Landsberger Tagblatt

Ein Stimmphäno­men und Bühnentier

Um Diana Damrau aus Günzburg reißen sich Intendante­n, Dirigenten, Musikfreun­de. Bald singt sie in Augsburg. Wie ihre sensatione­lle Laufbahn weitergeht…

- VON RÜDIGER HEINZE Augsburg

Es ist ja nicht so, dass diese Sängerin unterbesch­äftigt wäre. Nicht auf den Opern- und Konzertbüh­nen in Ost und West, und auch nicht familiär mit ihren zwei kleinen Buben.

Und dann kommt auch noch zwischenre­in ein Anruf der Staatsoper München. Ob sie nicht einspringe­n könne, kurzfristi­g, in „La Traviata“als Violetta Valery. Hat sie doch eh drauf, schon länger. Und bei den bald beginnende­n Münchner Opernfests­pielen singt sie das tuberkulös­e Mädchen dann ja auch.

Und Diana Damrau springt ein. Und mit ihr springt noch einer: Placido Domingo. Und so kam am Dienstagab­end – außerhalb der Festspiele – eine festspielw­ürdige „Traviata“-Aufführung in München zustande, bei der sich das Publikum die Augen rieb und die Ohren spitzte, weil es sich unverhofft und unversehen­s zwei Stars der Oper gegenübers­ah. Hernach: Standing Ovations, klar. Und am heutigen Donnerstag: Wiederholu­ng.

Ja, die Damrau. Über fehlende Begeisteru­ng, Zuneigung, ja Liebe seitens des Publikums, seitens der Kritik, seitens Intendante­n und Dirigenten kann sie gewiss nicht klagen. Da ist schon mehr, viel mehr. Soeben hat sie eine starke Giacomo-Meyerbeer-CD herausgebr­acht und mal wieder einen Volltreffe­r gelandet. Ihre Leichtigke­it, Farbenfüll­e von Wohllaut zu verströmen, macht ihr derzeit kaum eine andere nach. Das Günzburger Kind, geboren 1971, singt sozusagen auf dem Parnass.

Davon werden sich am 9. Juli auch ihre schwäbisch­en Anhänger und Landsleute überzeugen können, wenn sie als Stimmphäno­men und Bühnentier einen (ausverkauf­ten) Konzertabe­nd in der Augsburger Kongressha­lle gibt. Bei der Benefiz-Veranstalt­ung für die Eva Luise und Horst Köhler Stiftung zugunsten von Menschen mit seltenen Erkrankung­en singt sie mit ihrem Ehemann, dem Bassbarito­n Nicolas Testé, unter anderem Arien aus Opern von Massenet, Meyerbeer, Ponchielli, Bellini und Verdi.

Wer Gelegenhei­t erhält, mit Diana Damrau zu sprechen, der ist immer wieder verblüfft, wie bodenständ­ig, wie natürlich, wie normal sie auch die banalen Dinge des Le- unverbrämt beim Namen nennt – und bei allem selbstvers­tändlichen künstleris­chen Selbstbewu­sstsein so gar nicht auf Distinktio­n setzt. Vielmehr auf Selbstiron­ie. Wunderbar, wie sie vor Jahren, nach der Geburt ihres zweiten Sohnes, erklärte, dass sie körperlich noch nicht wieder in Bestform ist. Und wunderbar, wie sie 2015 auf die Frage, ob sie gerne DD sei, trocken antwortete: „Ja. Man muss halt das Beste draus machen.“

Diana Damrau hat in der Tat das Beste aus sich gemacht. Mit hoher Zielstrebi­gkeit, Disziplin, Fleiß – und unter gesundheit­lichen Rückschläg­en. Heute weiß sie, die regelmäßig an der Metropolit­an Opera New York und an der Mailänder Scala als erste Sängerin gastiert, genau, welchen irrsinnige­n berufliben­s chen Belastunge­n sie ausgesetzt bleibt: „Die Versagensa­ngst ist immer dabei!“Wie ein Spitzenspo­rtler hat sie – nicht selten unter laufender Kamera – Höchstleis­tungen auf die Zehntelsek­unde genau zu erbringen. Immerhin, auch das schimmert im Gespräch immer wieder durch, besitzt die Damrau starke Nerven und große Zuversicht.

In Günzburg ist sie groß geworden. Hat früh den Wunsch gehabt, aufzutrete­n und zu singen. Hat Gesangsunt­erricht bei Carmen Hanganu genommen und ihr Abi gebaut. Fragt man sie heute, wer – neben den Eltern und Carmen Hanganu – für ihre Entwicklun­g besonders wichtig gewesen sei in Günzburg, erklärt sie am Telefon wie aus der Pistole geschossen: Stadt und Musikschul­e, von denen sie im Rahmen der Begabtenfö­rderung zusätzlich­en kostenlose­n Unterricht erhalten habe.

Folgten das Musikstudi­um in Würzburg und am Mainfranke­nTheater das Bühnendebü­t als Eliza in „My fair Lady“. Dann ging alles rasend schnell für den lyrischen und hohen Koloraturs­opran: Festengage­ments an den großen Häusern Mannheim und Frankfurt, schließlic­h Solistenka­rriere. Als Königin der Nacht im doppelten Sinn brillierte sie in den Millionen-Metropolen (sowie mit weiteren anspruchsv­ollen Mozart-Partien), auch kamen Belcanto, das französisc­he Repertoire und virtuose Richard-StraussPar­tien dazu. Wer erlebt hat, wie sie 2008 als Münchner Zerbinetta die Männer auf der Bühne und das Publikum um den kleinen Finger wickelte, wird diese Sternstund­e an Stimm-Virtuositä­t und quirliger Spielpräse­nz kaum vergessen.

Und es wird weitergehe­n: Nach der Geburt ihrer Söhne, mit denen sie auf Jahre durch die Welt tourte, wurde ihre Stimme farbenreic­her, tragender, reifer. Noch kann sie Mädchenrol­len beglaubige­n, aber schon steuert sie vehement auf die Rollen von Frauen zu, die bereits etwas durchgemac­ht haben: Ihre nächsten Operndebüt­s sind in der kommenden Spielzeit Marguerite in Gounods „Faust“(Berlin) sowie Donizettis „Maria Stuarda“, die ja bekanntlic­h unter dem Schafott endet (Zürich). Und gesprächsw­eise hat Diana Damrau auch angedeutet, dass sie weiter mit Kirill Petrenko arbeiten wird, wenn dieser 2018 bei den Berliner Philharmon­ikern als Chef antritt. Gute Adresse.

Doch jetzt erst einmal: Auftritt in Augsburg.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Wo ihr regelmäßig die Herzen der Zuhörer entgegensc­hlagen: Diana Damrau im Zu schauerrau­m der Metropolit­an Opera New York.
Foto: Ulrich Wagner Wo ihr regelmäßig die Herzen der Zuhörer entgegensc­hlagen: Diana Damrau im Zu schauerrau­m der Metropolit­an Opera New York.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany