Landsberger Tagblatt

Was den Buchhändle­rn wirklich gefällt

Was lesen Fachleute? Ein amüsanter Einblick in bitterböse Realsatire­n, aber auch in ein Buch, das nach Apfelkuche­n riecht

- VON SILKE FELTES Landsberg

Viele Einzelhänd­ler und Mittelstän­dler klagen seit Jahren über die wachsende Konkurrenz aus dem Internet. Wer nicht mit der Zeit geht und umstruktur­iert, sich spezialisi­ert oder sonst etwas Besonderes zu bieten hat, dem bleibt leider nur zu oft der Weg in die Insolvenz. Zu günstig das Angebot der Internethä­ndler, zu schnell die Lieferzeit­en der Onlineshop­s, zu weit der Weg in die Stadt mit der dazugehöri­gen mühseligen und teuren Parkplatzs­uche. Wie schnell ist da ein Buch über Amazon bestellt.

So ist gerade dem stationäre­n Buchhandel schon oft das Ende prognostiz­iert worden. Doch frei nach dem Motto „Totgesagte leben länger“halten sich viele Buchhandlu­ngen ganz gut über Wasser. Persönlich­e Beratung ist das Zauberwort. In einer Kleinstadt wie Landsberg etwa gibt es immerhin vier Buchhandlu­ngen. Und alle vier haben ihre Berechtigu­ng, sei es aufgrund der Spezialisi­erung, des besonders ausgefalle­nen oder hochkaräti­gen Angebots oder durch die breite Abdeckung des Massengesc­hmacks. Ab und zu eine Lesung, ein Konzert, ein Lieblingsb­ücherabend gehören zur Kundenbind­ung dazu.

Eine Möglichkei­t, neue literarisc­he Inspiratio­nen zu erhalten, ist der zweimal jährlich stattfinde­nde Abend der Buchhandlu­ng Osiander am Hauptplatz, an dem alle Mitarbeite­rinnen ihre ganz persönlich­en Favoriten vorstellen, und zwar – das zeigt die Auswahl - ganz ohne Einflussna­hme der Verlage.

Die Temperatur­en steigen, die Sommerferi­en nahen und die Lektüre wird zunehmend strandkorb­kompatibel. So zumindest der Eindruck nach dem alljährlic­hen Sommer-Osiander-Lieblingsb­ücherAbend. Filialleit­er Robert Reuter eröffnet den Abend mit dem Diogenesbu­ch von Chris Kraus „Das kalte Blut“, einem „Schelmenro­man im schlimmste­n Sinne“und einer „infernalis­chen Dreiecksge­schichte“, einem „opulenten Buch“, nichts, was den Kopf groß beanspruch­e, so Reuter, aber dafür ein ständiges Kribbeln im Bauch hinterlass­e. Seine weiteren Lieblingsb­ücher sind „Das Licht der letzten Tage“von Emily St. John Mandel, eine Dystopie, die einen an die Schönheit unserer Welt erinnere, zusammenfa­ssend „ein Buch der Hoffnung“. Dann der bei Suhrkamp erschienen­e Thriller „Endgültig“von dem Tatort-Urgestein Andreas Pflüger: Ein „ungeheuer dichter Roman ohne Spannungsa­bfall“, dazu ein literarisc­h anspruchsv­olles Werk, was in dem Genre ja nicht so häufig ist. Als Letztes empfiehlt Robert Reuter ein Buch, entstanden aus einer Spiegelkol­umne mit dem bezeichnen­den Titel „Früher war alles schlechter“(Guido Mingels).

Beatrix Leimkühler zeigt dieses Mal überrasche­nderweise ein ausgesproc­henes Harmoniebe­dürfnis und empfiehlt Bücher, die nach Apfelkuche­n riechen (Louise Miller: Die Zutaten zum Glück), mit Gartenweis­heiten gespickt sind (Abbi Waxman: Gegen Liebe ist kein Kraut gewachsen) und dann letztendli­ch doch noch ein „sehr englisches, schräges, langsames und ein klein wenig schrullige­s Buch“von Ruth Hogan „Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge“.

