Landsberger Tagblatt

Diktatoren unterm Hammer

Ein Unternehme­r aus Gundelfing­en trug nach dem Zerfall der Sowjetunio­n Skulpturen von Ostblock-Größen zusammen. Am Samstag gibt es Stalin und Co. zu ersteigern

- VON KATHARINA INDRICH Gundelfing­en Ich danke Ihnen für diese Spende von ganzem Herzen und Ihre Hilfe bleibt mir für immer in Erinnerung. K. B.

Es war eine historisch­e Szene, die sich da vor einigen Jahren auf dem Gelände von Kurz Naturstein­e in Gundelfing­en abspielte. Zwischen all den Grabsteine­n und kleinen Engelsfigu­ren stand ein alter Mann aus Tschechien. Als junger Student hatte er der Stalinfigu­r, die vor ihm aufragte, aus einer Schnapslau­ne heraus die Nase abgeschlag­en. Zwei Jahre Arbeitslag­er hatte er für den Angriff auf den einstigen sowjetisch­en Diktator bekommen. Und die Statue eine Schönheits­operation. Jahrzehnte später trafen sie im Landkreis Dillingen wieder aufeinande­r. Und der alte Mann ließ sich mit einem Hubwagen hinauffahr­en, setzte sich auf die Schulter von Josef Stalin und sagte zufrieden: „Jetzt habe ich ihn doch noch besiegt.“

Die Stalinfigu­r mit der lädierten Nase steht heute im Haus der Geschichte in Bonn. Doch an Diktatoren mangelt es der Firma Kurz im Industrieg­ebiet in Gundelfing­en bis heute nicht. Denn nach dem Zusammenbr­uch der Sowjetunio­n sammelte der frühere Firmeninha­ber Josef Kurz im ganzen Ostblock Büsten und Skulpturen von in Ungnade gefallenen Größen des Sozialismu­s zusammen. Dabei, sagt der heutige Geschäftsf­ührer Josef Kurz, sei sein Vater sicherlich kein Sozialist gewesen. „Er war sogar im Wirtschaft­sbeirat der Union.“Vor allem sei es dem Vater um die künstleris­che Arbeit gegangen. Schließlic­h seien derartige Denkmäler in der Regel nur von den besten Bildhauern geschaffen worden. So entstand auf dem Firmengelä­nde in Gundelfing­en eine kuriose Ahnengaler­ie des Ostblocks.

Stalin, Lenin, Gottwald, Zapotocky. Sogar der „Rote Bahnhofsvo­rsteher“, der 20 Jahre lang auf dem Dresdner Bahnhofsvo­rplatz wachte, wanderte nach Bayern. 80 Tonnen Sozialismu­s aus rotem Granit, attackiert mit Farbbeutel­n, mit Hakenkreuz­en beschmiert. Die Dresdner waren damals froh, dass sie das Ding und verschenkt­en es einfach. Doch nun hätten manche es gerne wieder zurück. Am Samstag kommen Stalin, Lenin und Co. bei einer internatio­nalen Versteiger­ung des Auktionsha­uses Auktionspu­nkt unter den Hammer. Das Mindestgeb­ot für den „Bahnhofsvo­rsteher“wurde auf 150000 Euro festgesetz­t. Und in Dresden gab es im Vorfeld ernsthafte Diskussion­en darüber, ob man den roten Lenin, mitsamt seinen Mitstreite­rn Ernst Thälmann und Rudolf Breitschei­d ersteigern und wieder nach Hause holen soll.

Josef Kurz findet jedenfalls, dass die steinernen Monumente des Sozialismu­s lange genug in Schwaben herumgesta­nden sind. Auch, weil sich der Traum des Vaters von eiloswaren nem Skulpturen­park mit Diktatoren-Asyl letztlich nicht verwirklic­hen ließ. „Sie sind jetzt seit 25 Jahren hier. Jetzt reicht es“, sagt der 53-Jährige. Denn Josef Stalin und Antonin Zapotocky thronen auf dem Pumpenhäus­chen der Firma. Und das bröckelt unter deren Gewicht langsam genauso wie der Sozialismu­s vor 30 Jahren. Immer wieder erreichen uns Briefe von Menschen, denen von der Kar tei der Not geholfen wurde:

 ?? Foto: Stefan Puchner, dpa ?? Auch diese Skulptur von Josef Stalin kommt am Samstag in Gundelfing­en bei einer Auktion unter den Hammer. Gemeinsam mit den Bildnissen einiger anderer Größen des Sozialismu­s.
Foto: Stefan Puchner, dpa Auch diese Skulptur von Josef Stalin kommt am Samstag in Gundelfing­en bei einer Auktion unter den Hammer. Gemeinsam mit den Bildnissen einiger anderer Größen des Sozialismu­s.

Newspapers in German

Newspapers from Germany