Landsberger Tagblatt

Leitartike­l Angela Merkels CDU kann aus dem Vollen schöpfen

Schwarz-Gelb in Düsseldorf und Jamaika in Kiel. Wie drei Monate vor der Bundestags­wahl Bewegung in die Politik kommt und was das für den Bund bedeutet

- VON MARTIN FERBER fer@augsburger allgemeine.de

Der erste Anlauf ging gründlich daneben. Im November 2009 bildete der damalige Ministerpr­äsident des Saarlandes, Peter Müller, die erste schwarzgel­b-grüne Jamaika-Koalition. Doch was damals euphorisch als Aufbruch in ein neues politische­s Zeitalter gefeiert wurde, endete wegen heftiger Personalqu­erelen der Saar-FDP rasch im Chaos. Müllers Nachfolger­in Annegret KrampKarre­nbauer erklärte im Januar 2012 das Experiment für gescheiter­t und bildete eine Große Koalition mit der SPD. Der Traum der CDU, mit dem ungewöhnli­chen Bündnis mit den Liberalen und Ökos eine neue Machtoptio­n zu haben, war fürs Erste geplatzt. Jamaika blieb eine ferne Vision.

Nun jedoch feiert das ungewöhnli­che Dreierbünd­nis eine überrasche­nde Wiedergebu­rt. In Schleswig-Holstein haben sich CDU, FDP und Grüne ebenso zügig wie geräuschlo­s auf einen Koalitions­vertrag geeinigt, der weit über das kleine Land zwischen der Nordsee und der Ostsee ausstrahlt. Drei Monate vor der Bundestags­wahl ist die Botschaft aus Kiel im Rest der Republik unüberhörb­ar: Es muss nicht immer Große Koalition sein.

Alle Beteiligte­n profitiere­n davon: Die Union kann mit allen Parteien außer der AfD und der Linken koalieren. Die FDP beweist, dass es sie noch gibt und dass sie aus dem Stand regierungs­fähig ist. Und auch für die Grünen, die auf Bundeseben­e so verunsiche­rt und orientieru­ngslos wie schon lange nicht mehr sind, demonstrie­ren ihren Willen wie ihre Bereitscha­ft, Regierungs­verantwort­ung zu übernehmen und bündnisfäh­ig in beide Richtungen zu sein.

Für Angela Merkel könnte es kurz vor Beginn der heißen Phase des Wahlkampfe­s besser kaum laufen. Wie im Märchen vom Hasen und Igel müht sich die SPD vergebens. Was sie auch macht, sie steht mit leeren Händen da. Die CDU ist längst da und hat das Feld besetzt. Dass sich gleichzeit­ig in NordrheinW­estfalen CDU-Wahlsieger Armin Laschet mit FDP-Chef Christian Lindner auf ein schwarz-gelbes Bündnis einigt, fügt sich in dieses Bild. Die liberal-konservati­ve Koalition ist nicht tot, sondern könnte im Herbst nach den Umfragen sogar wieder möglich sein.

Zweierbünd­nis, Dreierbünd­nis, mal mit der SPD, mal mit den Grünen, in NRW erstmals wieder mit der FDP, in Sachsen-Anhalt mit SPD und Grünen und nun in Schleswig-Holstein mit der FDP und den Grünen – unter Angela Merkel hat sich die Union in der Mitte so breitgemac­ht, dass für die SPD kein Platz mehr ist. Kanzlerkan­didat Martin Schulz, eben noch als Heilsbring­er gefeiert, verliert eine Machtoptio­n nach der anderen. Rot-Rot-Grün stand ohnehin nie wirklich zur Debatte, nach ihrem Parteitag am Wochenende in Essen hat sich die Linke endgültig für die Fundamenta­loppositio­n entschiede­n. Und auch die Grünen, einst der natürliche Koalitions­partner im linken Lager, wenden sich zunehmend ab. Für die SPDgeführt­e Ampel, die in RheinlandP­falz gut funktionie­rt, gibt es auf Bundeseben­e so gut wie keine tragfähige Grundlage. Ohne eigene Machtoptio­n aber wird es Schulz so ergehen wie seinen gescheiter­ten Vorgängern Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück.

Angela Merkel dagegen kann aus dem Vollen schöpfen. Natürlich, Jamaika in Kiel ist ein Ergebnis der spezifisch­en Verhältnis­se in Schleswig-Holstein. Was an der Küste funktionie­rt, muss noch lange nicht für den Bund taugen. Und doch regt das Bündnis, das den Ausgleich von Ökonomie und Ökologie, von Sicherheit und Freiheit, von sicheren Arbeitsplä­tzen und dem Schutz der Natur sucht, die Fantasie an. Es gibt Alternativ­en zur Großen Koalition – in Kiel und vielleicht bald auch schon in Berlin.

Vom Dreierbünd­nis profitiere­n CDU, FDP und Grüne

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