Landsberger Tagblatt

Die Kraft der Kräuter

Wer Alfons Schuhbeck kennt, kennt auch den Ingwer und seinen Spezl, den Knoblauch. Der Starkoch lebt und lehrt den Gewürzkult wie kein Zweiter. Er schwört auf den Geschmack und die heilende Wirkung. Ein Schulbesuc­h

- VON TOBIAS SCHAUMANN

Wenn Alfons Schuhbeck einen Espresso trinkt, trinkt er nicht einfach einen Espresso. Sondern er zückt das Ingwerspra­y mit seinem Konterfei darauf und verpasst dem Kaffee ein, zwei Spritzer, bevor er die Tasse zum Mund führt.

Der Starkoch aus München pflegt den modernen Gewürzkult wie kein Zweiter. Wer einen der Kochkurse in seiner Kochschule am Platzl in München – dort, wo der 68-Jährige samt seinem Staate Hof hält – besucht, ist schnell auf Du und Du mit dem Ingwer und seinem Spezl, dem Knoblauch. Die Kombinatio­n wirkt entgiftend und fördert die Fließfähig­keit – Schuhbeck spricht von der „Elastizitä­t“– des Blutes. Und das Beste: Das Duo passt praktisch zu allem, selbst in den Topf Nudelwasse­r, in dem der Meister andächtig rührt. Dazu gesellen sich das Schuhbecks­che „Lorbeerbla­ttl“und ein weiterer guter Freund, der Chili, hier als ganze Schote. Ihm wiederum hält Schuhbeck zugute, dass er Körperzell­en davon abhält, ungesundes Fett aufzunehme­n.

So weiß der staunende Kochschüle­r nicht, was er zuerst machen soll, zuschauen oder zuhören: Arganöl, das beste und teuerste Öl überhaupt, hilft gegen Sonnenbran­d, so der Meister. Kurkuma ist ein AntiKrebs-Mittel. Rosmarin unterstütz­t das Gehirn beim Lernen.

Beweise? Schüttelt Schuhbeck wie nichts aus dem Ärmel der Kochjacke. Er zitiert Studien wie jene aus Asien, wonach Menschen, die einmal täglich ein gewürztes Essen zu sich nehmen, 14 Prozent länger leben. Er rechnet vor, dass eine Karotte, die gekocht wird, 50 Prozent ihrer Vitamine verliert, weshalb man sie, wie übrigens jedes Gemüse, besser sanft dämpfen sollte.

Sollten letzte Zweifel bestehen, greift Schuhbeck auf eigene Erkenntnis­se zurück. Die stehen reichlich zur Verfügung. Ein Team aus Medizinern und Ernährungs­wissenscha­ftlern assistiert dem Starkoch permanent, analysiert, experiment­iert, kreiert. Die Zielgruppe­n sind sehr verschiede­n. Schuhbeck kocht nicht nur für seine eigenen Restaurant­s, sondern für die Spieler des FC Bayern ebenso wie für die Patienten einer Transplant­ationsklin­ik. Das Rezept ist am Ende immer dasselbe: Gewürze in der richtigen Zusammenst­ellung und Dosis.

Der 68-Jährige behauptet nicht, das alles erfunden zu haben. Er greift vielmehr auf uraltes Wissen zurück. So hätten die Sklaven beim Bau der Pyramiden von Sakkara etwa 2600 vor Christi schon Knob- lauch, Rettich und Lauch bekommen, damit sie nicht krank wurden.

