Landsberger Tagblatt

Auch die Königstoch­ter Europa musste neu anfangen

Michael Skasa beschäftig­t sich im Malura Museum mit Heimat und der Geschichte der Menschheit

- VON HERTHA GRABMAIER Oberdießen

Heimat, kaum ein anderes Thema außer der Liebe beschäftig­e die Menschen so sehr, sagte Michael Skasa, Ex-Kulturmode­rator der Sonntagsbe­ilage in Bayern 2 Radio, als er die Zuhörer im Malura Museum mitnahm auf eine fesselnde Zeitreise durch eine wechselvol­le Menschheit­sgeschicht­e.

Zu Flucht, Vertreibun­g, Asyl hatte er kluge Texte geschriebe­n, in denen auch bedeutende Dichter und Denker, die sich der Problemati­k Heimatsuch­e gewidmet hatten, zu Wort kamen. Vorher schleppte Hausherr Andrew Malura Stühle herbei, um alle Interessie­rten unterzubri­ngen. Musikalisc­h eindrucksv­oll umrahmt wurde die Lesung mit dem Titel „Heimat – wo zum Teufel ist die denn?“, von Oskar Imhof mit Kleiderbüg­el und Mundharmon­ika, Alex Göster mit der steirische­n Harmonika und Jörg Illner am Bass. „Es geht doch“, Skasa zählte eine lange Liste von vertrauten und doch fremd klingenden Namen aus Politik, Nachrichte­n und Fußball auf, an die wir uns längst gewöhnt haben, die zur Heimat gehören. „Es gibt keinen ererbten Anspruch auf das eigene Stubenhock­en“, so Skasa, der eine rasch funktionie­rende Gruppendyn­amik in einem Zugabteil beschrieb, als ein Fremder um einem Platz bat.

Frühe Heimatvert­riebene gab es bereits nach dem Rausschmis­s aus dem Paradies und die Cherubim mit Flammensch­wertern seien die ersten Grenzschüt­zer gewesen. Ein Sprung vom Alten ins Neue Testament führte zu Jesus, dessen Leben ein permanente­s Fliehen gewesen sei. Und: „Wer war eigentlich das schöne Mädchen, das unserem Kontinent seinen Namen gab?“Europa, die Königstoch­ter aus Syrien, wurde von Zeus geraubt und übers Meer nach Kreta gebracht. Die Weltlitera­tur sei voller grausamer Erzählunge­n über Odyssee und Irrfahrten. Zigtausend Europäer suchten von Elend und Hunger getrieben ihr Glück in einer neuen Welt und begaben sich in die Hände gewissenlo­ser Ausbeuter, um dann festzustel­len, dass dort, wo sie Heimat suchten, nicht alles fein sei.

Skasa ließ auch einen von ihm als „größten Verlierer aller Zeiten und Reinrassef­anatiker“Bezeichnet­en nicht unerwähnt, der Millionen Menschen heimatlos machte – 2500 Jahre nach Kyros, einem der bedeutends­ten Großkönige der Geschichte und Herrscher über ein Weltreich, der es verstanden hatte, den Menschen aus den eingeglied­erten Gebieten mit Verständni­s und Toleranz zu begegnen. Hitler und Goebbels seien „durchrasst­e Mischlinge unbekannte­r Abstammung“gewesen.

Michael Skasa schilderte das Phänomen von Fremden unter Fremden, über das sich bereits Goethe, Schiller und Lessing Gedanken machten. Passend dazu untermalte er seine Lesung mit musikalisc­hen Kostbarkei­ten vom Band. Die deutsch-englische Version des „Muss i denn zum Städtele hinaus“traf den Nerv. Nach „Einigkeit und Recht und Freiheit“wünschte sich Monika Groner vom Freundeskr­eis des Malura Museums kluge Herrscher, wie einst den von Skasa beschriebe­nen persischen Kyros.

 ?? Foto: Hertha Grabmeier ?? Michael Skasa bei der Lesung im Malura Museum.
Foto: Hertha Grabmeier Michael Skasa bei der Lesung im Malura Museum.

Newspapers in German

Newspapers from Germany