Wie im Film
Christian von Blohn spielte
Ist es Zufall oder bewusster Einfall der Programmplaner? Von den zwölf Interpreten des 32. Landsberger Orgelsommers lassen oder ließen sieben ihre Matinee in der Stadtpfarrkirche der Lechstadt mit einem Werk des größten Orgelkomponisten aller Zeiten, Johann Sebastian Bach, beginnen. So viel Bach war nie. Auch Christian von Blohn aus Saarbrücken gehört zu dieser Gruppe. Jedoch gab er in den kurzen mündlichen Hinweisen zu den Programmpunkten am Samstag einen Tipp. Es hat wohl etwas mit dem Beginn der Reformation zu tun. Die Künstler des Orgelsommers verbeugen sich auf diese Weise im protestantischen Jubeljahr – der 500. Wiederkehr des Thesenanschlags von Martin Luther an der Wittenberger Schlosskirche – vor dem großen Komponisten. Der hatte die Musik der Evangelischen Kirche auf Jahrhunderte hinaus geprägt, und da ist es auch egal, ob seine Werke in einer katholischen oder evangelischen Kirche gespielt werden. Musik hat keine Konfession, sowenig wie Gott selbst.
Die Chaconne in d-Moll, Bachwerkeverzeichnis 1004 ist ursprünglich eine Violinsonate. Der Kirchenmusiker von St. Ingbert und Dekanatsdirektor für das Dekanat Saarpfalz der Diözese Speyer spielte eine Bearbeitung der Komposition für Orgel – heute würde man sagen die Coverversion von Henri Messerer. Wer genau zuhörte, konnte das Motiv der berühmten, melancholischen Sarabande von Georg Friedrich Händel, Werkeverzeichnis 437, heraushören.
Bach nutzte jedoch dieses Motiv, um es in einer großartigen Form weiterzuentwickeln und daraus eines seiner spannendsten Werke zu machen. Johannes Brahms zeigte sich in einem Brief an Clara Schumann gänzlich von ihr beeindruckt: „Der Mensch schreibt eine ganze Welt der tiefsten Gedanken und stärksten Gefühle für nur ein kleines Instrument“. Wenn er, Brahms, es geschafft hätte, so etwas zu komponieren, wäre er wohl außer sich geraten. Allerdings konnte das „Organetto“von Joris Verdin (Jahrgang 1952) und „Durch seinen Geist“, Variationen über Bachs „Eine feste Burg“von Naji Hakim im Vergleich mit dem monumentalen Werk von Bach nicht mithalten. Es waren gefällige, reizvolle Stücke, die die Klangmöglichkeiten der Orgel ausloteten und auch eine Abwechslung und Ausruhen von dem schweren Bachstück ermöglichten. Das „Orgelchen“von Verdin hatte Ähnlichkeiten mit Filmmusik. Bei den ersten Takten glaubt man, Feen durch Mariä Himmelfahrt hinauf zu den Kreuzrippen fliegen zu sehen. So filigran sind die hellen Töne der Komposition.
Köstliche Variationen
Der Saarbrücker Organist hatte sein Konzert mit „Symphonische Variationen“betitelt. Das traf auch genau zu, denn mit den köstlichen „Variations“aus der Sinfonie Nr. 8, opus 42, von Charles Marie Widor (1844-1937) gab er wunderbaren Einblick in die berühmte französische Orgeltradition des 19. Jahrhunderts. Gut, sie einmal zu hören und nicht immer die Toccata aus der Orgelsinfonie Nr. 5 von Widor.
Hätte von Blohn den Widor an den Schluss der Matinee gestellt, wer weiß, vielleicht wäre der Applaus der rund 110 Besucher doppelt so stark für sein hochvirtuoses Spiel ausgefallen.