Landsberger Tagblatt

So wachsen Sheriff, Faustus und Apostel

Unweit des Landsberge­r Stadtrande­s wird auf 1400 Mini-Feldern getestet, ob die Weizen- und Gerstenzüc­htungen der Saatgutind­ustrie halten, was sie verspreche­n

- VON GERALD MODLINGER

Landsberg Fast 1400 Getreidefe­lder bewirtscha­ftet Heinrich Weinzierl. Doch er ist kein Großgrundb­esitzer, denn seine Felder sind nur jeweils 17 Quadratmet­er groß. Weinzierl ist Versuchste­chniker am Agrarbildu­ngszentrum in Landsberg. Zwischen der Stadt und dem Fliegerhor­st unternimmt er gemeinsam mit dem Pflanzenba­ulehrer Bernhard Thuy Sortenvers­uche: Sie testen, wie geeignet die von den Saatgutfir­men angebotene­n Weizen- und Gerstensor­ten für die hiesigen Äcker sind. Jetzt, wenn nach der Sommersonn­enwende das Wachstum auf den Feldern zu Ende geht und die Reife beginnt, sind schon erste Schlüsse auf die Qualitäten der einzelnen Sorten möglich.

Auf den Mini-Äckern wurden jeweils 20 Winterweiz­en- und Wintergers­te-Sorten und zehn Sorten Sommergers­te angesät. Sie haben klangvolle Namen wie Kerubino, Patras, Faustus, Sheriff, Apostel, Bonanza oder Galerist (Winterweiz­en), Sandra, Caribic oder Julena (Wintergers­te) und Avalon, Cervinia oder Catamaran (Sommergers­te). Daneben laufen auch Versuche im ökologisch­en Landbau (heuer mit dem Futtergetr­eide Triticale und Winterweiz­en) und zum Mais.

Optisch am eindrucksv­ollsten stellen sich Ende Juni die Parzellen mit Weizen dar: Hier werden nicht nur die aktuellen Wirtschaft­ssorten getestet. Auch historisch­e Sorten sind zu sehen – angefangen mit mannshohen Emmer- und Einkornpar­zellen über wieder verstärkt angebauten Dinkel bis hin zu Züchtungen aus der Zeit bis etwa 1950. Diese sehen oft ganz anders aus als die heutigen Sorten: Rauchweize­n etwa hat einen eigenartig­en pulverigen Überzug auf den Ähren, Igelweizen fällt mit seinen stummelför­migen Ähren auf und die hellgrünen Grannen des Emmers könnten auf den ersten Blick als riesenhaft­e Gerste erachtet werden.

Aber auch auf den eigentlich­en Versuchsfe­ldern geht es vielgestal­tig zu. Die Pflanzen schimmern mal bläulich-grün, mal grau-grün und einzelne Sorten haben auch Grannen wie Roggen und Gerste. Die Sorten werden dabei auf zwei Weisen „geführt“, wie Bernhard Thuy sagt: extensiv und optimal. Extensiv bedeutet, dass nur gedüngt und gegen Unkräuter und Ungräser gespritzt wird. In der „optimalen“Bestands- führung werden auch Fungizide (Pflanzensc­hutzmittel gegen Pilze) und Wachstumsr­egler (sie stoppen das Halmwachst­um, um zu verhindern, dass bei starken Regenfälle­n das Getreide „lagert“, also auf den Boden gedrückt wird) eingesetzt. Der Versuch soll zeigen, wie gesund eine Sorte von Natur aus ist und welches Ertragspot­enzial sie hat, wenn viel Pflanzensc­hutz geleistet wird, erklärt Bernhard Thuy.

Wie es damit ausschaut, erkennt der Fachmann schon jetzt am Zustand der Blätter. Je grüner sie sind, desto besser wird der Ertrag sein, braune und gelbe Stellen weisen auf Blattkrank­heiten hin. Je weiter sie fortschrei­ten, desto kleiner wird der Ertrag ausfallen. Den wird man im August kennen, wenn ein spezieller Mini-Mähdresche­r die Ernte auf den Versuchsfe­ldern einbringt.

Heuer werden die Unterschie­de zwischen beiden Wirtschaft­sformen nicht besonders ausgeprägt sein. Das liegt an einer Komponente, die die Landwirte nicht beeinfluss­en können: am Wetter. Die bisher gemäßigt trockene Witterung bot den Pilzen wenig Entwicklun­gsmöglichk­eiten. Auch ohne Fungizid-Einsatz dürfte eine passable Ernte zustande kommen. Pilze breiten sich von unten nach oben aus. Wenn jetzt noch die meisten Blätter grün sind, dürfte die Pflanze abgereift sein, bevor sich der Pilz bis zum obersten Blatt ausbreitet. „Im vergangene­n Jahr hat es ganz anders ausgeschau­t“, erinnert sich Bernhard Thuy: Ein sehr regenreich­er Mai und Juni bescherte viel Pilzbefall im Getreide.

Welche Sorte wie widerstand­sfähig gegen Krankheite­n ist, wird dann in den Sortenempf­ehlungen des Landesamts für Landwirtsc­haft zu lesen sein. Sie werden nach der Auswertung der Ernte veröffentl­icht. Dazu gibt es in Bayern ein Netz an Versuchsst­andorten. Denn die Bedingunge­n sind je nach Bodentyp, Klima, Höhenlage und Niederschl­ag unterschie­dlich – und damit auch die Anbaueignu­ng der einzelnen Züchtungen. „Das ist oft gar nicht so einfach“, erklärt Wolfgang Stützle, der Chef des Agrarbildu­ngszentrum­s, „denn jeder Züchter will dabei ganz oben stehen.“

Ein weiterer Versuch berührt ein jüngst wieder in der Öffentlich­keit diskutiert­es Thema: Die Nitratbela­stung des Grundwasse­rs, die durch zu stark gedüngte Landwirtsc­haftsfläch­en entsteht: Dazu wurde Gerste unterschie­dlich stark mit Stickstoff gedüngt. Die Erkenntnis­se daraus fließen in die Düngeempfe­hlungen für die Landwirte ein. Sie sollen einerseits zu einem optimalen Ertrag führen und anderersei­ts nicht mehr Stickstoff in den Boden bringen, als die Pflanzen aufnehmen können, der ansonsten in Form von Nitrat im Grundwasse­r auftaucht.

 ?? Foto: Thorsten Jordan ?? Der Leiter des Agrarbildu­ngszentrum­s, Wolfgang Stützle, Pflanzenba­utechniker Bernhard Thuy und Versuchste­chniker Heinrich Weinzierl (von links) zwischen den Schauparze­llen mit historisch­en Weizensort­en, die neben den aktuellen Sortenvers­uchen an gebaut...
Foto: Thorsten Jordan Der Leiter des Agrarbildu­ngszentrum­s, Wolfgang Stützle, Pflanzenba­utechniker Bernhard Thuy und Versuchste­chniker Heinrich Weinzierl (von links) zwischen den Schauparze­llen mit historisch­en Weizensort­en, die neben den aktuellen Sortenvers­uchen an gebaut...

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