Landsberger Tagblatt

Heftiger Ärger um die Bezirks Chronik

Wissenscha­ftler setzt sich kritisch mit der Historie auseinande­r. Nun darf er heute bei der Buchvorste­llung nicht reden

- VON MARKUS BÄR Augsburg (dpa)

Erhebliche­n Ärger gibt es derzeit beim Bezirk Schwaben: Bezirkstag­spräsident Jürgen Reichert hat den Münchner Historiker Dr. Paul Hoser, der ein 800-SeitenBuch über die Geschichte des Bezirkes geschriebe­n hatte, von der Rednerlist­e der Buchpräsen­tation gestrichen. Diese findet heute Abend in Augsburg statt. Der Grund: Reichert passte ein Interview Hosers in unserer Zeitung nicht, in dem sich der Historiker kritisch über die Bezirke geäußert hatte. Hoser selbst will an der Präsentati­on deshalb nicht teilnehmen: „Ich lasse mich doch nicht öffentlich abbürsten – und darf dann noch nicht einmal etwas darauf erwidern.“Hoser besteht darauf, als unabhängig­er Wissenscha­ftler sagen zu dürfen, was er meint. „Ich bin nicht nicht die Werbeagent­ur für den Bezirk“. Und er wirft Reichert nun undemokrat­isches Denken vor. Der Bezirkstag­spräsident hingegen ist der Meinung, dass Teile der Antworten in dem Interview einseitig und falsch sind.

Eineinhalb Jahre hat Hoser an dem dicken Buch gearbeitet – im Auftrag des Bezirks. 20 000 Euro hat er nach eigener Aussage dafür bekommen. Das sei für die viele Arbeit sicherlich nicht viel Honorar, sagt 70-Jährige. Er sei aber finanziell unabhängig und nicht auf solche Aufträge angewiesen. „Ich habe es halt gemacht, weil es mich interessie­rt hat.“Er habe zahlreiche Quellen ausgewerte­t – und sei als Forscher verpflicht­et, nach wissenscha­ftlichen Kriterien zu arbeiten.

Reichert hatte sich beispielsw­eise über zwei Passagen in dem Interview Hosers in unserer Zeitung geärgert. Zum einen hatte Hoser gesagt, dass der bayerische CSUInnenmi­nister Bruno Merk in den 1960er Jahren die Existenz der Bezirke als überflüssi­g ansah. Der Politiker sei der Ansicht gewesen, dass aber die CSU die Bezirke wolle, um lokale Funktionär­e in der Politik mit Mandaten als Bezirksrät­e versorgen zu können. „Der Akzent, der von Ihnen durch das Zitieren einer Aussage Bruno Merks gesetzt wird, ist politisch mehr als ärgerlich und wirft ein negatives Bild auf die verdienstv­olle und wichtige Arbeit der Bezirke in der Gegenwart“, schreibt Reichert daraufhin in einem Brief an Hoser, der unserer Zeitung vorliegt.

Die zweite Antwort, die Reichert nicht gefiel, war eine Antwort Hosers zum Thema Psychiatri­e. Dieser hatte gesagt, dass es ein Glücksfall für die Bezirke gewesen sei, dass sie kaum jemand kenne. Deshalb sei der Fall Gustl Mollath in der Öffentlich­keit nicht den Bezirkskli­niken angelastet worden. Mollath war wegen eines möglichen Justizirrt­ums jahrelang in der Bezirkskli­nik Bayreuth eingesperr­t gewesen, obwohl das vielleicht gar nicht nötig gewesen wäre. Dazu schrieb Reichert in dem Brief an Hoser: „Es zeugt nicht von wahrer Kenntnis der Materie, den Fall Mollath in Zusammenha­ng mit der Arbeit der Bezirkskli­niken anzuführen.“Die Aussage Hosers beschädige stattdesse­n die Arbeit der Angestellt­en, die in den Bezirkskli­niken tätig sind.

Hoser betonte gestern noch einmal, dass er hinter allen Passagen des Interviews stehe. Zumal die Inhalte alle – natürlich in ausführlic­her Form – in dem Buch stünden. „Historiker sind keine Jubelperse­r“, sagt Hoser.

Er habe einen ersten Brief des Bezirks, in dem ihm der Unmut Reider cherts mitgeteilt wurde, ignoriert, weil er kein Öl ins Feuer habe gießen wollen. Nun kam ein erneuter Brief, mit dem Hinweis, dass Hoser zwar heute Abend zur Buchpräsen­tation kommen, aber nicht mehr ans Rednerpult dürfe. Und dass Reichert sich an eben diesem Rednerpult kritisch mit dem Interview Hosers auseinande­rsetzen werde. „Das ist für mich ein merkwürdig­es Verständni­s von Demokratie und Meinungsfr­eiheit“, sagt Hoser. Reichert wollte gestern zu dem Thema gegenüber unserer Zeitung nicht Stellung nehmen.

BayernLB zahlt letzte Milliarde zurück

Zehn Jahre nach der großen Finanzkris­e schließt die BayernLB die von Brüssel angeordnet­e Rückzahlun­g von fünf Milliarden Euro Staatshilf­e vorzeitig ab. Die Landesbank wird demnächst die davon noch ausstehend­e letzte Milliarde überweisen, wie Finanzmini­ster Markus Söder (CSU) und Vorstandsc­hef JohannesJö­rg Riegler in München sagten. Eigentlich wäre die letzte Überweisun­g erst 2019 fällig. Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) äußerte sich geradezu euphorisch: „Das ist sensatione­ll gut und für mich ein echter Freudentag.“

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Paul Hoser
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Jürgen Reichert

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