Debatte um einen problematischen Künstler Einheimisch ist nur ein Maßstab
Soll Schondorf weiter eine Pfitznerstraße haben, deren namengebender Komponist mit den Ideen des Nationalsozialismus sympathisierte? Neue Richtlinien für Bauplatzvergabe
Schondorf Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch in Schondorf der Name der Pfitznerstraße hinterfragt werden würde. Denn der Namensgeber Hans Pfitzner (18691949) lebte nicht nur von 1919 bis 1929 in eben dieser später nach ihm benannten Straße in Unterschondorf. Pfitzner sympathisierte auch mit Ideologie und Politik des Nationalsozialismus. Wie weit diese Zustimmung ging, ist umstritten. Das wurde jetzt auch bei einer Podiumsdiskussion über Hans Pfitzner deutlich, zu der Rainer Jünger im Rahmen der Kreiskulturtage ins Landheim eingeladen hatte.
Die Frage, ob eine Straßenbenennung und das 1999 errichtete Denkmal in der Seeanlage als angemessen betrachtet werden können, wurde im vergangenen Jahr von dem Schondorfer Blogger Leopold Ploner thematisiert. Auch im Gemeinderat wurde darüber in nichtöffentlicher Sitzung gesprochen – auch vor dem Hintergrund, dass das Denkmal inzwischen dringend saniert werden müsste – sofern man Pfitzner überhaupt noch als denkmalwürdig ansehen möchte.
Zu einer übereinstimmenden Bewertung der Weltanschauung Hans Pfitzners kamen die vier Diskutanten – Professor Dr. Johann Peter Vogel von der Pfitzner-Gesellschaft, Dr. Andreas Heusler vom Münchner Stadtarchiv, der Kunsthistoriker Dr. Thomas Raff und der Landtagsabgeordnete und studierte Historiker Alex Dorow – zwar nicht. Was den Umgang mit Straßenname und Denkmal betrifft, herrschte dann aber doch Konsens darüber, dass eine Umbenennung der Straße als Verdrängung zu verstehen wäre, und das, so Thomas Raff, „ist auch nicht die richtige Lösung“.
Zu Beginn der Debatte hatte der Münchner Stadtarchivar Andreas Heusler einen hohen Anspruch erhoben, was die Benennung von Straßen nach Personen betrifft: Deren Vorbildcharakter müsse sich nicht auf besondere Leistungen etwa in der Kunst und Musik beziehen, sondern „auf ihre gesamte Persönlichkeit“. Und Pfitzner scheint dabei nicht über jeden Zweifel erhaben. Insbesondere aus einer in Pfitzners Nachlass gefundenen Glosse über den Zweiten Weltkrieg spreche ein Unbelehrbarer, der an dem mörderischen Denken der NS-Ideologie festgehalten habe. In der Schrift bezeichnete er Hitler als „Kammerjäger“, der „zum Vertilgen einer bestimmten Insektensorte angefordert“worden war, der aber an seinem Proletentum gescheitert sei.
Dem Eindruck, dass Pfitzner Nationalsozialist und Antisemit gewesen sei, widersprach jedoch der Pfitzner-Biograf Johann Peter Vogel: Der von ihm verwandte Begriff des „Weltjudentums“sei als Synonym für den „Bolschewismus“zu verstehen oder auch als destruktive und internationalistische Weltanschauung, die sich gegen die deutsche Nation richten würde, ein Eindruck, der sich insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg bei Pfitzner verfestigt habe.
Im Übrigen, so Vogel, müsste bei der Frage, wer eines Straßennamens würdig sei, auch zwischen der Person und ihrem künstlerischen Handeln differenziert werden. So sei auch der Komponist Frederic Chopin ein „flammender Antisemit“gewesen, „doch sein Werk steht so im Vordergrund, dass seine Persönlichkeit völlig hinten runterfällt“.
Verwundert über die Diskussion zeigte sich am Ende der Veranstaltung Marianne Wegener. Die Eltern ihres Mannes hatten 1929 das Haus Pfitzners in Unterschondorf gekauft. Sie sagte, ein Problem mit dem Straßennamen hätten ihrer Einschätzung nach nur Leute, „die nicht in dieser Straße wohnen“.
Dafür, dass es an dem Abend im Landheim nicht nur um die politische Gesinnung Hans Pfitzners ging, sorgte die Pianistin Nino Gurevic. Sie spielte drei Teile aus Pfitzners 1941 komponierten Klavierstücken Opus 47. Deren Bezeichnungen „Letztes Aufbäumen – Ausgelassenheit – Hieroglyphe – Zerrissenheit – Melodie“können auch als Hinweis auf Pitzners schwierigen Charakter verstanden werden. Er sei ein „Nonkonformist“gewesen, der gegenüber anderen einen „fast schon soziopathischen Umgang“pflegte, wie es auf dem Podium hieß.
Der Finninger Gemeinderat hat in seiner jüngsten Sitzung einen Kriterienkatalog für ein Einheimischenmodell diskutiert, der mit der neuen EU-Richtlinie konform gehen soll. Die Hälfte der möglichen Punkte könne für Ortsansässigkeit vergeben werden, erläuterte Verwaltungschefin Ulrike Lang. Hier zählen maximal fünf Jahre Ortsansässigkeit, sagte sie. Festgelegt werden Einkommens- und Vermögensgrenzen, für deren Unterschreitung Punkte vergeben werden können. Dazu können Punkte für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige, die in der Gemeinde wohnen, kommen. Auch ein Ehrenamt könne berücksichtigt werden. Auf diese Weise könnten auch kinderlose junge Einheimische oder junge einheimische Familien berücksichtigt werden, die noch keine fünf Jahre im Ort lebten.
Das von Lang angesetzte Jahreseinkommen von 51 000 Euro eines Bewerbers beziehungsweise das Doppelte für Ehepaare als statistisches Durchschnittseinkommen erschien einigen Gemeinderatsmitgliedern als zu hoch. Dies soll noch mal geprüft werden. Bürgermeister Siegfried Weißenbach berichtete, dass er 22 Anmeldungen von Bürgern für einen vergünstigten Bauplatz habe, aber auch für Grundstücke auf dem normalen Markt gebe es einige Bewerber aus dem Ort. Über die Kriterien entschieden wurde in der Sitzung noch nicht.