Rute raus! So unterhaltsam kann Angeln sein
Horst Hennings ist ein norddeutsches Original. So knorrig wie witzig. Wenn er im Fernsehen zu sehen ist, steigt die Stimmung. Zusammen mit einem ehemaligen Sportreporter hat er aus einer betulichen Angel-Sendung einen massentauglichen TV-Hit gemacht
Es muss an diesem Ruck liegen, der jedes Mal durch seinen Körper geht, wenn ein Fisch anbeißt. „Kinners“, sagt Horst Hennings, und die Augen in seinem wettergegerbten Leuchtturmwärtergesicht leuchten, „das Gefühl ist unbeschreiblich“. Dieser Kick, wenn Adrenalin durch seinen Körper flutet. Es passiert dann Eigenartiges mit dem 70-Jährigen. Sein Körper ist dann gespannt wie ein Flitzebogen. „Waaas’n Löööwe“, entfährt es ihm. Und der Kampf beginnt. Hennings ächzt, schwitzt und flucht. Doch er lässt nicht locker, bevor er den Fisch nicht an Bord gezogen hat.
Horst Hennings ist 37-facher deutscher Meister im Angeln. Aber das ist nicht der Grund, warum er regelmäßig um Autogramme gebeten wird, nicht nur von älteren Männern, auch von jungen Frauen. Viele kennen sein Gesicht aus dem Fernsehen. Einen großen Auftritt hatte er am 20. April in der Talkshow von Markus Lanz. Da saß er neben Unternehmer-Ehepaar Wolfgang und Elisabeth Grupp und Schauspieler Dominic Raacke. Ganz am Ende kam er dran, man kann das Video in der ZDF-Mediathek im Internet noch anschauen. Was soll man sagen? Hennings mischte die Runde auf. Er versuche, zu denken wie ein Fisch, erklärte er etwa. Was wurde bei Lanz gelacht!
Am Samstag kann man ihn um 17.35 Uhr wieder im NDR dabei zusehen, wie er mit seinem Kollegen Heinz Galling, 57, an immer neuen Orten angelt. Die beiden sitzen aber nicht schweigend nebeneinander, eine Rute in einer Hand und die Bierdose in der anderen. Nein, sie stehen miteinander im Wettkampf: Wer hat den schwersten oder größten Fisch? Und vor allem: Wer hat das letzte Wort? In der Regel ist das Hennings. „Rute raus, der Spaß beginnt!“, so heißt die Sendung.
Der Titel klingt schlüpfrig. Man denkt an ältere Männer, die sich Fotos von Playboy-Bunnys in den Partykeller hängen und Zoten reißen. Zumindest, was das Alter der Männer angeht, stimmt das. Angeln ist auch noch immer eine Männerdomäne. Und das, findet Hennings, sei gut so. „Welche Frau traut sich denn, einen Wurm anzufassen?“Seine Frau jedenfalls nicht. Annegret und er sind seit fast 50 Jahren verheiratet. Sie packt ihm die Reisetasche, wenn er zu Dreharbeiten fährt. Zum Angeln will er sie nicht dabeihaben: „Frau an Bord, Glück geht fort“, sagt er. Ein typischer Hennings! Man kann ihm für solche Sprüche nicht böse sein.
Der Howersee in Hamburg-Bergedorf. Glasklares Wasser, Entengeschnatter. Hier drehen Horst und Heinz an diesem Tag eine Folge der siebten Staffel. Die Stimmung ist gespannt, für Horst Hennings steht einiges auf dem Spiel. Denn der Sohn eines Husumer Krabbenfischers hat in seinem Leben zwar schon „zigtausende Fische gefangen“, darunter einen Blauflossenthunfisch. Ein Prachtkerl, 245 Kilo. Ein Karpfen aber war noch nicht dabei. Und das wurmt ihn. Es ist nicht sein erster Versuch. 2016 hat er es schon mal mit den Karpfen probiert in Mecklenburg. Zwei Tage haben sie vergeblich gewartet. Galling sagt, die Stimmung sei auf dem Tiefpunkt gewesen. „Wenn Horst die Backen aufbläst, weiß man, es wird ernst.“
Jetzt geht es um alles oder nichts. Es ist die große Stunde von „Bacardi-Klaus“. Er weiß, wie man Karpfen fängt. Er ist einer der besten Karpfen-Kenner Deutschlands. Ein kleiner Endfünfziger mit Stirnglatze, der seine Sonnenbrille nur zum Schlafen abnimmt. „Rute raus!“Mit diesem Kommando geht es los. Es ist ein Kampfruf. „Das Dalli Dalli des Angelns“, sagt Heinz Galling. Früher Fußballreporter, heute Reisereporter. Er hat sich diese Sendung ausgedacht. Auch die Drehbücher stammen von ihm.