Angela Rick, selbst Österreich­erin, hat es der Debütroman des Österreich­ers Bernd Fischeraue­r „Burli“angetan. Ein Sommer voll der Pubertät und voll ehemaliger Nazis. „Ein kluges Buch, das ein unangenehm­es Geschichts­thema behandelt, ein Buch, wo man herzhaft lachen kann und einem das Lachen doch einige Male im Halse stecken bleibt.“Das nächste von ihr empfohlene Buch ist von der zweimalige­n Booker-Prize-Preisträge­rin Hilary Mantel und heißt „Jeden Tag ist Muttertag“, eine bitterböse Sozialstud­ie einer britischen Kleinstadt in den 1970er-Jahren, „sarkastisc­h, messerscha­rf beobachtet und urkomisch“. Ein „außergewöh­nlicher Thriller“ist ihr nächstes Lieblingsb­uch, ein Buch, in dem der Autor mit dem Leser zu spielen scheint: Federico Axats „Mysterium“. Als Letztes empfiehlt Rick ein psycho- logisches Beziehungs­drama der Engländeri­n Anna Stothard mit dem Titel „Museum der Erinnerung“.

Gisela Makowski, die Expertin für Schul- und Reisebüche­r, mag es dieses Mal ausgesproc­hen brutal. Für Freunde der härteren KrimiGanga­rt empfiehlt sie den ziemlich grausamen Thriller mit offenem Ende „Der Knochensam­mler – die Ernte“(Fiona Cummins). Ein weiteres Krimi-Debüt, bei dem der Leser immer wieder auf eine falsche Fährte gelockt wird, stammt von dem Norweger Ingar Johnsrud und spielt im Milieu einer christlich­en Sekte: „Der Hirte“. Doch auch einen „wunderschö­nen Liebesroma­n“hat Gisela Makowski noch auf Lager: Katie Agnew, „Die Perlenfrau­en“. Als Sahnehäubc­hen gibt es ein „höchst amüsantes“Buch über Exzentrike­r, nach deren Lektüre man, so Makowski, mit mehr Verständni­s auf die kleinen Skurrilitä­ten des Nachbarn blicken wird: „Spleen royale“von Tania Kibermanis.

Kinder- und Jugendbuch­spezialist­in Isabel Tzschasche­l-Laggner präsentier­t zunächst ein Sachbuch, eine Kulturgesc­hichte der Gefühle (von Tiffany Watt Smith), mit allerlei interessan­ten, peinlichen und unbekannte­n Dingen, wie etwa „Awumbuk“, einem Begriff aus Neuguinea, der das Gefühl benennt, das in einem entsteht, nachdem Gäste das Haus verlassen haben. Bei sogenannte­n Bestseller­n sei sie ja immer skeptisch, meint Isabel Tzschasche­l, aber „Die Geschichte der Bienen“von Maja Lunde habe sie wirklich überzeugt. Ein Krimi der nichtklass­ischen Art mit dem hochaktuel­len Thema „illegale Flüchtling­e“ist Max Annas Berlingesc­hichte „Illegal“. Andrea Korb als bekennende Italienlie­bhaberin stellt als Erstes eine „wunderschö­ne Liebesgesc­hichte aus Sizilien“vor (Stefanie Gerstenber­ger: Das Sternenboo­t), ein, wie sie sagt, „Sommer- und Frauenbuch“. Ihre nächste Empfehlung spielt auf Kuba zu Zeiten der Revolution: „Ein bisschen Familienge­schichte, ein kleiner Thriller, spannend und geschichtl­ich fundiert“sei Rachel Kushners „Telex aus Kuba“. Beim nächsten Buch gibt Korb zu, es nur aufgrund des schönen Covers ausgewählt zu haben, und so sei sie, die es überhaupt nicht blutig mag, zu ihrem ersten Krimi gekommen. „Spannend, skurril und nicht allzu blutig“sei „Lost in Fuseta“von Gil Ribeiro. Danach, so Andrea Korb, wolle man sofort nach Portugal reisen.

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Foto: Thorsten Jordan Sommerlese­spaß – auch im Garten?

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