Landsberger Tagblatt

Auf der Suche nach Rauch am Horizont

Seit Tagen ist es trocken und heiß. Wie zwei Ehrenamtle­r die Luft in der Region überwachen

- VON RENÉ LAUER garettenki­ppen Fahrlässig­keit. Zi

Die Sonne brennt auf den Asphalt des Flugplatze­s in Genderking­en (Kreis Donau-Ries). Ein startender Helikopter wirbelt den ausgetrock­neten Boden auf und hinterläss­t beim Aufstieg eine Staubwolke, die zwei Beobachter zum Keuchen bringt. 32,5 Grad Celsius zeigt das Thermomete­r, das an der Gaststätte des kleinen Flughafens bei Donauwörth hängt.

Seit Tagen hat es nicht mehr geregnet. Der Deutsche Wetterdien­st warnt wegen der andauernde­n Hitzewelle vor erhöhter Waldbrandg­efahr. Für Teile der Region gelten seit Dienstag sogar die höchsten Warnstufen vier und fünf. Die Regierung von Schwaben lässt betroffene Landkreise deshalb seit Anfang der Woche aus der Luft kontrollie­ren. Erfahrene Piloten und Luftbeobac­hter sind geschult darauf, mögliche Brandgefah­ren zu erkennen. So wie Peter Kleiner.

In der Genderking­er Flughalle prüft der 70-Jährige seine Maschine. Der Tank ist voll, der Motor läuft. „Alles bestens.“Kleiner lehnt sich an die Tragfläche und grinst zufrieden. Seit 40 Jahren ist der ehemalige Polizeibea­mte in der Luft unterwegs, erzählt er, zieht seine blaue Kappe vom Kopf und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Waldbrände erkennen, das könne er gut. Trotzdem ist er wie an diesem Nachmittag in der Regel gemeinsam mit einem Luftbeobac­hter unterwegs. Vier Augen würden eben sehen als zwei. Heute ist Rudi Siegel sein Partner. Die beiden hätten schon viele Flüge gemeinsam unternomme­n, dabei einige Waldbrände entdeckt. Siegel ist seit zehn Jahren Flugbeobac­hter, der Nördlinger hat selbst einen Pilotensch­ein. Nachdem er seine Geräte ins Cockpit geladen hat, fährt Kleiner die Propellerm­aschine aus dem Hangar. „Die Startbahn ist schön warm, das nutze ich aus“, sagt der Pilot und schiebt einen Hebel bis zum Anschlag nach vorne. Das kleine Flugzeug reagiert prompt. „Eine Dieselmasc­hine mit Turbolader, die zieht uns ohne Probleme bis auf 10000 Meter“, ruft Kleiner durch das Mikrofon und lacht.

Die Lüfte sind heute ruppig, darauf hatte der 70-Jährige vor dem Start noch hingewiese­n. Während Kleiner das Flugzeug gen Himmel manövriert, tanzt es nach links und rechts, nach oben und unten, wie ein Gummiball, der von zwei Füßen hin und her getreten wird. Nach wenigen Sekunden streckt der Pilot seine beiden Hände zur Decke. „Das macht alles der Autopilot, ich kann auch nichts dafür“, sagt er und lacht.

Von Donauwörth aus steuert Kleiner die Maschine nach Wemding, von dort aus Richtung Rieskrater. „Bisher noch nichts Verdächtig­es“, sagt Rudi Siegel. Er hält Ausschau nach Rauchsäule­n in den Wäldern. Entdeckten die beiden ein Feuer, würde der Pilot nach unten ziehen, um die Stelle genauer zu begutachte­n. Nebenbei prüfen die Experten Wälder auch auf Borkenkäfe­rbefall. „Dort sieht man braune Baumwipfel“, sagt Siegel und zeigt nach rechts. Das sei ein Anzeichen für das Ungeziefer.

Über Nördlingen hinweg fliegt Kleiner das Flugzeug in Richtung Kesseltal im Süden. „Da hinten ist etwas“, ruft Siegel, „auf zehn Uhr.“Am Horizont steigt Rauch auf, kaum zu erkennen. Der Luftbeobac­hter zückt das Funkgerät. Doch von der Leitstelle kommt keine Antwort. „Ich gehe näher ran“, meint Kleiner. Der Pilot greift zum Steuerknüp­pel und zieht die Maschine nach links. Als das Flugzeug die Rauchsäule erreicht hat, kann Siegel Entwarnung geben. „Ah, nur ein Steinbruch.“Der Flugbeobac­hter atmet tief durch. Bei der vermeintli­chen Rauchsäule handelt es sich um aufgewirbe­lten Staub. Kleiner bringt die Maschine wieder auf Kurs nach Süden.

Während sich vor dem Flugzeug die Kühltürme des Gundremmin­ger Atomkraftw­erks abzeichnen, ermehr ● In ganz Schwaben gelten diese Woche die höchsten Warnstufen vier und fünf. Die Lage soll sich im Laufe der Woche dem Deutschen Wetterdien­st (DWD) nach weiter ver schärfen. ● Rauchen und offenes Feuer Wäldern sind strengsten­s verbo ten. Autofahrer sollten auch keine

aus dem Fenster werfen, empfiehlt der DWD. ● Nach Studien des WWF ist der Mensch an rund 96 Prozent aller Waldbrände beteiligt. Oft sei der Grund (lare) in zählt der Pilot, dass allein Glasscherb­en bei dieser Hitze einen Waldbrand auslösen könnten. Erst kürzlich habe es deshalb an einem Bahndamm in der Region gebrannt.

Auch den Sektor um Augsburg übernehmen die Piloten aus dem Landkreis Donau-Ries. Früher habe es dort eigene Flugbeobac­hter gegeben, „aber die Kollegen dort sind alle schon etwas in die Jahre gekommen“, scherzt der 70-jährige Kleiner. Er und Siegel sind ehrenamtli­ch für die Regierung von Schwaben unterwegs. Auch in Illertisse­n und Kempten starten Flugzeuge zur Waldbrandü­berwachung. „Wir nehmen den Weg übers Stadion“, sagt der Pilot und deutet nach rechts. „Da hinten braut sich etwas zusammen.“Kleiner runzelt die Stirn. Die Silhouette der Berge zeichnet sich im Süden ab, darüber hängen dunkelgrau­e Wolken.

Über Aichach geht es wieder nach Norden, zurück nach Donauwörth. Die Verbindung zur Leitstelle, an die die Waldbrände übermittel­t werden, steht noch immer nicht. „Wir können Gefahren aber auch über den Flugfunk oder zur Not über das Handy melden“, sagt Siegel. Doch bis der Flugplatz in Genderking­en wieder in Sichtweite ist, bleibt es ruhig. Kleiner schlägt einen Linksbogen und macht sich zur Landung bereit. Mit einem Ruck setzt das Flugzeug auf der Landebahn auf. Die Maschine parkt der 70-Jährige direkt neben der Tanksäule. Denn nach einer Verschnauf­pause geht es zum nächsten Kontrollfl­ug. Dieselbe Route noch einmal. Ihre Aufgabe nehmen sie ernst. „Das ist Ehrensache“, sagt der Pilot.

Waldbrandg­efahr

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Foto: René Lauer Glück gehabt: Aus der Entfernung sah die Staubwolke, die aus einem Steinbruch bei Stillnau im Landkreis Dillingen aufsteigt, wie eine Rauchsäule aus.

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