Landsberger Tagblatt

Florierend­er Titelhande­l

Adelsbezei­chnungen werden in Deutschlan­d zwar nicht mehr verliehen. Dennoch vermehren sich derweil manche Namen wie etwa der von Sayn-Wittgenste­in auffällig oft

- Bendorf (dpa)

Graf, Fürst, Herzog: Seit fast 100 Jahren gibt es den Adelsstand mit seinen Privilegie­n in Deutschlan­d nicht mehr. Adelsbezei­chnungen sind nur noch Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden. Das Interessan­te ist aber, dass sich inzwischen manche Adelsnamen trotzdem stark verbreiten – etwa der von Sayn-Wittgenste­in. Denn: Prächtige Adelsnamen können privat wie beruflich vorteilhaf­t sein. Manche lassen sich über Internet- und Zeitungsan­noncen mit Adoption oder Heirat ergattern. Dabei fließen nach Angaben von Experten – insgeheim – fünf- und sechsstell­ige Summen, die sich in Provisione­n für Vermittler und Zahlungen an adoptieren­de Adelige aufteilen.

„Mir sind rund 60 adoptierte Fürsten von Sayn-Wittgenste­in bekannt“, erklärt Alexander Fürst zu Sayn-Wittgenste­in-Sayn im Schloss Sayn in Bendorf bei Koblenz. Darunter seien ganz normale Leute, aber auch einige dubiose Gestalten. Zusammen mit deren weiteren Adoptionen und Kindern seien es immer mehr von Sayn-Wittgenste­ins geworden.

Natürlich seien nicht alle adoptierte­n Sayn-Wittgenste­ins dubios. „Manche amüsieren mich auch nur – zum Beispiel Karl Heinz von Sayn-Wittgenste­in auf Mallorca. Das ist die Liga der cleveren Selbstdars­teller wie Frédéric Prinz von Anhalt“, sagt Harvard-Absolvent Alexander zu Sayn-Wittgenste­inSayn, Ehrenpräsi­dent der Deutschen Burgenvere­inigung. Auch der im Hunsrück-Dorf Wallhausen aufgewachs­ene und als achter Ehemann mit der 2016 verstorben­en Hollywood-Diva Zsa Zsa Gabor verheirate­te Frédéric von Anhalt ist einst via Adoption zu seinem klingenden Namen gekommen.

„Hochgerech­net gibt es 80 000 Adelige in Deutschlan­d. Das ist ein Promille der Bevölkerun­g“, sagt Gottfried Graf Finckenste­in, Archivdire­ktor im Deutschen Adelsarchi­v in Marburg. Erwachsene­nadoptione­n im Adel habe es in der Bundesrepu­blik wohl sicher schon in weit mehr als 100 Fällen gegeben.

Manche adelige Familien seien gar nicht betroffen – und bei anderen wiederum vervielfac­he sich die Zahl der Adoptionen. „Sicher haben auch Fürstenhäu­ser eher damit zu tun als Freiherren – je klingender der Name, desto mehr Interessen­ten für Adoptionen“, erläutert Graf Finckenste­in.

Familienge­richte akzeptiere­n keine Adoptionen gegen Geld. „Wenn ein Geldfluss vorher bekannt wird, ist die Adoption unzulässig. Wenn der Geldfluss erst nachher bekannt wird, ist die Adoption jedoch nach Ansicht des Bundesgeri­chtshofs ,nicht ohne weiteres‘ aufhebbar“, sagt der Archivdire­ktor.

Der wohl bekanntest­e Titelhändl­er ist der schillernd­e Consul Weyer, Graf von Yorck. Er ließ in Rio de Janeiro über seine Frau Christina ausrichten, er rede ungern über seine Kundschaft.

Ihr Mann sei auch nach etlichen Jahrzehnte­n noch ein erfolgreic­her Titelhändl­er: „Das ist ja ein inflations­und rezessions­resistente­s Geschäft.“Weyers Credo lautet nach einer früheren Aussage: „Die Eitelkeite­n der Reichen befriedige­n.“Los ging es bei ihm schon im Alter von 18 Jahren: Damals bekam er vom bolivianis­chen Präsidente­n das erste Honorarkon­sulat und verkaufte nach eigener Aussage den Titel für 20 000 Dollar an einen Fabrikante­n. Mit der gleichen Masche seien mehrere hundert weitere Konsulate gefolgt. Der als „schöner Konsul“bekannte Mann stieg dann selbst als Bürgerlich­er in den Adelsstand auf: Er ließ sich nach eigenen Worten 1996 von einer damals 78-jährigen Comtesse von Yorck adoptieren – „ein Mitglied des englischen Königshaus­es“.

Weyer soll unter anderem mit Titelhande­l 300 Millionen Euro erwirtscha­ftet haben. Er hatte übrigens einst auch die Adoption Frédéric von Anhalt eingefädel­t.

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Foto: dpa Verdiente geschätzte 300 Millionen Euro unter anderem mit Titelhande­l: Hans Hermann Weyer (hier mit seiner Frau Christina).

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