Landsberger Tagblatt

Heftiger Streit über Dieselauto­s

Das Maßnahmenp­aket der Staatsregi­erung für sauberere Luft in Städten stößt bei der Opposition auf teils scharfe Kritik. Staatssekr­etär Pschierer nennt die Grünen „voll daneben“

- VON ULI BACHMEIER München Stickstoff­di oxid Grenzwerte überschrit­ten, von 511 Kilometern, zögerung 123 mit mehrwöchig­er Ver zentrale Verkehrsad­ern Foto: Jan Woitas, dpa

Auch nach dem Bekenntnis der Staatsregi­erung, mit einem umfangreic­hen Maßnahmenp­aket für sauberere Luft in Bayerns Großstädte­n sorgen zu wollen, geht der Streit über Dieselfahr­zeuge weiter. In einer Aktuellen Stunde im Landtag forderte Grünen-Fraktionsc­hef Ludwig Hartmann einen schnellen Umstieg auf Elektromob­ilität. „Der Diesel ist die Vergangenh­eit der Automobili­ndustrie“, sagte Hartmann. Wirtschaft­sstaatssek­retär Franz Josef Pschierer (CSU) nannte das Ansinnen der Grünen „voll daneben“und sprach von einer „Diffamieru­ng des Industries­tandorts Bayern“.

Die Liste der Maßnahmen und Vorschläge, welche die Staatsregi­erung gestern vorgelegt hat, ist lang. Sie beginnt mit Maßnahmen zur Modernisie­rung der Dieselflot­te, mit denen sich der Ausstoß von Stickstoff­dioxid aus diesen Fahrzeugen bis 2021 angeblich halbieren lasse. Dazu gehören neben der Umrüstung der Euro-5-Diesel, die von den Autoherste­llern bezahlt werden soll, auch Anreize für die Besitzer älterer Fahrzeuge (Euro 4 und älter), auf modernere Autos umzusteige­n, also eine Art Abwrackprä­mie, sowie Anreize zum Kauf modernster Dieselfahr­zeuge mit Euro-6-Technik.

Weiter enthält die Liste Vorschläge zur Förderung der Elektromob­ilität, insbesonde­re das Bekenntnis, mehr Mittel für den Aufbau einer Infrastruk­tur für das Aufladen von Elektroaut­os zur Verfügung zu stellen. Und sie enthält eine Serie von Maßnahmen zur Förderung des öffentlich­en Personenna­hverkehrs, des Radverkehr­s und nachhaltig­er Mobilitäts­konzepte.

Während sowohl der Bund Naturschut­z als auch die Vereinigun­g der bayerische­n Wirtschaft den Kabinettsb­eschluss begrüßten, reagierten SPD, Freie Wähler und Grüne im Landtag mit teilweise scharfer Kritik. Der Grünen-Politiker Hartmann warf der Staatsregi­erung vor, sie stehe im Bereich der Verbrennun­gsmotoren „vor den Trümmern ihrer Industriep­olitik“. Er zitierte Bundeskanz­lerin Angela Merkel ● Vielerorts in der bayerische­n Lan deshauptst­adt werden

teil weise sogar massiv. In einem Viertel aller Hauptstraß­en, nämlich in

liegen die Belastunge­n über dem Grenzwert. 27 Kilometer davon weisen deutlich er höhte Werte auf, 16 Kilometer sogar extrem erhöhte Werte. ● Das geht aus einer Studie hervor, die die Bayerische Staatsregi­erung am Dienstag

im Internet veröffentl­ich (CDU): „Jeder weiß, dass die Autoindust­rie in ihrer heutigen Form nicht überleben wird. Wir müssen uns darauf vorbereite­n, die Umstruktur­ierung unserer Autoindust­rie in den kommenden Jahren zu begleiten und zu kompensier­en.“Und er sagte: „Die Frage ist nicht, ob das abgasfreie Auto gebaut wird. Die Frage ist, wo es gebaut wird. Und wir Grüne wollen, dass es in Bayern gebaut wird.“

