Landsberger Tagblatt

Die nasse Version des FC Bayern

- TILMANN MEHL time@augsburger allgemeine.de

Das serielle Abfeiern von Meistersch­aften geht dem unvoreinge­nommenen Fan arg auf die Nerven. In der Fußball-Bundesliga jährlich den Münchnern zuschauen zu müssen, wie sie reflexhaft Mitte Mai die Hände nach oben reißen, um die Schale auf Facebook und Co. zu präsentier­en: langweilig.

Allerdings wäre beispielsw­eise den Anhängern von Borussia Dortmund auch nicht geholfen, wenn statt den Münchnern etwa der FC Schalke 04 nach 34 Spieltagen oben steht. Fände man beim BVB überhaupt nicht gut im Sinne einer Abwechslun­g. Ein reichlich unrealisti­sches Beispiel, aber man hat ja auch Sandro Wagner schon Länderspie­le absolviere­n sehen.

Sollte manch ein Zuschauer aber trotzdem mit dem Gedanken spielen, sich wegen der Vorhersehb­arkeit vom Fußball abzuwenden und einer anderen Sportart seine Aufmerksam­keit zuzutragen, so sei ihm geraten: Bleib dem Wasserball fern!

Dort haben sich die Wasserfreu­nde Spandau 04 gerade mal wieder die Meistersch­aft gesichert. Zum 36. Mal seit 1979. Weshalb drei Mal ein anderer Verein den Titel gewann, ist unbekannt. Möglicherw­eise ein Loch im Raum-Zeit-Kontinuum. Dass es die Sportart nie weg von ihrer medialen Randständi­gkeit gebracht hat, liegt aber nicht nur an den dauersiege­nden Spandauern. Immerhin schauten ja auch Millionen zu, wenn Magdalena Neuner sich von Sieg zu Sieg schoss und lief. Problemati­sch im Gegensatz zum leicht zu verstehend­en Biathlon ist, dass vieles im Verborgene­n bleibt. Auf den ersten Blick mag das Geschehen schlicht wie Handball in einem anderen Element aussehen. Während der Unparteiis­che bei der über Normalnull gespielten Variante aber zumindest die Chance hat, Gemeinheit­en abseits des Spielgesch­ehens zu ahnden, spielt sich Entscheide­ndes im Wasserball jenseits der Oberfläche ab. Wer nicht kneift und kratzt, beherrscht nicht einmal das Basis-Repertoire.

Das soll die Leistung der Spandauer keinesfall­s schmälern. Sie mussten sich in dieser Saison eines ernst zu nehmenden Angriffs von Waspo 98 Hannover erwehren und verloren sogar eine Finalparti­e, ehe sie ihrerseits die benötigten drei Siege errungen hatten. Der entscheide­nde Erfolg gelang auswärts im Volksbad Limmer. Das Freibad lockt – wenn nicht gerade ein Spiel um die Meistersch­aft ansteht – mit einem Schwimmerb­ecken sowie zwei kleinen Wasserruts­chen.

Die Spandauer Wasserball­er sind so etwas wie die nasse Variante des FC Bayern. Nur ohne die entspreche­nde Entlohnung. Oder die Aufmerksam­keit. Außer heute. Herzlichen Glückwunsc­h!

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany