Einmal quer durch die Republik
Am 16. Juli startet nach sieben Jahren wieder der Deutschlandlauf. In 19 Tagen legen die Teilnehmer über 1300 Kilometer zurück. Auch der Reichlinger Konrad Vogl ist dabei
Marathons sind normalerweise eine Herausforderung für Ausdauersportler, sie erfordern jede Menge Vorbereitung und eine gehörige Portion Disziplin – ihm sind sie jedoch mittlerweile „zu langweilig“. Konrad Vogl, Ultraläufer aus Reichling, fängt mit den 42,195 Kilometern gar nicht erst an. Vor Kurzem wurde er deutscher Mannschaftsmeister über 100 Kilometer, und in ein paar Tagen steht noch eine weitere, besondere Herausforderung für ihn an: Er wird zusammen mit 65 anderen Läufern am 16. Juli am Deutschlandlauf teilnehmen, der auf Sylt startet und am Gletscher der Zugspitze endet.
Bei diesem Lauf werden die Teilnehmer in 19 aufeinanderfolgenden Tagesetappen Deutschland einmal von Nord nach Süd durchqueren. Die Strecke führt die Teilnehmer allerdings nicht auf dem geraden Weg durch Deutschland, sondern macht einen Schlenker durch NordrheinWestfalen. Insgesamt legen die Läufer dabei 1321 Kilometer zurück. „Es werden Tagesetappen von bis zu 90 Kilometern pro Tag sein“, sagt Konrad Vogl, „das ist hart! Leichter laufe ich einmalig 200 Kilometer am Stück, als jeden Tag von Neuem 80 oder 90 Kilometern die Stirn bieten zu müssen“. Nicht umsonst zähle der Deutschlandlauf zu den zehn härtesten Rennen der Welt, weiß der Reichlinger Extremsportler, denn: „Aus mehr als Laufen, Essen und Schlafen besteht der Tag nicht, und bei Erkrankung oder Verletzung ist man sofort raus“– egal, ob in der Mitte des Ultralaufs oder 30 Kilometer vor dem Ziel.
„Ich habe immer schon Laufsport gemacht“, erzählt der 55-Jährige, der im vergangenen Jahr etwa 15 Paar Laufschuhe verbraucht hat. „Deutsche Meisterschaften laufe ich erst seit den letzten fünf oder sechs Jahren.“Aus Rücksicht auf seine Familie stellte der ImmobilienKaufmann sein Hobby zunächst zurück – auch der Aufbau seiner eigenen Firma hatte Vorrang. „Erst wenn alles steht, wollte ich anfangen, profimäßig zu laufen“, blickt er zurück. Inzwischen stehe er „normalerweise so um vier Uhr morgens auf, laufe bis sechs und setze mich nach einer kurzen Dusche an den Schreibtisch“, schildert Vogl sein Tagesprogramm. „Abends laufe ich noch einmal das gleiche Pensum, sodass ich eben auf meine Kilometer komme.“Zwischen 27 und 40 Kilometer läuft der Reichlinger pro Tag. Durch Krafttraining halte er sich zusätzlich fit. Bei einer solch hohen körperlichen Belastung sei vor allem auf die Rückenmuskulatur zu achten. „Innere Selbstheilung hilft mir bei meiner mentalen Vorbereitung. Ich muss dabei lernen, dass ich erst oben an der Zugspitze aufhören darf zu laufen, dass ich weiter laufen muss, auch wenn mein Körper nach Ruhe verlangt.“Eine zusätzliche Herausforderung sei beim Deutschlandlauf der psychische Nervenkitzel, denn Privatsphäre gebe es wenig, weder in den gemeinschaftlichen Schlafhallen, noch in den sanitären Anlagen. „Viele Athleten brechen deshalb ab“, sagt der Ultraläufer.
Einen Zettel mit Richtungspfeilen für die Navigation bekommen die Läufer zu Beginn des Rennens ausgehändigt. Orientierung und Verpflegung müssen selbstständig geplant werden. „Man muss permanent Entscheidungen treffen und ist dabei auf sich alleine gestellt“, berichtet Konrad Vogl. „Nehme ich die Regenjacke mit, obwohl sie eine zusätzliche Belastung für meinen Rucksack bedeutet? Auf welcher Hütte esse ich am besten und am schnellsten?“Die Fragen ließen die Läufer nicht los, hinzu komme der Zeitdruck. „Es ist nicht einfach. Psychisch muss man stark sein.“Auch Vogl müsse sich manchmal zum Training zwingen, doch Motivation und Ehrgeiz blieben. „Hat man sich angemeldet, gibt man Gas und zieht die Sache durch.“Denn nur die 60 besten internationalen Läufer und Läuferinnen der EU werden für den Deutschlandlauf zugelassen. „Bewerben kann man sich immer“, sagt Vogl, der Veranstalter suche dann nach bestimmten Auswahlkriterien, beispielsweise die erzielten Weltranglistenpunkte, die besten Läufer aus. „Ich bin sonst definitiv faul“, erzählt Vogl und lacht. „Beim Sport jedoch gebe ich Gas, bis ich mein Ziel erreicht habe. Die Vorfreude auf diesen Moment, wenn man ins Ziel läuft, ist einfach zu groß.“Dennoch berge diese Freude auch eine Gefahr: Man müsse aufpassen, nach einem erfolgreichen Rennen nicht in ein „Loch“der Müdigkeit und Leere zu fallen. „Es muss so schnell wie möglich wieder bergauf gehen.“
Laufen müssen die Ultraläufer nicht nur bis zum Berggipfel der Zugspitze, sondern bis zum Gletscher. Erst hier endet die Wertung und die Zeit wird gestoppt. „Mal ist es kalt, mal hat man Hunger und die nächste Verpflegung ist drei Kilometer entfernt – aber Jammern ist nicht drin“, sagt der Reichlinger. Nur eines sollte helfen: Die Vorfreude auf den Zieldurchlauf nach 19 Tagen und 1321 Kilometern.
„Sonst bin ich relativ faul – nur beim Sport gebe ich Gas.“