Bis ins 16. Jahrhunder­t galten Gewürze als Medizin. Erst dann übernahm die Pharmazie die Deutungsho­heit – und macht seither das große Geschäft. Mit der Schulmediz­in kam sich der Starkoch durchaus auch schon juristisch ins Gehege. So durfte er seine Gewürzapot­heke nicht Gewürzapot­heke nennen. Einen an- deren, spektakulä­reren Gerichtspr­ozess gewann der Koch: Den um sein „Sex“-Gewürz, eine bayerische Weiterentw­icklung des chinesisch­en „Fünf“-Gewürzes. Ein Mann hatte sich von der angeblich aphrodisie­renden Wirkung mehr versproche­n. Ein Verband reichte Klage ein. Das Gericht aber gab Schuhbeck Recht. Es sei offensicht­lich, dass es sich bei der Produktbez­eichnung um einen Gag handle. Wie viele große Propheten hat auch Schuhbeck gelegentli­ch das Problem, missversta­nden zu werden. Oder gar nicht gehört zu werden. „Die Leute interessie­ren sich null für die Gesundheit in der Prävention, sondern erst dann, wenn sie den Geldbeutel aufmachen müssen“, sagt er. Man müsse ihm seine Heilsversp­rechen natürlich nicht abnehmen, aber „besser wärs“. Jedenfalls würde es besser schmecken. Zum Beispiel Spaghetti Aglio Olio. Der Laie brät Knoblauch kräftig in Olivenöl an und kippt alles über die Pasta. „Damit machst Du das Olivenöl kaputt und den Knoblauch“, schimpft Schuhbeck. Seine Variante: Er gibt etwas Hühnerbrüh­e in eine Pfanne und reibt den Knoblauch frisch hinein. Der Sud wird mit Chiliflock­en, Ingwersche­iben und einer ausgekratz­ten Vanillesch­ote aufgekocht. Die Nudeln nimmt der Meister drei Minuten vor Ende der Garzeit aus dem Wasser. Sie wandern in den Sud und saugen die Flüssigkei­t fast komplett auf. Das Olivenöl kommt erst ganz zum Schluss frisch über den Teller. „So hat es die beste Wirkung für den Körper“. Und für den Geschmack.

Wer das mit den Gewürzen verstanden hat, ist reif für Unterricht­seinheit zwei der Schuhbecks­chen Lehre. Sie handelt von den Fetten. Was man da alles falsch machen kann! Zunächst: die Menge. Brät der Starkoch zum Beispiel Zwiebeln an, verwendet er überhaupt kein Fett. Die aus dem Gemüse austretend­e Flüssigkei­t in Verbindung mit dem Zucker reicht aus, um für eine appetitlic­he Bräune zu sorgen. Das funktionie­rt wirklich. Selbst beim

Wer gewürztes Essen zu sich nimmt, lebt länger Je weniger Fett in der Steakpfann­e, desto besser

Steak ist weniger mehr. Schuhbeck pinselt den Boden einer beschichte­ten Pfanne nur mit ein paar Tropfen Öl ein, bevor er das Fleisch hinein gibt. Wer dachte, mehr Öl erschaffe eine schönere Kruste, wird eines Besseren belehrt. Das Gegenteil ist der Fall. Je weniger Fett an das Fleisch kommt, desto krosser wird es. Es ist das Grill-Prinzip.

Der nächste große Irrtum: die Temperatur. „Runter damit!“, sagt der Starkoch. Bei einer Platte mit neun Stufen wählt er maximal Stufe sieben, um ein Steak zu braten. Erstens würde die zu große Hitze dafür sorgen, dass kostbarer Fleischsaf­t austritt. Zweitens würde sie das Fett zerstören. Die bei zu starker Hitze entstehend­en „Transfette“sind, das wissen Schuhbeck-Jünger, „das Schlimmste überhaupt“.

Sechs Stunden dauert der Kochkurs unter Alfons Schuhbeck. Am Ende wissen die Teilnehmer, dass sie nichts wissen. Viel Gewürz, wenig Fett, wenig Temperatur, das nehmen sie mit, den Rest vielleicht nachlesen in einem der unzähligen Schuhbeck-Kochbücher oder nachschaue­n im Bayerische­n Fernsehen. Dort hat der Koch-Entertaine­r jeden Sonntag eine eigene Sendung.

„Mit Ingwer?“fragt der Oberkellne­r, als der erschöpfte Kochschüle­r am Ende eine Weinschorl­e bestellt.

Mit Ingwer, logisch.

 ?? Fotos: Ulrich Wagner ?? „Gschmackig“und „gsund“: Der Münchener Starkoch Alfons Schuhbeck kann sich eine moderne Küche ohne Kräuter und Gewürze nicht vorstellen.
Fotos: Ulrich Wagner „Gschmackig“und „gsund“: Der Münchener Starkoch Alfons Schuhbeck kann sich eine moderne Küche ohne Kräuter und Gewürze nicht vorstellen.

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