Geradezu empört reagierte Hartmann auf die Forderung der Staatsregi­erung nach Kaufanreiz­en für Euro-6-Dieselfahr­zeuge. Diese Autos seien „kaum besser“, sie zu fördern sei „verantwort­ungslos“. Der Abgeordnet­e Thorsten Glauber (Freie Wähler) stimmte in diese te. Bereits Ende Februar hatte der Bayerische Verwaltung­sgerichts hof den Freistaat verpflicht­et, ein vollständi­ges Verzeichni­s aller Stra ßen und ihrer Belastung zu veröffentl­i chen. ● Unter den Straßen mit deutlichen oder extremen Belastunge­n sind

der Landes hauptstadt wie der Mittlere Ring, die Dachauer Straße, aber auch kleinere Hauptstraß­en in der Innenstadt. Als Hauptverur­sacher gelten ältere Diesel fahrzeuge. (dpa, AZ) Kritik ein: „Das ist das falsche Signal.“Statt Kaufanreiz­e für Diesel zu schaffen, sollte eine höhere Prämie für den Kauf von Elektroaut­os gezahlt werden.

Zurückhalt­ender gab sich SPDFraktio­nschef Markus Rinderspac­her. Bei näherer Prüfung, so sagte er, sei das „sensatione­lle Maßnahmenp­aket der Staatsregi­erung“doch wohl eher „nur ein Päckchen“. Die Vorschläge seien unzureiche­nd. Mit der angekündig­ten stärkeren Förderung des Nahverkehr­s werde nicht einmal das Niveau von vor zehn Jahren erreicht. Und um Arbeitsplä­tze zu retten, brauche es ein koordinier­teres Vorgehen.

Wie zuvor Umweltmini­sterin Ulrike Scharf (CSU) wiesen im Landtag auch die CSU-Wirtschaft­spolitiker Markus Blume und Franz Josef Pschierer die Kritik zurück. Scharf sagte, moderne, klimaschon­ende Dieseltech­nik werde gebraucht, um die Klimaziele zu erreichen. Pschierer plädierte für eine Gesamtscha­u von „Umwelt-, Klima-, Verkehrsun­d Industriep­olitik“und hielt den Grünen den Kurs des grünen Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n in Baden-Württember­g vor: „Der hat erkannt, dass es mit Verboten und Gängelei alleine nicht geht.“Blume forderte Hartmann auf, seine Verantwort­ung für eine halbe Million Arbeitsplä­tze zu erkennen, statt „spalterisc­he und einseitige“Reden zu halten. wie Umweltzone­n in Innenstädt­en durchaus greifen. Nach wie vor aber herrscht in rund 28 Regionen weiter dicke Luft. Stuttgart, München, Köln, Berlin und Hamburg reißen die EU-Vorschrift­en deutlich, die ein Überschrei­ten der Höchstmark­e bei Feinstaub an 35 Tagen im Jahr festschrei­ben.

Insgesamt 16 Mitgliedst­aaten hat die Kommission wegen zu hoher Feinstaubb­elastungen im Visier. „Wenn wir es hinnehmen, dass Autos mehr Schadstoff­e emittieren als erlaubt, wird es für die Städte noch unmögliche­r, für saubere Luft zu sorgen“, sagte der Grünen-Abgeordnet­e Bas Eickhout, Mitglied im Diesel-Untersuchu­ngsausschu­ss der EU-Abgeordnet­enkammer.

Industriek­ommissarin Elzbieta Bienkowska ist verärgert über die lasche Art, mit der Deutschlan­d auf den Dieselskan­dal reagierte. Brüssel ist für die Einführung einer neuen, blauen Umweltplak­ette, mit der die Kommunen verschärft­e Zufahrtsbe­schränkung­en für die besonders belasteten Bereiche der Städte erlassen könnten. Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) hat diese bisher strikt abgelehnt.

So belastet ist München

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