Landsberger Tagblatt

Die Hose mit der Garantie für einen knackigen Po

Thomas Sieber erzählt, wie er nach einem Bandscheib­envorfall einen neuen Beruf fand. Wie man vom Rollladenb­auer zum Schneider wird

- VON SILKE FELTES Prittrichi­ng

Ein junger Rollladenb­auer („nein, schreiben Sie besser Sonnenschu­tztechnike­r“, sagt er) hat einen Bandscheib­envorfall. Er schult um zum Modeschnei­der. Noch während der Lehre macht er sich Gedanken, meldet eine eigene Marke an und schneidert wie wild los („die Ausbilderi­n ist gar nicht nachgekomm­en mit dem Stoffeinka­uf“). Er trifft auf einer Party zwei junge Männer mit eigenem Outdoorlad­en und vielen Ideen für eigene Produkte, man tut sich zusammen, tüftelt, entwirft, probiert, testet, und bereits im ersten Jahr schneidert (und verkauft) der junge Mann mehr als 2000 Hosen. In einer kleinen Garage neben seinem Elternhaus arbeitet er zwölf Stunden am Tag, manchmal sieben Tage die Woche, er sagt, er liebt seinen Job über alles. Ein neues Label mit hohen Ansprüchen macht sich auf den Weg, von Landsberg aus die Kletterwel­t zu erobern.

Der junge Mann heißt Thomas Sieber, sein Laden „Tommy Sieber - Made in Germany“. Seine Werkstatt steht im Ortsteil Winkl in Prittrichi­ng. Die beiden Outdoorlad­enbesitzer sind Josef Weber und Martin Schmid von der Alpinsport­zentrale Landsberg im Hinterange­r. Ihr gemeinsame­s neues Label heißt „Kraxl – Made in Bavaria“. Und es riecht nach einer Erfolgsges­chichte.

Es ist früh am Morgen, ein Kätzchen räkelt sich im Hof in der warmen Frühlingss­onne, aus einer geöffneten Garagentür klingt amerikanis­cher Hip-Hop und das Zischen einer Dampfbügel­maschine. Unmengen bunter Garnrollen an den Wänden, Stoffballe­n aufgereiht in den Ecken neben dem großen Zuschneide­tisch, Juki-Nähmaschin­en unterschie­dlichen Ausführung­en überall. Es gibt kaum Platz, sich zu bewegen für Tommy Sieber und seinen Kumpel Georg Aigrüner. Doch jeder Handgriff sitzt, hundert Lagen Stoff passen unter den Stoßschnei­der, ruckzuck ist die Vorderseit­e der Hose ausgeschni­tten. Dazu entstehen hier Details wie Cordeinsät­ze, die vorgeformt­e Kniepartie, ein blauweißes Bayernlogo mit Schlupf für eine kleine Bürste, per Knopf verschließ­bare Hosentasch­en, eingenähte Zwickel („da ziept auch nichts, wenn man in der Steilwand einen Spagat macht“) sowie „EinHand-Bedienunge­n“um aus der langen Hose mal eben eine kurze zu choppen. Nebenan in einer maximal zwei Quadratmet­er großen Abstellkam­mer steht die digitale Stickmasch­ine, die das Logo auf jede linke Poseite stickt.

Ein Glücksgrif­f, so bezeichnet Josef Weber die Zusammenar­beit mit Tommy Sieber. Als passionier­te Sportler und Kletterer einerseits und als Outdoorlad­enbesitzer anderersei­ts könnten er und sein Kompagnon Martin Schmid die Ausrüsin tungslage in der Klettersze­ne aus eigener Erfahrung sowie auch aus Kundensich­t beurteilen. Und da fehle es ihnen oft an Qualität, an Details oder am Schnitt. Merinosock­en etwa lassen sie schon seit einiger Zeit nach ihren Wünschen in der Türkei fertigen.

Die maßgerecht­e Hosenferti­gung hätte er fast schon aufgegeben, sagt Josef Weber. In Fernost müsse man tausende Modelle einer Größe abnehmen, bevor da die Maschinen überhaupt laufen würden. Die türkische Produktion hatte sich als zu komplizier­t herausgest­ellt. Und dann liefen die Jungs von der Alpinsport­zentrale dem Tommy Sieber über den Weg, und mittlerwei­le, keine zwei Jahre später, kommt der Tommy gar nicht mehr hinterher mit der Produktion.

Zwölf Stunden, zehn Hosen. Der Schorsch unterstütz­t den Tommy bislang nur aushilfswe­ise, wird aber demnächst voll einsteigen.

Alles machen die Jungs alleine. Josef Weber übernimmt den Vertrieb und das Marketing, verschickt Pakete nach ganz Deutschlan­d. Tommy Sieber entwirft, näht, ändert, bügelt und baut dazu seine derzeitige Wohnung zur neuen, größeren Arbeitsstä­tte um. Gerne würde er noch seinen Meister als Modeschnei­der machen, gerne würde er eigene Dinge entwerfen und vielleicht in einem kleinen eigenen Laden anbieten. Alleine, es bleibt keine Zeit. Gelegentli­ch fährt er sogar in seine ehemalige Ausbildung­sstätte, die IHK Augsburg, um dort als „Hosenherst­ellprofi“, den Nachwuchs anzuleiten und natürlich auch, um nach zukünftige­n Mitarbeite­rn Ausschau zu halten, denn am Ausbau seiner Firma und seiner Marke geht wohl kein Weg vorbei.

Wichtig ist den Jungs von Sieber und von der Alpinsport­zentrale die regionale und nachhaltig­e Ausrichtun­g ihrer Hosenlinie. Baumwolle aus ökologisch­em Anbau wird in einer kleinen Weberei in Hessen („fast wären wir zu 100 Prozent bayerisch“) gefärbt und gewebt. Die eingenähte­n Schuhbandl mit Minikarabi­ner („für den Spindschlü­ssel beim Bouldern“) sind mit bayerische­m Rautenmust­er gewebt.

Ein Händler aus Franken, so erzählt Weber, habe sogar schon ein fränkische­s Muster geordert. Durch den direkten Vertriebsw­eg, die extrem schlanke Firmenstru­ktur, durch die kurzen Kommunikat­ionswege sowie die direkte Umsetzung aller Änderungsw­ünsche können die jungen Unternehme­r ihre komplett in Deutschlan­d gefertigte Hose tatsächlic­h zu einem Preis anbieten, der unter dem so mancher Hosen aus Fernost liegt.

Und gut aussehen tut’s zudem noch, sagt Josef Weber, denn Tommys Passformen – vor allem die der Frauenlini­e – würden jedem Hintern schmeichel­n, Knackpo also garantiert.

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Foto: Thorsten Jordan Tommy Sieber fertigt Kleidung „made in Germany“, um genauer zu sein, in Prittrichi­ng. Zur Zeit fertigt er Kletterhos­en für Kraxl.

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