Landsberger Tagblatt

Das Café als Arbeitspla­tz

Laptop und Latte Macchiato – seit zwölf Jahren schwört das „Sankt Oberholz“in Berlin auf dieses Erfolgsrez­ept. Doch die Zeiten ändern sich

- VON ORLA FINEGAN Berlin

Tobias Schwarz wartet am Tresen des Cafés Sankt Oberholz in Berlin-Mitte. Ihm gegenüber gurgelt die Kaffeemasc­hine, der Milchaufsc­häumer zischt. Obwohl fast jeder Sitzplatz belegt ist, ist die Gesprächsk­ulisse eher gedämpft, viele Gäste sprechen gar nicht. In das Oberholz kommen die Menschen, um zu arbeiten. „Digitale Nomaden“werden sie gerne genannt, Menschen, die mit ihren Laptops und Smartphone­s lieber in einem belebten Café als im stillen Büro sitzen. Co-Working eben – alle arbeiten zusammen, aber jeder für sich.

Schwarz ist einer von ihnen, hat aber noch eine zentralere Rolle: Er ist der Co-Working-Manager im Sankt Oberholz, er ist dafür zuständig, dass im Café und in den CoWorking-Räumen, die zum Oberholz gehören, die Menschen glücklich sind. Er ist auch dafür zuständig, aufdringli­ch daran, mal wieder etwas zu bestellen.

Das Sankt Oberholz hat sich seit seiner Eröffnung vor zwölf Jahren einen Namen gemacht, es gilt weltweit als Vorreiter der Co-WorkingSze­ne. Die Erfolgsges­chichten, die hier geschriebe­n wurden, ziehen an: Die Gründer des Online-Musikdiens­tes Soundcloud haben hier ihre Idee entwickelt, die ersten Mitarbeite­r rekrutiert­en sie aus den anderen Co-Workern. Und auch andere ehemalige Start-ups wie Zalando oder Hello Fresh nahmen am Rosenthale­r Platz ihre Anfänge.

„Zehn Jahre lang hat es funktionie­rt“, sagt Schwarz über das Prinzip der Selbstbedi­enung. Arbeiten im Café war anfangs revolution­är, spannend. Die Gäste identifizi­erten sich miteinande­r als Pioniere, man kannte sich untereinan­der. Doch mittlerwei­le, schreibt Oberholz in seiner Erklärung, richten die Gäste ihre gesamte Aufmerksam­keit auf ihre Laptops – viele vergessen schlicht das Essen und Trinken. Für ihn geht es darum, das Co-Working anzupassen. Und dafür haben er und Schwarz monatelang eine neue Strategie entwickelt. Sie haben Stammgäste befragt, verschiede­ne Konzepte weltweit miteinande­r verglichen und sich am Ende für den simplen Schritt der Bedienung entschiede­n. „Die absolute Wahrheit haben wir auch nicht gefunden“, sagt Schwarz. Aber es sei ein Konzept, das zu ihrer „Philosophi­e der Offenheit“passe. Die Alternativ­en wären gewesen, das freie WLAN zeitlich zu begrenzen oder den Gästen die im Café verbrachte­n Stunden zu berechnen. Jetzt aber bekommen die Gäste zusätzlich­en Service.

„Die Reaktionen sind positiv“, sagt Schwarz. Die Gäste seien froh, den Laptop nicht mehr unbeaufsic­htigt am Tisch lassen zu müssen, wenn sie koffeinhal­tigen Nachschub bräuchten. Und auch „die Umsätze sind seitdem gestiegen“, sagt Schwarz.

Die Rechnung geht nicht mehr auf

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Das „Sankt Oberholz“in Berlin gilt als Vorreiter der Co Working Szene. Zahlreiche Erfolgsges­chichten wurden hier schon geschriebe­n.

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