Wie würden sie entscheiden?
Die Interpretation des Grundgesetzes ist dem steten gesellschaftlichen Wandel unterworfen, sagen Staatsrechtler. Das gilt mit Sicherheit auch für das Bundesverfassungsgericht. Was das für die sogenannte „Ehe für alle“bedeutet
Der Einwand von HansJürgen Papier ist in diesem Fall zunächst einer von vielen Meinungsbeiträgen. Noch vor der Entscheidung des Bundestags am vergangenen Freitag, auch Homosexuellen die Ehe (landläufig „Ehe für alle“genannt) zu erlauben, sagt der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts: „Wenn man die Ehe öffnen will, muss man das Grundgesetz ändern. Das kann der einfache Gesetzgeber nicht machen.“Ist der Bundestagsbeschluss also ein Fall für die Karlsruher Richter und könnte das Gesetz noch an den Juristen scheitern?
Namhafte Staatsrechtler machen sich nun Gedanken über die einschlägigen Artikel des Grundgesetzes und debattieren, wie das Bundesverfassungsgericht wohl im Fall der Fälle entscheiden würde. Der Frankfurter Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie, Uwe Volkmann, ist einer von ihnen. Er erklärt im Internet auf
dass unsere Verfassung „keineswegs als Schrein ewiger Wahrheiten“zu verstehen sei. Was er damit meint: Jegliche Interpretation sei nicht zwangsläufig dem „ursprünglichen Willen des Verfassungsgebers“unterworfen und Abweichung nur dort zulässig, wo gleichsam die Ermächtigung dazu erteilt wurde.
Nehmen wir den einschlägigen Artikel 6 des Grundgesetzes. Dort steht: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“Volkmann bringt zunächst etwas provozierend die Erwägung ins Spiel, dass die Väter des Grundgesetzes mit dieser Formulierung die Ehe für alle in der Tendenz schon 1949 freigegeben hätten, es sei „bislang nur noch nie-
verfassungsblog.de,
mandem aufgefallen“. Der Leipziger Rechtsprofessor Hubertus Gersdorf schrieb am Montag in der
einem Expertenforum im Internet, dem Wortlaut lasse sich nicht entnehmen, „dass mit Ehe im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG nur die Lebensgemeinschaft von Mann und Frau gemeint ist“.
Das Ehegrundrecht, so erklärt es Jurist Gersdorf weiter, sei normgeprägt. Im Gegensatz zu natürlichen Freiheiten gebe es die „Ehe im Naturzustand“nicht. Sie sei vielmehr ein Rechtsinstitut, das erst vom Gesetzgeber geschaffen und ausgestal-
beckcommunity,
tet werden müsse. Und das könnte jetzt entscheidend sein: Im Rahmen der Ausgestaltung, erklärt Gersdorf, sei der Gesetzgeber „nicht an die Werte und Moralvorstellungen gebunden, die in der Geburtsstunde des Grundgesetzes herrschten“. Er spricht von einem dynamischen und entwicklungsoffenen Auftrag an die staatlichen Organe. Was heißt, dass sie auch offen sein dürfen für Veränderungen der gesellschaftlichen Anschauungen und Werte.
Gersdorf nennt ein Beispiel: Früher wurde die Strafbarkeit von Homosexualität für zulässig erachtet, heute sieht man hierin einen Verstoß gegen die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes. „Dies hat nichts mit einem Verfassungswandel, sondern mit der Offenheit der Verfassung für gesellschaftlichen Wandel zu tun, auf den der Gesetzgeber reagieren darf“, erklärt der Experte. Die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare sei Ausdruck dieses Regelungsspielraums.
Aber Ehe und Familie stehen doch unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes und sie werden dort in einem Atemzug genannt? Professor Gersdorf wendet ein: „Die Ehe ist keine Vorstufe der Familie.“Ihr Wesensmerkmal sei ausdrücklich nicht die tatsächliche oder potenzielle Fähigkeit zur Fortpflanzung. Ansonsten dürften ja beispielsweise auch nicht hoch betagte Paare heiraten. Ehe und Familie seien zwei verschiedene, voneinander entkoppelte Institute. Gersdorf verweist auch auf die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts: Der zufolge bilden auch „nicht verheiratete Paare mit Kind, Alleinerziehende mit Kind und gleichgeschlechtliche Paare mit (Adoptiv- oder Stief-) Kind“eine Familie.
Professor Volkmann sagt: „Dass die Ehe für alle irgendwann vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern wird, kann man sich nur schwer vorstellen. Zumal Karlsruhe sich als „aktiver Motor“der Annäherung der Lebenspartnerschaft an die Ehe betätigt habe.
Sein Leipziger Kollege Gersdorf ist der festen Überzeugung, dass die
Den Vorgaben von 1949 nicht unbedingt unterworfen Ehe hat nicht nur mit Fortpflanzung zu tun
Einführung der Ehe für alle mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Karlsruher Richter hätten den Verfassungsbegriff der Ehe „bislang nicht exklusiv als Verbindung von Mann und Frau gedeutet“. Bleibt noch die Einschätzung über den für eine etwaige Entscheidung zuständigen Senat des Verfassungsgerichts. Volkmann ist sich sicher, dass man der großen Mehrheit „ohne Weiteres eine große Sympathie für das gesellschaftliche Anliegen unterstellen“kann. Und die Gegenmeinung von Hans-Jürgen Papier? Der sei schließlich nicht mehr dabei und schon 2002 bei der Entscheidung über das Lebenspartnerschaftsgesetz – Vorläufer der Ehe für alle – in der Minderheit gewesen, sagt Volkmann. Damals betonte Papier in einem Sondervotum, dass die Lebenspartnerschaft nicht mit der Ehe gleichgestellt werden könne. wandte er sich an Juncker: „Sie können das Parlament kritisieren, aber es ist nicht die Kommission, die das Parlament kontrolliert.“Es sei genau umgekehrt. Doch Juncker redete sich in Rage. Mehrmals gestikulierte er so wild, dass er das Mikrofon traf. Er blieb dabei, die Volksvertretung sei lächerlich, während er dem maltesischen Premier Tribut für die getane Arbeit zollte. Diesmal unterbrach ihn Tajani – mit der Aufforderung, Juncker möge sich im Ton mäßigen. „Wir sind nicht lächerlich“, schimpfte der Italiener, der wie der Kommissionspräsident der christdemokratischen EVP-Parteienfamilie angehört.
Juncker kündigte beleidigt an, „nie wieder an einer Zusammenkunft dieser Art“teilzunehmen. Einmal mehr an die wenigen Abgeordneten gewandt forderte er, dass diese auch den Ratsvorsitz der kleineren Länder zu respektieren hätten. Seine Rede hielt er nicht.
Der Grünen–Abgeordnete Sven Giegold, dessen Fraktion als einzige mit der Vorsitzenden Ska Keller anwesend war, forderte von Juncker eine Entschuldigung. Er habe „als Kommissionspräsident die Pflicht, dem Parlament zu berichten, seine Weigerung war selbstgerecht und arrogant“, so der Grüne. In einem Punkt aber gab er dem Wutausbruch recht. „Wenn Regierungschefs kleinerer EU-Länder im Plenum sprechen, stößt das auf weniger Interesse als bei Reden von Merkel oder Macron“, gab er zu.