Könnte das in Deutschland passieren? Besondere Vorschriften für Hochhäuser
Experten wie der Augsburger Feuerwehrchef Frank Habermaier sehen Hochhäuser hierzulande als sicherer an. Doch es gibt Risiken für Gebäude unter 22 Metern
Nach der Feuerkatastrophe von London gerät auch der Brandschutz in Deutschland in die Kritik. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will nach dem Inferno mit inzwischen mindestens 17 Toten prüfen, „ob die aus energetischen Gründen geforderte Außendämmung eine zusätzliche Brandgefahr auslöst“, wie er sagte.
Brandschutzexperten sehen ein hohes Risiko, dass Feuer extrem schnell auf die gesamte Fassade übergreift, sofern die Wärmedämmung nicht den heutigen Erkenntnissen der Brandsicherheit entspricht. In Deutschland ist aber die Verwendung von als brennbar deklarierten Materialien beim Bau von Hochhäusern verboten. Der Augsburger Feuerwehrchef Frank Habermaier schätzte gegenüber unserer Zeitung die Gefahr eines Fassadenbrandes bei einem Hochhaus in Deutschland deshalb als „eher gering“ein. Er verweist jedoch darauf, dass durchaus Verbundstoffe in Hochhäusern eingebaut werden können, die brennbare Materialien enthalten. Durch Tests müsse sichergestellt sein, dass die Baustoffe nicht feuergefährlich sind.
Seit einigen Jahren läuft in Deutschland eine Diskussion zwischen Brandschützern, Politik und Kunststoff-Industrie über die Verwendung von Styropor als Dämmmaterial. Im Zuge der Diskussion wurden auch die Brandtests für Sty- ropor hinterfragt und als teilweise unrealistisch bezeichnet. Hochhäuser sind von der Thematik nicht betroffen, als Folge der energetischen Sanierungswelle wurden in den vergangenen zehn Jahren aber Mehrfamilienhäuser unter 22 Metern und Einfamilienhäuser mit zentimeterdicken Styroporschichten versehen. In Augsburg habe es noch keinen Fall gegeben, wo eine Fassade in Vollbrand geriet, aus anderen Städten in Deutschland seien aber derartige Fälle bekannt geworden, so Feuerwehrchef Habermaier.
Das Feuer in dem Londoner Hochhaus war am Mittwoch ausgebrochen. Nach der Katastrophe mehren sich Anschuldigungen über mangelnden Brandschutz. Wie die Polizei mitteilte, wird mit weiter steigenden Opferzahlen gerechnet. Bisher ist von 17 Toten die Rede. Die Feuerwehr kann die oberen Stockwerke des Wohnturms aus Sicherheitsgründen noch nicht gründlich durchsuchen. Bei dem Brand wurden am Mittwoch 65 Menschen von der Feuerwehr aus den Flammen gerettet, anderen gelang selbst die Flucht. Dutzende Verletzte werden noch in Kliniken behandelt. In dem Sozialbau mit 120 Wohnungen lebten wohl zwischen 400 und 600 Menschen. Im Kommentar beschäftigt sich Jürgen Marks mit den Folgen des Brandes. Unsere Korrespondentin Katrin Pribyl berichtet auf der Dritten Seite aus London. Sie schildert die Stunden des Schreckens. (mit dpa)