In den USA haben TV-Magazine übers Angeln Tradition. Dort ist Angeln ein Breitensport. Im Fernsehen sieht man tollkühne Kerle, die gegen Haie kämpfen. Der Sender DMAX hat einige Formate gezeigt, „Fluss-Monster“oder „Robson Green – Der Extremangler.“Als Galling 2011 so eine Sendung für den NDR entwickeln sollte, betrat er Neuland. Schön norddeutsch sollte es sein, ’nen büschen angeln, ’nen büschen die Natur erklären. Die Zuschauer bissen nicht richtig an. Ein Profi musste her: Horst Hennings. Galling kannte ihn nur aus Fachmagazinen. Er wusste nicht, dass der Mann so schlagfertig ist. Ein norddeutsches Original. Knorrig, aber witzig. Dem NDR hätte nichts Besseres passieren können. Aus einer Heimatsendung wurde eine Sitcom. Horst und Heinz, zwei Männer gegen den Strom der Zeit.
Jetzt sitzt Hennings in GoretexHose und beigefarbenem Hemd auf einem Campingstuhl und wartet auf den lang ersehnten Ruck an der Rute. Und sein Gesichtsausdruck verrät, was er denkt. „Karpfenangeln ist Ansitzangeln“, knurrt er. Camping am See. Nichts für ihn. Er jage seine Beute lieber im Meer. „Was zählt, ist doch der Kampf Mann gegen Fisch.“Mann? Auch Frauen machen sich zunehmend einen Namen beim Angeln. Eine von ihnen ist Claudia Darga, 28, Logistikerin aus Hamburg. Sie hat fast 60000 Follower auf Facebook und einen eigenen Youtube-Kanal. Ihr Foto hat schon alle europäischen Karpfenmagazine aufgehübscht. Das wäre nichts für Horst Hennings. „Ich hab noch nicht mal Autogrammkarten“, sagt er.
Es ist Abend geworden am Howersee. Hennings schaut den roten Rücklichtern eines ferngesteuerten Modelbootes hinterher. BacardiKlaus hat es selber gebaut. Jetzt
Bei „Markus Lanz“mischte Horst die Runde auf Karpfenangeln ist einfach nicht seine Sache
steht er breitbeinig wie John Wayne am Ufer und steuert es über den See. Ein Knopfdruck, und durch die geöffnete Bodenluke fällt Futter in den See. Es sind keine Würmer, sondern Boilies, Fingerhut-große Fischmehlbällchen mit Ananas-Aroma. Diese Boilies, da ist sich BacardiKlaus 150-prozentig sicher, werden die Fische anlocken. „Karpfen mögen es sauer.“
Aber entweder haben sich die Karpfen beim Anfüttern schon überfressen. Oder sie fallen nicht mehr auf die Masche mit dem Boot herein. Jedenfalls beißt keiner an. Pech für Horst, Glück für die Zuschauer. „Rute raus!“, das ist kein Tutorial für Angler, es ist Comedy. Pannen gehören dazu. „Hilft nix, Heinz“, sagt Hennings. „Müssen wir es eben nochmals probieren.“Heinz Galling hat schon Claudia Darga angefragt. Die erfahrene Karpfenanglerin soll Horst da rausboxen. Sie sagte: „So schwer ist das doch eigentlich gar nicht.“