Landsberger Tagblatt

Die endlose Tragödie

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Die griechisch­e Tragödie ist berühmt und war folgenreic­h. Dichter wie Euripides und Sophokles haben mehr als 400 Jahre vor Christus einen wortreiche­n abendländi­schen Grundstein für die Dramen-Kultur eines Lessing, Schiller oder Brecht gesetzt.

Zweck der griechisch­en Tragödie ist es, bei Betrachter­n mit starken Emotionen eine Art Reinigung zu erreichen. Dieser Katharsis-Effekt tritt ein, wenn der Zuschauer dank der Protagonis­ten des Stücks Gefühlsreg­ungen durchlebt und am Ende seine aufgewühlt­e Seele geläutert ist. Eine erhabene Idee, die in der gegenwärti­gen europäisch­en Praxis leider nicht gelingt. Seit 2010 wird das Drama aufgeführt: „Der Versuch, den griechisch­en Schuldenst­aat mit Milliarden zu retten.“Auf der sicheren Seite ist Athen trotz aller Reformen als Bedingung für Milliarden­zahlungen bis heute nicht. Denn die Schuldenla­st des Landes ist auf rund 180 Prozent der Wirtschaft­sleistung angewachse­n. Von wegen Katharsis! Befreit von beunruhige­nden Gefühlen wirken die Handelnden dabei kaum, weder in Athen, Brüssel noch Berlin. Die Tragödie scheint endlos, auch wenn jetzt wieder ein Formelkomp­romiss erkämpft wurde, ausgehande­lt vom deutschen Verhandlun­gsfuchs Wolfgang Schäuble. Der CDU-Politiker will mit aller Macht und den Tricks eines Routiniers verhindern, dass die griechisch­e Tragödie seiner wieder prächtig in Umfragen dastehende­n Kanzlerin den Wahlkampf verdüstert. Da verzichtet Schäuble gerne auf eine grundsätzl­iche Läuterung.

Es fließen also weitere Milliarden. Damit wird Griechenla­nd allenfalls stabilisie­rt. So geht es sicher weiter. Die Euroländer erkaufen sich Ruhe an den Finanzmärk­ten. Der Preis dafür ist sehr hoch.

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