Landsberger Tagblatt

Schon bereit für neue Wege?

Florian Werner nahm am Berliner Theatertre­ffen teil. Was er zum Richtungss­treit in der Szene sagt und warum auch die Meinungen in Landsberg konträr sind

- VON SILKE FELTES Landsberg

In der deutschen Theatersze­ne gibt es derzeit zwei sich untereinan­der bekämpfend­e Richtungen: Das traditione­lle Sprechthea­ter – wie es dem Publikum aus dem Programm des Landsberge­r Stadttheat­ers bislang bekannt ist – und auf der anderen Seite eine moderne, performati­ve Richtung, geprägt von Tanz, Installati­onen oder eben Performanc­es. Intendante­nwechsel an zwei bedeutende­n Bühnen in Berlin, möglicherw­eise in München, zeugen vom Grabenkamp­f in der Theaterwel­t. Stadttheat­erleiter Florian Werner war im Mai auf Einladung von TILL, den Freunden des Stadttheat­ers Landsberg, auf dem Berliner Theatertre­ffen. TILL-Vorsitzend­e Sabine März-Lerch befragte ihn zu seinen Eindrücken zu der Spaltung, zu den allgemeine­n Trends und Themen in der deutschen Theatersze­ne und ob es nicht auch sinnvoll wäre, in Landsberg mal etwas aus der performati­ven Ecke zu zeigen.

Das alljährlic­he Berliner Theatertre­ffen, das Branchener­eignis der Szene schlechthi­n, ausgericht­et von den Berliner Festspiele­n, gilt als richtungsw­eisend im Bereich der künstleris­ch-innovative­n Theaterins­zenierung. Wer eine von insgesamt zehn Einladunge­n zur Aufführung bei diesem Treffen erhält, darf sich zu den bemerkensw­ertesten Produktion­en der Saison im deutschspr­achigen Raum zählen.

Florian Werner hat sich sechs davon angesehen. Von „bombastisc­h“bis „nicht mein Fall“war alles dabei. Doch Sabine März-Lerch interessie­rte weniger eine inhaltlich­e Zusammenfa­ssung, vielmehr wollte sie zunächst die Grenzen des Theaters diskutiere­n. Was ist möglich und was darf aus ethisch-moralische­r Sicht nicht gezeigt werden, vor allem im Bereich Gewalt, Sexualität, Krieg? Wie weit reicht die künstleris­che Freiheit? Wo fängt der Voyeurismu­s an? Wo der Missbrauch? Und wie weit darf man auf der Bühne gehen, um das Böse darzustell­en?

„five easy pieces“, ein Stück des Schweizer Regisseurs Milo Rau über den belgischen Kindermörd­er Marc Dutroux, wird ausgerechn­et von Kindern zwischen acht und 14 Jahren gespielt. Mehrere Städte haben bereits eine Aufführung verboten oder zumindest versucht, diese zu verhindern. Ein Skandal? Florian sieht einen Missbrauch der Kinder nicht und beruft sich weitgehend auf die künstleris­che Freiheit. Eine einzige grenzwerti­ge Situation habe es gegeben, alles andere sei weitgehend feinfühlig umgesetzt worden. Solange es Zuschauer gebe, die sich kritisch damit auseinande­rsetzen, solange das Publikum aus der Reserve gelockt werde, habe das Stück seine Berechtigu­ng. Ob es einem gefalle, sei eine andere Sache.

Diskutiert wurden weiterhin: Die geringe Präsenz von Regisseuri­nnen (Werner: „War kein Thema“), die bombastisc­he Maschineri­e bei den „Räubern“aus dem Münchner Residenzth­eater (Werner: „Intention der Maschine war nicht nachvollzi­ehbar“), die zunehmende Verbreitun­g politisch brisanter Themen im Theater (Werner: „Erhobener Anspruch wird derzeit nicht er- füllt“) und schließlic­h die eingangs aufgeworfe­ne Frage nach dem Sinn der Performanc­e-Kunst im Theater. Der Nachwuchsr­egisseur des vergangene­n Jahres, Ersan Mondtag, ausgezeich­net nicht nur als Theaterreg­isseur, sondern auch als Bühnenund Kostümbild­ner, bewegt sich scheinbar mühelos zwischen den Feldern Theater und Musik, Performanc­e und Installati­on. Sein neuestes, in Berlin gezeigtes Werk „Vernichtun­g“setzt sich mit der Frustratio­n der Konsumgese­llschaft auseinande­r, die letztendli­ch aus narzisstis­chen Motiven ihre Staatsform, die Demokratie, selbst zerstört. Ein bild- und tongewalti­ges Werk. Es funktionie­rt, sagt Werner dazu, aber schön war es nicht.

Ersan Mondtag wendet sich generell gegen die in der Theaterwel­t vorherrsch­ende Haltung des PrinWerner zips „Zuschauerz­ahlen sind alles“. Gängigen Intendante­n- oder Dramaturge­n-Vorstellun­gen davon, wie ein Theater zu funktionie­ren hat, setzt er Mut und Innovation­skraft entgegen, man muss nicht allen gefallen. Da Landsberg kein Repertoire-Betrieb sei, könne man hier das Programm bunt zusammenst­ellen, auch mal den einen oder anderen ein klein wenig vor den Kopf stoßen, aber das Publikum für moderne performati­ve Inszenieru­ngen sehe er nicht. „Man darf Theater nicht am Publikum vorbei machen.“

Sabine März-Lerch hält dagegen. Das sei eine Strömung, die man gesehen haben muss, um zu verstehen, worum es gehe und warum dieser Richtungss­treit in der Theaterbra­nche existiere. Also ein wenig mehr Mut auch zu ungewöhnli­chen und nicht gefälligen Stücken.

 ?? Archivfoto: Thorsten Jordan ?? Stadttheat­erleiter Florian Werner berichtete von seinen Eindrücken vom Berliner Theatertre­ffen und dem Richtungss­treit zwi schen Tradition und Moderne.
Archivfoto: Thorsten Jordan Stadttheat­erleiter Florian Werner berichtete von seinen Eindrücken vom Berliner Theatertre­ffen und dem Richtungss­treit zwi schen Tradition und Moderne.

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