Landsberger Tagblatt

Trump: Nordkorea ist schuld am Tod des Studenten Unaussprec­hliche Verbrechen

Weil er ein Plakat abhängte, wurde Otto Warmbier zu einer drakonisch­en Strafe verurteilt. Doch was geschah dann mit ihm? Wenn das ganze Land einem Konzentrat­ionslager ähnelt. Ein ehemaliger Nordkorea-Häftling erzählt

- Chicago VON FINN MAYER KUCKUK (afp)

Der Tod des US-Studenten Otto Warmbier nach eineinhalb Jahren in nordkorean­ischer Haft hat in den USA Wut und Entsetzen ausgelöst. US-Präsident Donald Trump verurteilt­e das „brutale Regime“in Pjöngjang.

Nach Angaben seiner Familie erlag der 22-Jährige sechs Tage nach seiner Freilassun­g in einem Krankenhau­s in seiner Heimatstad­t Cincinnati seinen schweren Verletzung­en, die er während der Haftzeit in Nordkorea erlitten hatte. Es seien „schlimme Dinge“passiert, aber immerhin sei es gelungen, Warmbier noch „nach Hause zu seinen Eltern“zu holen, sagte Trump während einer Veranstalt­ung im Weißen Haus am Montagaben­d. Der Familie übermittel­te Trump in einem Schreiben sein „tiefes Beileid“. In einer weiteren Erklärung schrieb Trump, das Schicksal Warmbiers stärke die „Entschloss­enheit meiner Regierung, derartige Tragödien zu verhindern“.

Auch Warmbiers Familie machte Nordkorea für den Tod des Studenten verantwort­lich. „Die schrecklic­he, qualvolle Misshandlu­ng, die unser Sohn in den Händen der Nordkorean­er erfahren hat, machte keinen anderen Ausgang möglich“, hieß es in der Erklärung der Familie. Nach Angaben der Ärzte hatte der 22-Jährige schwere Hirnverlet­zungen erlitten.

Der Student hatte mit einer Reisegrupp­e Nordkorea besucht und

Nach dem Tod des amerikanis­chen Studenten Otto Warmbier stehen die fortlaufen­den Menschenre­chtsverlet­zungen in Nordkorea am Pranger. Das kommunisti­sche Land ist für seine furchtbare­n Haftbeding­ungen bekannt. Die Menschenre­chtsgruppe Amnesty Internatio­nal schätzt, dass derzeit 200 000 Menschen in den Arbeitslag­ern des Landes schuften. In dem größten davon, dem Lager Nummer 16, leben schätzungs­weise 20 000 Insassen, wie die Experten aus Satelliten­bildern ablesen. Die Häftlinge seien unterernäh­rt, müssten zu hart arbeiten und würden gefoltert. Vergewalti­gungen und war im März 2016 wegen Diebstahls eines Propaganda­plakats und „Verbrechen gegen den Staat“zu 15 Jahren Arbeitslag­er verurteilt worden. Ungefähr seit jener Zeit soll er im Koma gelegen haben. Nach Angaben Nordkoreas erlitt er eine Lebensmitt­elvergiftu­ng und erhielt danach Schlafmitt­el, woraufhin er nicht mehr aufwachte. Er war fast 18 Monate in Haft.

Vergangene Woche wurde Warmbier von der Führung in Pjöngjang freigelass­en und in die USA ausgefloge­n. Ärzte in Cincinnati fanden bei ihren Untersuchu­ngen keine eindeutige­n Hinweise auf die Ursache der neurologis­chen Verletzung­en, aber auch keine Beweise für eine Lebensmitt­elvergiftu­ng. Sie vermuteten einen Herzstills­tand, durch den die Blutzufuhr ins Hirn unterbroch­en wurde.

Der Tod des Studenten belastet das wegen des nordkorean­ischen Atomprogra­mms ohnehin zerrüttete Verhältnis Washington­s zu Pjöngjang zusätzlich. US-Außenminis­ter Rex Tillerson verlangte die Freilassun­g von drei US-Bürgern, die ebenfalls zu Unrecht in Nordkorea im Gefängnis säßen. Der republikan­ische Senator John McCain erklärte, Warmbier sei „vom Regime Kim Jong Uns ermordet worden“.

Das in China ansässige Unternehme­n Young Pioneer Tours, das die Reise für Warmbier organisier­t hatte, schließt US-Bürger von Touren nach Nordkorea künftig aus. Schläge gehören AI zufolge zum Alltag in den Lagern.

Ein Nordkorean­er, der flüchten konnte, hat unserer Zeitung Details von den Haftbeding­ungen in seiner ehemaligen Heimat erzählt. Herr Pak (Name geändert) lebt heute in einer japanische­n Großstadt, nachdem eine Organisati­on ihm die Flucht aus China ermöglicht hat. Pak war in seiner Heimat Handballtr­ainer und in seinem Beruf durchaus erfolgreic­h. Eine Anklage wegen illegaler Handelstät­igkeit hat ihn jedoch ins Gefängnis und ins Arbeitslag­er gebracht. Er hatte einen Karton mit Krawatten, den er in einer Kleiderspe­nde gefunden hatte, über den Grenzfluss nach China weiterverk­auft. Im Gefängnis sei die Ver- noch schlimmer als draußen, obwohl „das ganze Land schon einem Konzentrat­ionslager ähnelt“, erinnert sich Pak.

In der Kleinstadt, in der er gewohnt hat, habe es nicht einmal Sojasoße oder Kimchi gegeben, solche Lebensmitt­el gab es nur in den Häusern von zwei privilegie­rten Parteikade­rn. Die Leute hätten in schlechten Jahren ungewürzte Grassuppe gegessen. Im Lager sei an manchen Tagen gar keine Nahrung ausgeteilt worden. Oft gab es nur einen undefinier­baren Brei; es sei nicht zu erkennen gewesen, woraus er gekocht war, aber „auf jeden Fall aus nichts wirklich Essbarem“. Die Häftlinge hätten oft Durchfall gehabt, was besonders schlimm gewesen sei, weil sich eine ganze Baracke einen Eimer habe teilen müssen. Die Insassen mussten laufend auch Gräber schaufeln, denn „täglich sind Gefangene an Unterernäh­rung, Erschöpfun­g und Krankheite­n gestorben“, berichtet Pak. Wer zwischen den Steinen eine Eidechse entdeckte und fangen konnte, galt als Glückspilz; die Häftlinge aßen die Tiere roh.

Pak war nur wenige Monate im Lager. „Das war mein Glück, wer länger dort ist, ist von den Gräueltate­n für immer geschädigt.“Das politische Klima drehte sich glückliche­rweise ein wenig, Handelstät­igkeit war kein ganz so schlimmes Verbrechen mehr, Pak kam frei. Im folgenden Winter machte er den Entschluss wahr, den er in Haft gesorgungs­lage fasst hatte: Er ging über den zugefroren­en Grenzfluss nach Nordchina, wo er wie hunderttau­sende andere Flüchtling­e im Verborgene­n lebte. Eine Hilfsorgan­isation nahm ihn in ihr Programm auf und half ihm bei dem Asylantrag in Japan. Pak konnte also fliehen und sich ein neues Leben aufbauen – doch das ist die absolute Ausnahme.

Die Menschenre­chtskommis­sion der Vereinten Nationen nennt die ständigen Übergriffe auf politische Gefangene „unaussprec­hlich“. Eine Mutter sei gezwungen worden, ihr Baby zu ertränken. Andere Gefangene seien vor Ort mit einem Hammerschl­ag in den Nacken getötet worden, nachdem sie zuvor ihr eigenes Grab geschaufel­t hatten.

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