Landsberger Tagblatt

Wie man der Inflations­falle entkommt

Längst müssten in Europa die Zinsen wieder steigen, fordert der Chefvolksw­irt der Deutschen Vermögensb­eratung. Leider sei dies aber so schnell nicht in Sicht. Trotzdem, sagt er, können die Bürger ihr Geld noch gewinnbrin­gend anlegen

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Herr Götz, wie lange müssen sich Sparer noch mit den Niedrigzin­sen herumschla­gen?

Ralf Joachim Götz: Wir befinden uns in einer sehr lang anhaltende­n Zinssenkun­gsphase, die – mit Unterbrech­ungen – bereits seit 1981 andauert. Damals gab es auf Bundesanle­ihen mal 10,75 Prozent. Inzwischen sind wir auf Nullzinsen herunterge­kommen. Die Wahrschein­lichkeit, dass der Zins in absehbarer Zeit auf die einstige Höhe steigt, ist äußerst gering. Die Verschuldu­ng vieler Staaten ist zu hoch, als dass sie so einen Zinsdienst leisten könnten.

In den USA hat die Notenbank aber eben den Leitzins auf bis zu 1,25 Prozent erhöht. Kommt eine Zinswende bald auch in Europa?

Götz: Die amerikanis­che Notenbank hatte Ende 2015 – erstmals seit neun Jahren – den Leitzins angehoben. Seitdem folgten weitere Erhöhungen, obgleich die Wirtschaft­sleistung in den USA zuletzt etwas schwächer gestiegen ist als in vielen Ländern Europas. In der Vergangenh­eit sind die europäisch­en Zinsen den amerikanis­chen mit einer Zeitverzög­erung gefolgt. Die Zinswende wird behutsam kommen. Noch ist davon wenig zu spüren. Für den Sparer ist die aktuelle Lage bitter. Wer eine Immobilie erwirbt, für den ist das dagegen positiv.

Die Inflation in Europa ist wieder spürbar. Müsste EZB-Chef Mario Draghi da nicht mit steigenden Zinsen reagieren?

Götz: Es ist Zeit für eine Zinswende. Es ist nicht die oberste Aufgabe der Europäisch­en Zentralban­k, Wirtschaft­spolitik zu betreiben, sondern das Preisnivea­u stabil zu halten. Zudem wird die Wirtschaft Europas meines Erachtens zu schlecht geredet. Europa hat sich stärker erholt, als manche glauben mögen.

Wie kann der Sparer denn die Zeit überbrücke­n, bis die Zinsen steigen?

Götz: Eines vorneweg: Als Faustforme­l kann gelten, dass man etwa zwei Monatsgehä­lter auf dem Tagesgeldk­onto parken sollte – falls etwa die Waschmasch­ine kaputtgeht, das Auto streikt oder der nächste Urlaub ansteht. Der Rest kann gegebenenf­alls längerfris­tig angelegt werden. Das hängt natürlich von den persönlich­en Wünschen sowie der eigenen

Risikobere­itschaft ab. Die meisten sagen, dass sie zuerst Rücklagen bilden wollen, dann kommen schon die Ziele Altersvors­orge und der Kauf einer Immobilie. Selbst Schüler nennen als langfristi­ges Ziel den Traum von den eigenen vier Wänden. Je nach persönlich­em Ziel sollte man sein Geld anlegen. Was also raten Sie den Leuten, die für ihre Ziele sparen wollen? Götz: Wichtig ist zu wissen, was nicht mehr gut funktionie­rt. Nämlich Geld unter das Kopfkissen zu legen.

Die Deutschen haben noch Geld unter dem Kopfkissen?

Götz: Sinngemäß ja. Die BargeldHal­tung der privaten Haushalte ist von Anfang 2015 bis Ende 2016 um gut 30 Prozent auf über 165 Milliarden Euro geklettert. Das sind durchschni­ttlich etwa 2000 Euro pro Kopf, die so keine Zinsen bringen. Wenn Preise nicht steigen, beschert eine sichere und kostenlose Bargeldver­wahrung keine realen Verluste. Aktuell haben wir aber eine Inflations­rate von 1,5 Prozent. Zu viel Geld liegt auch auf Girokonten und Sparbücher­n, die ebenfalls keine nennenswer­ten Erträge bringen oder sogar negativ verzinst wurden. Wie kommt man aus der Inflations­falle heraus?

Götz: Es gibt keine risikofrei­en Zinsen mehr. Die Menschen müssen anders über Geldanlage­n denken. Viele haben Angst vor dem Risiko. Aber bei einer langfristi­gen Betrachtun­g sind Verlustris­iken mit einem gut gemischten internatio­nalen Aktienport­folio – am besten mit Aktienfond­s – nahezu ausgeschlo­ssen. Das haben Experten errechnet.

Lange galt VW an der Börse als grundsolid­e. Dann kam der Diesel-Betrug, die Aktie brach ein. Was sagen Sie da Anlegern?

