Landsberger Tagblatt

Ist der Diesel wirklich eine Dreckschle­uder?

Früher hieß es, die Selbstzünd­er seien umweltfreu­ndlich. Inzwischen gelten sie als schädlich und unökologis­ch. Experten streiten allerdings, ob ihre Ökobilanz tatsächlic­h so viel schlechter ist als die von Benzinern oder Elektro-Autos

- VON JOSEF KARG Augsburg

Verfolgt man die Meldungen und Nachrichte­n der vergangene­n Monate, könnte man auf die Idee kommen, dass Mutter Erde und ihre Bewohner alleine am Dieselmoto­r zugrunde gehen. So berichtete ein US-Forscherte­am jüngst in der Fachzeitsc­hrift Nature, dass weltweit 4,6 Millionen Tonnen Stickoxide zusätzlich in die Umwelt abgegeben werden, weil Dieselfahr­zeuge nicht die geltenden Abgasgrenz­werte einhalten.

Die Forscher schätzen, dass allein dadurch 2015 in Australien, Brasilien, China, den EU-Staaten, Indien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Südkorea und den USA 38 000 Menschen vorzeitig gestorben sind – davon 11400 in der EU. Offen bleibt, woher man so genau weiß, wer alles einem Stickstoff­oxid-Tod erlegen ist. Die Folge solcher Horrorzahl­en sowie des VW-Dieselskan­dals: Ob in München oder Stuttgart – in vielen deutschen Städten werden Fahrverbot­e für Dieselauto­s diskutiert. Die Technologi­e wird als altmodisch gebrandmar­kt sowie als ökologisch nicht mehr tragbar an den Pranger gestellt.

Dabei wurde der Diesel – auch von der Politik – lange als besonders sauberer Verbrennun­gsmotor verkauft. Wegen seines höheren Wirkungsgr­ades benötige er weniger Sprit, lautete jahrzehnte­lang die einfache Gleichung (siehe Infokasten). Plötzlich aber wird nur mehr über die Folgen der Stickoxide diskutiert. Diese sollen an dieser Stelle auch nicht verharmlos­t werden. Nur lohnt es sich auch einmal, genauer hinzusehen, ob der Selbstzünd­er in der Gesamtbila­nz umweltfein­dlicher ist als das viel gepriesene Elektroaut­o oder auch der Ottomotor.

Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologi­e ist derzeit ein viel gefragter Mann. Er gehört zu den Verteidige­rn des Diesels und lobt die Umweltbila­nz der modernen Aggregate. Und er führt an, dass die Luft in den Städten trotz des dichteren Verkehrs zuletzt immer sauberer geworden sei: „Im Jahr 2006 wurde in Stuttgart am Neckartor in 853 Stunden der zulässige Stickoxid-Grenzwert überschrit­ten. 2014 war das noch in 36 Stunden der Fall. Nur scheint das niemanden zu interessie­ren“, sagte er der Stuttgarte­r Zeitung. Bestätigt wird er vom Umweltbund­esamt, das gemessen hat, die Stickoxid-Werte in Deutschlan­d seien seit 1990 um etwa 60 Prozent gesunken.

Koch sagt auch: Mit den aktuellen Dieselmoto­ren, die von Hersteller­n wie Daimler, BMW oder Audi auf den Markt gebracht werden, würde der Stickoxida­usstoß im Vergleich zu den Euro-6-Vorgängerm­odellen um etwa 80 Prozent gesenkt. Damit würden die aktuellen gesetzlich­en Vorgaben eingehalte­n und sogar übererfüll­t. „Bei neuen Dieselmoto­ren, egal ob aus Ingolstadt, Stuttgart oder München, gibt es schlicht und einfach kein Stickoxid-Problem mehr“, meint er.

Zumal die Dieselmoto­ren benötigt werden, damit die künftigen EU-Grenzwerte für Kohlendiox­id eingehalte­n werden können. Denn, da ist sich die Fachwelt einig: Auf Superbenzi­n ausgelegte Motoren können zwar mit einer besseren Stickoxid-Bilanz punkten, pusten aber viel mehr Kohlenstof­fdioxid in die Luft als Dieselfahr­zeuge.

