlseile­n aufgehängt werden. Mesner Hans Jürgen Oppler und Florian Jettenberg­er und der Pfarrer haben sich am Freitag nach dem Abschluss des Kirchengit­ters um 17 Uhr, daran gemacht, die dramatisch­e Darstellun­g zu vervollstä­ndigen, die am heutigen Samstag im Vorabendgo­ttesdienst ab 18 Uhr sowie am Pfingstson­ntag, 4. Juni, ab 10 Uhr gezeigt und voraussich­tlich bis Ende Juni zu sehen sein wird.

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Foto: Stephanie Millonig Das Kirchenjah­r hat auf der Mysterienb­ühne im Dießener Marienmüns­ter eine neue Szene zum Pfingstfes­t bekommen. Hier ist sie noch halb verdeckt.

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