Mit Tempo zurück an die Macht
Die CDU im Norden und im Westen ist sich mit ihren Partnern schnell einig geworden. In beiden Bündnissen ist die FDP dabei. Aber deren Spitzenleute zieht es nach Berlin
Es ist das Ende einer langen Durststrecke: Im Mai gelang es der CDU nach zwölf Jahren erstmals wieder, aus der Opposition heraus auf Landesebene zurück an die Macht zu kommen. Der Coup gelang gleich zwei Mal, in SchleswigHolstein und Nordrhein-Westfalen. Wenn alles klappt, kommt die Union nun drei Monate vor der Bundestagswahl im September auf sieben Ministerpräsidenten – zieht also gleich mit der SPD.
Am Rhein haben sich CDU-Landesvorsitzender Armin Laschet und FDP-Chef Christian Lindner in nur drei Wochen reibungslos auf die Bildung einer schwarz-gelben Regierung geeinigt. Ebenso fix ging es an der Förde bei CDU, FDP und Grünen mit ihrem „Jamaika“-Bündnis. „Fertig!“, hieß es am Dienstagabend fast zeitgleich in SchleswigHolstein und NRW: Der Koalitionsvertrag steht. Auch wenn die offiziellen Unterschriften noch fehlen.
In Nordrhein-Westfalen will sich Laschet schon am 27. Juni zum Ministerpräsidenten wählen lassen. In Kiel soll CDU-Chef Daniel Günther einen Tag darauf folgen. Der 43-Jährige hatte die Landtagswahl am 7. Mai überraschend gewonnen, Laschet, 56, eine Woche später in NRW. Sie bezwangen mit Torsten Albig und Hannelore Kraft zwei SPD-Regierungschefs, die siegesge- wiss von ihrer Wiederwahl ausgegangen waren.
Die beiden Katholiken eint auch die Unterstützung für Angela Merkel. Beide wollen der Kanzlerin nun kräftigen Rückenwind aus NordWest für den 24. September liefern, den Wahltag im Bund. Mit dem FDP-Führungsduo Lindner und Wolfgang Kubicki haben die Koalitions-Architekten Laschet und Günther zwei ehrgeizige Partner mit auch bundespolitischen Ambitionen an Bord.
In Kiel ist zudem der Grüne Robert Habeck als Akteur mit Gewicht und Perspektive dabei. Die Grünen im Norden haben sich mit der Reise nach „Jamaika“durchaus schwergetan, hatten sich mit der nun abgewählten Koalition mit SPD und SSW – Südschleswigscher Wählerverband – doch stark identifiziert. Habeck und Finanzministerin Monika Heinold machten ihren Leuten aber immer wieder klar: Die Alternative zu „Jamaika“wären wohl die harten Oppositionsbänke.
Zum Frust der SPD hatten die Grünen nach einem klaren „Nein“Kubickis die vage Chance auf eine „Ampel“-Option schnell abgehakt. Nun hofft die Parteispitze noch, dass die Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag positiv ausgeht. Auch bei harten Konfliktthemen wie Ausbau der Windenergie, Abi- turzeit, Verkehrsgroßprojekten und Umgang mit Flüchtlingen haben CDU, Grüne und FDP im Norden Kompromisse gefunden. Die Ministerriege steht.
Im bevölkerungsreichsten Bundesland fehlt nur noch der letzte Feinschliff, heute wird der Koalitionsvertrag vorgestellt. SchwarzGelb steht in NRW künftig etwas bevor, was die letzten beiden Kieler Koalitionen schon mitmachten: Regieren mit einer Ein-StimmenMehrheit im Landtag. Das verstärkte den Druck in Düsseldorf, einen breit zustimmungsfähigen Vertrag zu zimmern. Die FDP lässt ihre 15500 Mitglieder vom 16. bis 23. Juni darüber online entscheiden, die CDU plant einen Parteitag am 23. Juni in Neuss.
Die NRW-Runden verliefen unerwartet harmonisch, wenn man bedenkt, dass Lindner noch in der Wahlnacht polterte: „Ich bin (...) nicht der Wunsch-Partner von Herrn Laschet und er nicht meiner.“Ganz schnell sind sich dann aber die Teams unter „Armin“und „Christian“bei innerer Sicherheit, Wirtschaft, Verkehr, Bauen, Bildung, Schule und Finanzen einig ge- worden. Ein zentrales Ziel: Von Schlusslicht-Plätzen an die Spitze der Länder gelangen. NRW solle bundesweit „gründerfreundlichstes Land“werden, „Taktgeber“beim Zukunftsthema Elektromobilität oder auch „Motor der Integrationspolitik“in Deutschland. Ein Sicherheitsmaßnahmenpaket umfasst mehr Polizisten und mehr Videoüberwachung, elektronische Fußfesseln für Gefährder – allerdings keine Schleierfahndung. Zum Verdruss mancher Länder, die gerade das fordern. Laschet hatte das Instrument zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität eigentlich fest zugesagt, die FDP wollte es aber nicht. Jetzt soll als Novum die „strategische Fahndung“kommen – verdachtsunabhängige Kontrollen, die aber einen Anlass brauchen.
Die FDP hat dafür auf allgemeine Hochschulgebühren verzichtet. Diese sollen demnächst nur NichtEU-Ausländer entrichten. Und: Das ungeliebte Turbo-Abitur nach acht Gymnasialjahren (G8) soll zur Ausnahme, G 9 auch in NRW wieder die Regel werden. Und wer sitzt bald mit Laschet am Kabinettstisch? Lindner nicht. Der 38-Jährige will Bundespolitik pur machen, nach der September-Wahl nach Berlin wechseln – genauso wie Bundesparteivize Kubicki aus Kiel.
Auch in NRW wird die Gymnasialzeit verlängert