Am Altar werden gläserne Flammen züngeln
Ab Pfingsten wird eine neue, zehnte Darstellung auf der Mysterienbühne zu sehen sein und die Gläubigen können die Verkündigung mit allen Sinnen begreifen
„Am Pfingstfest um die dritte Stunde, erhob mit Brausen sich ein Wind“– das Kirchenlied mit diesem Text wird jetzt am Wochenende auch im Marienmünster in Dießen erklingen. Und nach der Lesung der Apostelgeschichte wird sich gewissermaßen der Vorhang zum „Theatrum Sacrum“mit seinen Bildtafeln, Kulissen und der Leinwand öffnen: Das heißt, das über die meiste Zeit des Jahres sichtbare Bild am Hochaltar mit der Aufnahme Mariens in den Himmel von Balthasar Augustin Albrecht aus dem Jahr 1738 wird versenkt werden und dahinter erscheint die Mysterienbühne, das heilige Theater – erstmals mit einer Darstellung des Pfingstgeschehens.
Gegensatz zur Herbergssuche oder dem Besuch der Heiligen Drei Könige ist das keine einfache Darstellung: Zu versinnbildlichen gilt es die Szene, als sich „das Brausen erhob“, und „Zungen, wie von Feuer“erschienen, wie es in der Apostelgeschichte heißt – und der Heilige Geist über die Jünger Jesu kam, die sich mit der Mutter Gottes an einem Ort versammelt hatten. Sie konnten auch „in Zungen reden“, das heißt, sich in allen Sprachen verständlich machen, und sie begannen zu predigen. Das Pfingstfest, welches 50 Tage nach Ostern gefeiert wird und zwischen den 10. Mai und 13. Juni fällt, gilt auch als die Geburtsstunde der Kirche. Elf lebensgroße Figuren und eine Marienstatue werden auf der Bühne zu sehen sein. Pfarrer Josef Kirchensteiner hat die Figuren- „Arme Seelen“von Franz Xaver Schmädl, die sonst auf dem Kerkeraltar am Seiteneingang steht, dafür verwendet. Außerdem gibt es aus den anderen neun Mysteriendarstellungen Hirten und Mägde, welche die Zahl der elf Apostel (ohne Judas) vervollständigen.
Über diesen Gestalten werden orange-gelbe Flammen aus Glas schweben – angefertigt von der Firma Lösche Keramik, einer bekannten Dießener Töpferwerkstatt. Und damit verbindet sich heutiges Handwerk mit der Kunstfertigkeit vergangener Epochen: „Traditionelle Handwerkskunst wird damit in einem harmonischen Sinn weitergeführt – ganz im Sinne der Erbauer unseres Marienmünsters“, so Kirchensteiner.
Die Mysterienbühne ist die einziIm ge dieser Art, die der Geistliche kennt – „mit so vielen Darstellungsmöglichkeiten“. Und sie sei auch von hoher künstlerischer Qualität, denn ein Großteil der Darstellungen stammt aus der Malerwerkstatt von Johann Georg Bergmüller, der auch das Deckenfresko des „Dießener Himmels“schuf. Die Botschaft nicht nur mit dem Wort zu verkünden, sondern mit allen Sinnen erfassbar zu machen, ist ihm ein Anliegen – mittels des geistlichen Liedes, des Weihrauchs und „sehend“anhand der Mysterienbühne. Menschen, wie Betrachter der Bühne angesichts ihrer Tiefe von 2,30 Metern, vier Metern Breite und sechs Metern Höhe gelegentlich vermuten, haben das Heilige Theater in Dießen noch nie bespielt. Für das neue Bühnenbild gibt es jedoch eigruppe nen Regisseur: Kirchensteiner gestaltet das pfingstliche Schauspiel. Den Platz des Matthias, der nach dem Tod des Judas zum zwölften Apostel gewählt wurde, lässt er frei, gewissermaßen als Leerstelle für jeden Gläubigen, der dort Platz nehmen könnte. Und darüber schwebt die 13. Flamme.
Wie die zwölf anderen muss sie noch an Stahlseilen aufgehängt werden. Mesner Hans Jürgen Oppler und Florian Jettenberger und der Pfarrer haben sich am Freitag nach dem Abschluss des Kirchengitters um 17 Uhr, daran gemacht, die dramatische Darstellung zu vervollständigen, die am heutigen Samstag im Vorabendgottesdienst ab 18 Uhr sowie am Pfingstsonntag, 4. Juni, ab 10 Uhr gezeigt und voraussichtlich bis Ende Juni zu sehen sein wird.