Heimat ist mehr als nur ein Ort
Die neue Veranstaltungsreihe des Landkreises will vor allem Impulse geben. Welche Rolle das Thema „Schnittstellen der Heimat“für Landrat Thomas Eichinger spielt
Landkreis Heimat prägt die Menschen, Heimat lässt nie los. Der Begriff war schon immer da, wurde missbraucht, politisch betrachtet, geriet in Vergessenheit, wurde geradezu verbannt und ist heute doch wieder in aller Munde. Was ist aber Heimat? Wie drückt sich das Thema durch Kunst aus, in der Musik, dem Theater? Der Landkreis nimmt sich dieser Aspekte im Rahmen seiner Kreiskulturtage (24. Juni bis 9. Juli) an und hat das Thema „Schnittstellen der Heimat“zum Schwerpunkt gemacht. Dieter Schöndorfer hat sich mit Landrat Thomas Eichinger darüber unterhalten und dabei erfahren, wie wichtig Heimat für den Landkreischef persönlich ist.
LT-Redakteur
Zum ersten Mal veranstaltet der Landkreis Kreiskulturtage. Wie sind Sie mit der Entwicklung des Programms zufrieden?
Ich bin überrascht von der Bandbreite des Programms. Von Hurlach bis Dießen und dem Landkreissüden sind viele Gemeinden dabei. Ich hatte mir das so erhofft, aber nicht wirklich erwartet. Daher gebührt der Projektleiterin Annunciata Foresti ein großer Dank für ihren enormen Fleiß und große Leidenschaft für das Thema. Wir vom Landkreis bieten ja nur die Plattform, um Kultur in der Region sichtbar zu machen.
War das Premierenmotto „Schnittstellen der Heimat“nicht gewagt? Der Begriff birgt ja die Gefahr, verstaubt und antiquarisch zu wirken.
Da bin ich ganz bei Ihnen, die Gedanken waren da. Doch schauen Sie die Welt an. Irgendwie dreht sich wieder viel um den Begriff Heimat. Die Flüchtlinge, die ihre Heimat verloren haben oder eine neue finden, die globalisierte Welt, die den Begriff neu definiert hat, und viele andere Aspekte. Heimat ist aktueller denn je.
Hat der Landkreis eine Auseinandersetzung mit dem Thema Heimat nötig?
Ich glaube schon. Gerade in unserem Landkreis wirkt die Gebietsreform aus dem Jahr 1976 im- mer noch nach. Wir sind an den Landkreisrändern von den Regionen und den Kulturkreisen her doch teilweise sehr zusammengewürfelt. Da ist eine Orientierung an der „alten Heimat“heute noch spürbar. Kultur kann das Gefühl von Identität fördern, deshalb bin ich froh, dass wir mit den Kulturtagen versuchen, das noch weiter zu verbessern.
Erreichen sie mit Kultur denn wirklich alle Zielgruppen?
Eichinger: Wir bieten eine große Bandbreite. Die Kunst ist im Landkreis ohnehin gut vertreten. Kultur kümmert sich aber auch um schwierige politische Themen. Dazu gehört die aktuelle Diskussion über „belastete“Straßennamen, wie etwa in Schondorf. Die Leute haben sich zwar daran gewöhnt, dennoch muss sich auch dieser Aspekt von Heimat hinterfragen lassen. Es darf diesbezüglich keine Tabus geben. Heilige Kühe halte ich für gefährlich. Was war für Sie als junger Thomas Eichinger die Heimat?
Wenn ich so drüber nachdenke, dann war für uns Kinder Heimat dort, wo die Eltern lebten. Es machte meine Kindheit aus, die Jugend und die Freunde. Heimat ist also für mich ein Gefühl und kein Ort, beziehungsweise wenn, dann Orte, die einem ein Zuhause geben.
Hat sich der Begriff Heimat für Sie im Laufe des Lebens verändert?
Eichinger: Zweifelsohne. Ich gebe zu, für uns als junge Menschen war Heimat ein verstaubter Begriff. Er war einengend, eingrenzend. Früher sind die Jungen aus dem Ort geflohen, was nicht nur Schondorf betrifft, meine Heimat und nach wie vor mein Wohnort, sondern andere Städte und Gemeinden auch. Die soziale Kontrolle wurde als belastend empfunden. Ich habe seit 40 Jahren die gleichen Nachbarn. Heute schätze ich das. Die Nachbarn sind Freunde, wir kümmern uns gegenseitig. Das ist keine Kontrolle, sondern ein hohes Gut, das wir pflegen müssen.
Also darf man sich wieder zu Heimatliebe bekennen. Ist das nicht uncool?
Nein, der Heimatbegriff hat seine Berechtigung, gerade für junge Leute und Familien. Heimat ist ein Bekenntnis: ja, so will ich leben. Gerade junge Menschen wollen irgendwann nicht mehr nur Spaß und Freude nachjagen, sondern übernehmen Verantwortung.
Eigentlich dachte man, durch die Globalisierung verschwindet der Heimatbegriff. Aber genau das Gegenteil scheint der Fall.
Sie wird gerade dadurch zu einem Rückzugsort, der Sicherheit bietet. Sie gibt einem etwas Tiefes, das Halt bringt in einer Welt des Raubtierkapitalismus, des Terrors und der Flüchtlingsproblematik.
Bleiben wir beim Thema. Heute leben Menschen aus 190 Staaten in Deutschland, der Landkreis betreut 1202 Flüchtlinge aus 23 Nationen. Eine Gefahr für unsere Heimat?
Eichinger: Die Sorge ist in der Bevölkerung spürbar. Wir erlebten und erleben starken Zuzug und sehen dadurch bedingt eine Angst vor Überfremdung. Doch gerade da liegt die Gefahr, dass wir Menschen ausgrenzen. Denn die sind offenbar auf der Suche nach einer neuen Heimat, wenn ich auch eher davon ausgehe, dass 80 bis 90 Prozent der Asylsuchenden irgendwann in ihre bisherige Heimat zurückkehren möchten. Wir müssen ihnen eine Heimat auf Zeit bieten. Dazu gehört auch, ihnen klar zu machen, dass diese Heimat eng in Verbindung steht mit Regeln, die akzeptiert werden müssen. Daher ist das Thema Asyl und Asylverfahren eng mit dem Heimatbegriff verknüpft und wird in unseren Kulturtagen abgebildet.