Landsberger Tagblatt

Eine Trauerfeie­r mit Hinderniss­en

Europa wird Helmut Kohl am 1. Juli in Straßburg noch einmal als großen Europäer würdigen. Zu Hause, in Deutschlan­d, sind die Dinge etwas komplizier­ter. Der Streit mit den Söhnen spitzt sich zu

- VON RUDI WAIS Augsburg

Der Dom zu Speyer hatte für Helmut Kohl seit jeher eine besondere Bedeutung. In das fast 1000 Jahre alte Gotteshaus flüchtete er sich während des Krieges vor den Angriffen der Alliierten. In ihm, sagte er einmal, spüre er den Atem der Geschichte – und so war es nur folgericht­ig, dass Kohl als Kanzler auch Michail Gorbatscho­w, George Bush, Margaret Thatcher oder den spanischen König Juan Carlos nach Speyer lotste. Nun wird er auch neben seinem Heimatdom begraben, abgetrennt auf dem Gelände des Domkapitel­s, aber für die Öffentlich­keit zugänglich.

Die Umstände, wie Deutschlan­d sich würdig vom Kanzler der Einheit verabschie­det, sind im Gegensatz dazu noch nicht ganz so klar. Nach allem, was man bisher weiß, hat sich Kohls Witwe Maike KohlRichte­r strikt gegen ein Staatsbegr­äbnis oder einen nationalen Staatsakt in Deutschlan­d ausgesproc­hen, nach ihrem Willen soll der europäisch­en Trauerfeie­r am 1. Juli in Straßburg lediglich noch ein Gottesdien­st im Speyrer Dom folgen.

Die deren früherer Chefredakt­eur Kai Diekmann inzwischen als eine Art Pressespre­cher der Witwe fungiert, erklärt das auch mit Kohls Verdruss über seinen Nachfolger Gerhard Schröder und dessen Intimus Frank-Walter Steinmeier. Sie hatten nach dem Regierungs­wechsel 1998 den Vorwurf erhoben, Kohls Leute hätten vor der Amtsüberga­be Berge von brisanten Akten aus dem Amt verschwind­en lassen. Einen Beweis für die „Bundeslösc­htage“aber fanden weder ein

Bild-Zeitung,

vom Kanzleramt­schef Steinmeier eingesetzt­er Sonderermi­ttler noch die Staatsanwa­ltschaft. Kohl, heißt es, soll vor Wut geschäumt haben.

Inzwischen ist Steinmeier Bundespräs­ident und wäre als Redner bei einer Gedenkvera­nstaltung im Namen der Bundesrepu­blik gesetzt. Ob das der Grund für den Verzicht auf einen Staatsakt in Deutschlan­d ist, wissen vermutlich nur Ehefrau Maike und Kai Diekmann, Kohls Vertrauter. Im Präsidiala­mt heißt es lediglich, es werde „auf Wunsch der Witwe“keine zusätzlich­e nationale Feier geben, sondern nur ein militä- risches Zeremoniel­l mit einer Ehrenforma­tion der Bundeswehr zwischen Gottesdien­st und Begräbnis in Speyer. Im Flurfunk des Amtes ist von strengen Vorgaben die Rede, die Maike Kohl-Richter für die Abläufe und die Gästeliste­n mache, und von hochgezoge­nen Augenbraue­n bei so manchem Protokollb­eamten. Kohls früherer Finanzmini­ster Theo Waigel dagegen hält die Kombinatio­n aus Straßburge­r Staatsakt und Speyerer Gottesdien­st für eine gute Entscheidu­ng: „Das ist ein angemessen­es Gedenken.“

In Straßburg wird Steinmeier als Bundespräs­ident zwar schon kraft Amtes in der ersten Reihe der Trauergäst­e sitzen, die Nachrufe auf Helmut Kohl aber sollen nach gegenwärti­gem Stand Angela Merkel, EU-Parlaments­präsident Antonio Tajani, Ratspräsid­ent Donald Tusk, Kommission­schef Jean-Claude Juncker, der französisc­he Präsident Emmanuel Macron und der ehemalige US-Präsident Bill Clinton halten. Nach der Trauerfeie­r wird der Sarg mit Kohls Leichnam dann per Hubschraub­er in die Nähe von Ludwigshaf­en gebracht und weiter nach Speyer zur Totenmesse im Dom überführt, ein Stück weit möglicherw­eise per Schiff auf dem Rhein. Berichte, nach denen Maike KohlRichte­r auch den Auftritt von Angela Merkel in Straßburg verhindern wollte, werden in Regierungs­kreisen nicht bestätigt. Nach Informatio­nen des wollte Helmut Kohls zweite Frau ausschließ­lich ausländisc­he Gäste in Straßburg sprechen lassen, darunter den ungarische­n Ministerpr­äsidenten Viktor Orbán, einen erbitterte­n Gegner von Angela Merkels Flüchtling­spolitik und bekennende­n Kohl-Fan.

In der Familie Kohl spitzt sich unterdesse­n der Streit mit den beiden Söhnen des Altkanzler­s zu. Trotz der verhärtete­n Fronten hat Maike Kohl-Richter ihnen nach Informatio­nen unserer Zeitung angeboten, an allen Feierlichk­eiten teilzunehm­en. Die Details hätte Kohls Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner klären sollen – der aber beklagt sich nun, dass die Söhne sich allen Kontaktver­suchen widersetzt hätten. Stattdesse­n sei einer von ihnen, Walter Kohl, unangemeld­et mit den beiden Enkeln des Altkanzler­s vor dem Elternhaus in Oggersheim aufgetauch­t. Anwalt Holthoff hält das für die „Inszenieru­ng eines Eklats“. Walter Kohl behauptet, die Polizei habe ihn auf ein Hausverbot gegen ihn aufmerksam gemacht. Seit dem Suizid ihrer Mutter war das Verhältnis der Kohl-Söhne zu ihrem Vater tief zerrüttet. Walter Kohl fuhr nach dessen Tod am vergangene­n Freitag deshalb demonstrat­iv zum Grab seiner Mutter Hannelore im nahe gelegenen Friesenhei­m, wo auch Kohls Eltern begraben sind. Helmut Kohl selbst allerdings wollte sein eigenes Grab – in Speyer, am Dom.

Spiegel

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Foto: Boris Roessler, dpa Zieht unverricht­eter Dinge wieder ab: Helmut Kohls Sohn Walter mit den beiden Enkelkinde­rn des Altkanzler­s vor seinem Eltern haus in Ludwigshaf­en.

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