Englands Kicker tauschen Trikot gegen Tarnanzug
Seit Abschaffung der Wehrpflicht verweichlicht die Gesellschaft hierzulande zusehends. Wo sind sie nur geblieben, die harten Hunde, die mit Zähnen Kronkorken von Flaschen beißen und mit der Hand Kokosnüsse zerquetschen? Überall Innentaschenbügler und Warmduscher. Flecktarn-Hosen trägt Mann heutzutage, weil Camouflage gerade hip ist.
In grauer Vorzeit erfüllten wenigstens Trainingslager noch ihren Zweck. Fußballer nächtigten vor großen Turnieren nicht in Nobelhotels, schlürften Smoothies und vertrieben sich die Zeit im Pool oder vor der Playstation. Nein, die Spieler wurden umzäunt von Stacheldraht einkaserniert und schliefen auf Pritschen. Den Kickern wurde einverleibt, dass sie sich nicht auf einer vergnüglichen Klassenfahrt befanden, sondern dem Land Leistung schuldeten – was in Wahrheit natürlich Blödsinn ist. Ein Nationalspieler treibt Sport, spielt für sich und seine Mannschaft und schuldet seinem Land nichts.
Während das Gros der Deutschen inzwischen Nationalstolz gut einordnen kann, bedienen sich Medien anderer Länder unpassender Kriegsrhetorik, wenn Fußballländerspiele anstehen. Dann rollen Panzer und zerbomben Abwehrreihen. Englische Boulevardblätter wie die Sun sind Meister darin, schnöde Sportereignisse zu einer Angelegenheit von nationalem Interesse zu überhöhen.
Am Samstag ist es wieder soweit, das Königreich trifft auf einen Erzrivalen. Unabhängigkeitskriege sind zwar Geschichte, aber seit dem Brexit finden die Schotten die Engländer – verständlicherweise – nicht mehr ganz so dufte. Der politische Diskurs setzt sich auf sportlicher Ebene fort. Beide Teams brauchen Punkte, um sich für die WM in Russland zu qualifizieren.
Wie ernst die Engländer das Spiel gegen die Nachbarn nehmen, unterstreicht ihre Vorbereitung. Trainer Gareth Southgate schickte seine Fußball-Millionäre in ein zweitägiges Militärcamp. Die Stars tauschten Trikot gegen Tarnanzug, wanderten mit 21 Kilo Marschgepäck, bewältigten Hinternissparcours, tauchten in schlammigem Gewässer und übernachteten in Zelten. Und wie begründet Southgate sein „Trainingslager“? Er bemüht, war ja klar, einen Vergleich zwischen seinen Spielern und Soldaten: „Diese Jungs repräsentieren die Queen und unser Land – so wie wir.“Southgate sollte dringend seine tägliche Lektüre überdenken.