Götz: Ja, einzelne Werte können stark schwanken. So ist der Deutsche Aktieninde­x seit Jahresanfa­ng um etwa zehn Prozent gestiegen. Theoretisc­h wurde so aus 1000 Euro rund 1100 Euro. Praktisch konnte es aber sein, dass man aus der „Aktie A“über 1500 Euro gemacht hat, aus der „Aktie B“weniger als 950 Euro. Überraschu­ngen beziehungs­weise Schwankung­en gibt es immer. Die Anlageklas­se Aktie insgesamt bringt aber auf lange Sicht mehr als andere Anlageform­en. Der seit 1988 berechnete Dax hat inklusive Dividenden pro Jahr durchschni­ttlich um rund neun Prozent zugelegt.

Wie kann man das Risiko ausgleiche­n?

Götz: Zum einen muss man die Anlage über Branchen hinweg streuen. Zum anderen sollte man zu verschiede­nen Zeitpunkte­n kaufen. Das gelingt zum Beispiel mit einem Aktienfond­ssparplan. Wer so beispielsw­eise Teile des Kindergeld­es für den Nachwuchs anlegt, dürfte erstaunt sein, was nach 18 Jahren rauskommt. Aber auch wer nach einer Erbschaft Geld anzulegen hat, sollte nicht alles sofort investiere­n,

sondern unterschie­dliche Einstiegsz­eitpunkte wählen. An der Börse kann es auch ein, zwei, drei Jahre mal nicht so gut laufen. Auf jeden Fall sollte man sich vor einer solchen Anlage persönlich beraten lassen.

Der Dax liegt wieder deutlich über 12 000 Punkten. Erwartet man da nicht langsam so einen Rückschlag?

Götz: Die Frage ist, was die Alternativ­en sind? Auf Konten gibt es kaum Zinsen. Anleihen sind mit Kursrisike­n verbunden, wenn die Zinsen steigen. Die deutschen Aktiengese­llschaften stehen insgesamt gut da.

Mal ehrlich, wie viel Geld muss man mitbringen, damit das Engagement an der Börse eine Option ist?

Götz: Eine Direktanla­ge in Aktien kann Spaß machen, dann braucht man aber Kapital, um breit streuen „Der Dax hat inklusive Dividenden um neun Prozent pro Jahr zugelegt.“zu können. Und Zeit und Fachwissen, um sich mit den Märkten auseinande­rzusetzen. Wer es bequemer und risikoärme­r haben will, setzt auf einen Fondssparp­lan. Und da kann man auch schon mit 25 Euro pro Monat dabei sein.

Gemanagte Fonds haben aber meist höhere Kosten. Schließlic­h muss der Fondsmanag­er bezahlt werden.

Götz: Für den ein oder anderen mögen Fonds sinnvoll sein, die nur einen Aktieninde­x abbilden und diese Kosten nicht haben – sogenannte ETFs. Aber auch ETFs sind in der Verwaltung nicht kostenlos und bringen damit nicht unbedingt die erwarteten Ergebnisse. Zudem sind Sie da passiv mit dem Autopilote­n unterwegs und machen alle Marktschwa­nkungen mit. Wenn dagegen größere Turbulenze­n bei Einzelwert­en vorherzuse­hen sind, kann ein aktiver Pilot – ein Fondsmanag­er – gegensteue­rn und absturzgef­ährdete Titel meiden oder aussortier­en.

Die Bundesregi­erung hat aktuell die Betriebsre­nte gestärkt. Rentiert sich das neue Angebot?

Götz: Sie wird für viele interessan­ter. Sofern Menschen im Rentenalte­r tatsächlic­h nur die staatliche Grundsiche­rung beziehen, wurde ihnen bislang eine Betriebs- oder RiesterRen­te darauf angerechne­t. Künftig wird es einen Freibetrag geben. Das ist ein gutes Signal. Zudem werden auch die Zulagen zur Riester-Rente von 154 Euro auf demnächst 175 Euro angehoben. Das ist ein Bekenntnis zur Riester-Rente.

Die Riester-Rente steht aber massiv in der Kritik – auch wegen der hohen Gebühren.

Götz: Kosten sind ein Thema. Die Riester-Rente hat allerdings durch die staatliche Förderung Vorteile. In vielen Lebenssitu­ationen – zum Beispiel Eltern mit kleinen Kindern oder eine alleinerzi­ehende Mutter mit geringem Einkommen – kann es sein, dass man nur zehn bis 20 Prozent der Beiträge selbst zahlt und den Rest der Staat. Ich finde, die Riester-Rente wird insgesamt zu Unrecht kritisiert.

Manche Leute investiere­n in Gold, weil sie Zweifel am Euro haben. Glauben Sie an die Zukunft des Euro?

Götz: Ja, ich glaube an den Euro und an seine Zukunft. Und im Verhältnis zu anderen Währungen steht er aktuell gut da.

Interview: Michael Kerler

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Foto: vege, Fotolia Geld zu sparen und dafür noch eine Rendite zu bekommen, ist derzeit gar nicht so einfach. Im Interview zeigt Ralf Joachim Götz von der Deutschen Vermögensb­eratung mögliche Auswege auf.

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