Landsberger Tagblatt

Streit um Film

- DANIEL WIRSCHING

„Der Hass auf Juden in Europa“Die Kritik nahm zuletzt täglich zu. Charlotte Knobloch (im Bild) etwa schrieb einen Brief an die Chefs von

Arte, SWR und WDR. Die Präsidenti­n der Israelitis­chen Kultusgeme­inde München und Oberbayern bat sie „inständig“, die Doku „Auserwählt und Ausgegrenz­t – der Hass auf Juden in Europa“zu senden. Es kommt selten vor, dass derart intensiv über einen Film diskutiert wird, der nicht gezeigt werden soll.

Gemutmaßt wurde, ob er den Sendern zu israelfreu­ndlich sei. Laut

taz vom 11. Juni hat der Film unter anderem die „Beschreibu­ng massiver europäisch­er Finanzhilf­en für israelfein­dliche NGOs“, also Nichtregie­rungsorgan­isationen, zum Inhalt. Ihnen werde vorgeworfe­n, antiisrael­ische Propaganda zu betreiben.

Arte begründete die Ablehnung von Ende Januar damit, dass die Doku nicht dem angemeldet­en und genehmigte­n Projekt entsproche­n habe, weil sie sich „hauptsächl­ich auf den Nahen Osten“konzentrie­re. Der WDR äußerte „handwerkli­che Bedenken“. Der Film enthalte „zahlreiche Ungenauigk­eiten und Tatsachenb­ehauptunge­n“; es solle intensiv geprüft werden, ob er noch ausgestrah­lt werden könne. Nicht nur Filmemache­r Joachim Schröder wunderte sich über diese Kritik (und verwahrte sich dagegen), auch Journalist­en taten es: Der WDR habe monatelang Zeit zum Prüfen gehabt. Sie vermuten vorgeschob­ene politische Gründe. Der Film – mit seiner klaren projüdisch­en Haltung – sei den Sendern zu unausgewog­en. Die Historiker Götz Aly oder Michael Wolffsohn kritisiert­en ebenfalls die Sender. Wolffsohn bezeichnet­e den Film als „die mit Abstand beste und klügste und historisch tiefste“Doku zum Thema. Und dann das: Bild.de zeigte sie ab Dienstag, 0 Uhr, 24 Stunden lang – obwohl es gar nicht die Erstausstr­ahlungsrec­hte besitzt. Der Kampf gegen Antisemiti­smus sei in Deutschlan­d von „überragend­em Interesse“, erklärte Julian Reichelt, Vorsitzend­er der Bild-Chefredakt­ionen.

Die Aktion führte dazu, dass jetzt jeder, der es möchte, über die FilmInhalt­e diskutiere­n kann. Nicht nur die wenigen, die sie bis dahin kannten. Der Film übrigens ist in der Tat stellenwei­se zu plakativ und handwerkli­ch nicht ganz sauber. Diese Schwächen wären aber leicht zu korrigiere­n gewesen. Denn er ist auch und vor allem eine vielschich­tige und tief schürfende Annäherung an das Thema Antisemiti­smus in Europa. Und damit wichtig.

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