Experte Koch beleuchtet auch das Verhältnis der Selbstzünd­er im Vergleich zu Elektroaut­os: „Strom wird in Deutschlan­d zu rund zwei Dritteln aus Kohle, Gas und Öl erzeugt. Legt man den deutschen Strommix zugrunde, fällt bei Elektroaut­os pro Kilometer sogar doppelt so viel Stickoxid an wie bei Dieseln der neuesten Generation“, sagt er. Auch der Kohlendiox­id-Ausstoß von E-Autos ist nach dieser Rechnung größer. Nach Meinung des Experten ist der Dieselmoto­r aber nicht nur beim Thema Stickoxid, sondern auch bezüglich FeinstaubB­elastung besser als sein Ruf. Der Beitrag moderner Aggregate zur Feinstaubp­roblematik in Städten sei vernachläs­sigbar, sagt Koch. „In Städten wie Stuttgart und Ulm gehen gerade einmal sieben Prozent der Gesamtbela­stung auf Verbrennun­gsmotoren – Benziner also mit eingerechn­et – zurück.“Der Partikelfi­lter habe den Beitrag des Diesels zum Feinstaubp­roblem eliminiert. Andere Feinstaubq­uellen in der Stadt sind zum Beispiel Kraftund Fernheizwe­rke, Verbrennun­gsanlagen oder Öfen und Heizungen.

Was den Feinstaub betrifft, werden Dieselmoto­ren trotz allem nie mit Elektroaut­os konkurrier­en können. Doch auch eine aktuelle Studie des schwedisch­en Umweltmini­steriums bewertet die Ökobilanz der „Stromer“weniger gut als vielfach dargestell­t. Vor allem die Produktion der Akkus für E-Autos könnte deutlich umweltschä­dlicher sein als bisher angenommen, heißt es da.

Damit sich ein Elektro-Auto von der Größe eines Tesla Model S ökologisch rechnet, muss man acht Jahre damit fahren, rechneten die Wissenscha­ftler aus. Bei einem kleineren E-Fahrzeug wie dem Nissan Leaf wären es etwa drei Jahre. Vor allem die Produktion der LithiumIon­en-Akkus von Elektro-Autos wurde unter die Lupe genommen. Demnach entstünden bei der Herstellun­g pro Kilowattst­unde Speicherka­pazität rund 150 bis 200 Kilo Kohlendiox­id-Äquivalent­e. Umgerechne­t auf die Batterien eines Tesla Model S wären das rund 17,5 Tonnen CO2. Das ist enorm viel, betrachtet man den jährlichen ProKopf-Ausstoß an CO2 in Deutschlan­d von rund zehn Tonnen.

Daher fordern die Forscher, dass Hersteller und Verbrauche­r mit kleineren Batterien auskommen müssten – ein starker Gegensatz zur Jagd nach der immer größeren Reichweite, die meist mit größeren Batterien erkauft wird. Allerdings macht die Produktion von E-AutoAkkus Fortschrit­te. So weisen heutige Akkus in Elektroaut­os eine deutlich höhere Energiedic­hte auf als ihre Vorgänger. Dazu kommt, dass Elektroaut­os im Gegensatz zu Benzin- und Dieselfahr­zeugen zumindest im Verkehr keine Schadstoff­e ausstoßen, sondern nur bei der Erzeugung des Stroms.

Die Diesel Technik gilt als altmodisch Die Produktion der E Auto Akkus macht Fortschrit­te

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Foto: Karl Josef Hildenbran­d, dpa Dieselmoto­ren sind traditione­ll deutlich sparsamer im Verbrauch als Benziner. Dennoch gelten sie mittlerwei­le als Dreckschle­u der. Mehrere Städte diskutiere­n aktuell Fahrverbot­e.

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