Die riskante Rentenstrategie der Union Debatte
CDU und CSU kritisieren zwar heftig die SPD-Pläne zur Reform der Altersversorgung. Doch ein eigenes Konzept wollen sie im Wahlkampf nicht vorlegen
Offenbar glaubt die CDU, aufgrund ihres wachsenden Vorsprungs auf die SPD in den Meinungsumfragen das heikle Thema Rente im Wahlkampf einfach ausblenden zu können. Denn als Reaktion auf die jetzt vorgestellten Rentenpläne von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat CDUGeneralsekretär Peter Tauber angekündigt, dass die Union vor der Bundestagswahl kein eigenes Rentenkonzept vorlegen will. Seine Begründung: Bis ins Jahr 2030 sei die Rente solide aufgestellt – dies liege an der Rekordzahl an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Für ein Konzept zur Neuordnung bestehe zu diesem Zeitpunkt deshalb schlicht keine Notwendigkeit.
Der Verzicht auf klare Ansagen in einem Thema, das die große Mehrzahl der Bundesbürger beschäftigt, ist indes höchst riskant. Schon wittert die stark angeschlagene SPD Morgenluft. Der neue Generalsekretär Hubertus Heil wirft der CDU vor, sie wolle „die Generation, die am meisten eingezahlt hat, am wenigsten rausbekommen und am längsten arbeiten lassen“. Nachdem der als Hoffnungsträger gestartete Martin Schulz in den bislang dominierenden Wahlkampfthemen Sicherheits- und Asylpolitik kaum Akzente setzen konnte, hat er mit der Rente nun möglicherweise doch noch ein Kampagnenthema gefunden, mit dem er sich und die SPD von der Union abgrenzen kann.
Es spricht ja durchaus viel dafür, das Thema Rente aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Das Feld ist zu sensibel und wichtig, um es im Rahmen von Überbietungswettbewerben abzuhandeln. Doch die SPD hat nun einmal vorgelegt und ein Konzept präsentiert, das immerhin durchgerechnet erscheint. Das Versprechen einer Garantie gegen ein Absinken des Rentenniveaus unter 48 Prozent des Durchschnittslohns und einer Deckelung des Beitragssatzes bei 22 Prozent mag vor allem aus dem Bestreben heraus entstanden sein, sowohl die Rentner als auch die Beitragszahler zufriedenzustellen. Doch ehrlicherweise verschweigt die SPD auch nicht, dass ihr Konzept längerfristig ohne zusätzliche Milliarden aus dem Steuertopf nicht funktionieren wird. Auch das Versprechen von Martin Schulz, mit ihm als Kanzler werde es keine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters über 67 Jahre hinaus geben, ist eine klare Ansage. Es genügt in diesem Fall nicht, dass etwa CDU-Finanzstaatssekretär Jens Spahn von „Populismus auf dem Rücken der jungen Generation“spricht. Der Wähler darf ganz konkrete Ideen erwarten, wie es die Union in Sachen Rente selbst machen will. Gerade CDU und CSU weisen immer wieder darauf hin, dass künftig immer weniger Beitragszahler für immer mehr Rentner aufkommen müssen. Und nun besteht plötzlich kein Bedarf mehr an Konzepten? Die CDU-Strategie verwundert angesichts von 21 Millionen Rentnern, von denen sich viele Sorgen machen, ob sie ihren Lebensstandard werden halten können. Und in den nachfolgenden Generationen ist die Angst zum Teil noch größer. Viele jüngere Berufstätige rechnen schon gar nicht mehr damit, dass die Renten, die sie zu erwarten haben, für einen finanziell abgesicherten Lebensabend reichen. Zumal keiner, der jetzt ins Berufsleben eintritt, wissen kann, wie lang er überhaupt wird arbeiten müssen. Bis zum 67. Lebensjahr? Bis zum 70. Geburtstag? Oder noch länger?
Gerade CDU-Politiker haben immer wieder davon gesprochen, dass an einer höheren Lebensarbeitszeit kein Weg vorbeiführen werde. Da würde der Wähler jetzt gern Genaueres erfahren – schließlich sind wichtige Fragen der Lebensplanung betroffen. Bei der Altersversorgung geht es für zu viele Bürger um zu viel. Auch auf einen großen Teil derjenigen, die weiter auf Angela Merkel als Kanzlerin setzen, dürfte es befremdlich wirken, dass sich die Union ausgerechnet mit der Rente im Wahlkampf nicht so recht befassen will.