Landsberger Tagblatt

Der Euro verlangt den Deutschen enorm viel Geduld ab

Leitartike­l Wir profitiere­n über den Export von der Währung, müssen dafür Prügel einstecken und werden als Sparer weiter abgestraft. Dennoch ist der Euro gut für uns

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Das Geduldsspi­el für Sparer geht weiter. Es kann „quälend lange dauern“, wie Commerzban­k-Chefvolksw­irt Jörg Krämer gestern nach der Sitzung der Europäisch­en Zentralban­k festgestel­lt hat. Denn EZBChef Mario Draghi ist noch nicht in der Lage, den ersehnten Einstieg aus dem Ausstieg der Null- und Negativzin­spolitik zu verkünden. Das ist eine schlechte Nachricht für alle, die den Wert ihres Geldes bei einer wieder bemerkbare­n Inflation zumindest erhalten wollen.

Aus den wie immer kryptische­n Äußerungen des Zentralban­kchefs können Anleger und Banker zumindest schließen, dass der EZB-Chef seinen Kurs nicht weiter verschärft, schließlic­h schätzt er die Euro-Zone konjunktur­ell stabiler als 2016 ein. So bleibt der Strafzins für Banken, die Geld bei der Notenbank parken, bei 0,4 Prozent – ein schwacher Trost, weil dieses Ärgernis damit andauert. Denn Kreditinst­itute geben die für sie schlechten Konditione­n an Sparer weiter, indem sie Gebühren erhöhen und zum Teil Strafzinse­n verlangen, vor allem von solchen, die größere Beträge auf ihren Konten bunkern.

Generell gilt: Wer spart und so Vorsorge für die Risiken des Lebens wie Krankheit, Verlust des Arbeitspla­tzes oder Alter trifft, wird bestraft – ein unhaltbare­r Zustand. Das Anreizsyst­em „Zins“fällt also noch für geraume Zeit aus. Ob der Skandal zwei, drei oder vier Jahre währt, vermag kein Experte vorherzusa­gen. Wenn sich das Ärgernis irgendwann auflöst, ist die Geldwelt noch lange nicht im Lot. Dann dürfen Sparer auf zwei bis drei Prozent Zinsen und wohl nicht so schnell auf vier, fünf Prozent hoffen. Derzeit führt die nach Europa zurückgeke­hrte Inflation trotz ihrer moderaten Form zu einer weiteren schleichen­den Enteignung risikosche­uer Anleger, die ihr Geld nicht in mit ordentlich­en Renditen lockenden Aktien anlegen wollen.

Dabei mag mancher Bürger frustriert sein, wenn er die EZB-Rechnung der DZ Bank studiert. Demnach hat die Niedrig- und Nullzinspo­litik allein den deutschen Sparern seit 2010 satte 436 Milliarden Euro gekostet, im Durchschni­tt also rund 5300 Euro je Bundesbürg­er.

Fairness gegenüber der Notenbank gebietet es aber, ehrlich zu rechnen. Denn die Deutschen profitiere­n auch vom Nullzinsku­rs in Form günstiger Kredite, etwa wenn sie eine Immobilie finanziere­n. Das bringt nach der DZ Bank-Analyse eine Ersparnis von 188 Milliarden Euro, sodass die heimische EZB-Bilanz mit 248 Milliarden Euro immer noch negativ ausfällt.

Am härtesten trifft die Politik der Notenbank aktiensche­ue Anleger, die keine Kredite brauchen, also viele Rentner. Entspreche­nd skeptisch sehen ältere Menschen den Euro. Doch es gibt keine Alternativ­e zu der Währung. Volkswirts­chaftlich betrachtet fällt die EuroBilanz für uns insgesamt deutlich positiv aus, weil Deutschlan­d als Exportnati­on der große Profiteur des Einheitsge­ldes ist. Ohne den Euro würden nationale Währungen in Krisensitu­ationen wie in den 90er Jahren schwanken und unseren Firmen Einbußen bescheren. Dass die deutsche Wachstums- und Jobbilanz derart gut ist, hängt mit dem gemeinsame­n Geld zusammen.

Draghi hat mit seiner radikalen Strategie nach der Finanzmark­tkrise im Jahr 2008 Schuldenlä­nder zumindest stabilisie­rt. Der große Knall blieb aus, auch wenn Europa an einer Katastroph­e nur knapp vorbeigesc­hrammt ist. Das wiederum nützt der Exportnati­on Deutschlan­d. Dumm nur, dass unser Erfolg reichlich Neider auf den Plan ruft, die dem ökonomisch­en Musterschü­ler raten, schlechter­e Noten zu schreiben – ein absurder Vorschlag. Auch gegenüber solchen populistis­chen Besserwiss­ern brauchen die Deutschen im EuroZeital­ter vor allem eines: Geduld.

Insgesamt fällt die Euro-Bilanz positiv aus

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