Ein Gemeinschaftsprojekt im Grünen
Ein Schrebergarten kann ein Ausgleich zum Studium sein. Auch junge Menschen genießen das einfache Leben. Und das eigene Stück Land bietet viel mehr als Obst und Gemüse
Von Landsberg kommend folgt man der Beschilderung von der Kreuzung vor der Kauferinger Unterführung in Richtung KZ-Gedenkstätte. Verschlungene Wege führen in die Kleingartenanlage „Südlich der Bahnlinie“in Kaufering, es fällt warmer Nieselregen. Anfangs sind die Gärten noch akkurat angelegt, je weiter man sich den Weg bahnt, desto wilder und ursprünglicher wirken die Gärten. Leicht verwitterte Holzhütten, ziemlich massiv gebaut, ducken sich unter hohe, dichte Büsche und Bäume. Es ist eine Idylle, aber auch ein Ort, an dem nur ein paar Schritte weiter einmal Schreckliches geschehen ist, wo Menschen unvorstellbares Leid erfahren haben. Und genau hier hat ein junger Kauferinger seit Kurzem seinen Schrebergarten.
Philipp Hüfner besucht in Augsburg die MaschinenbautechnikerSchule und wohnt mit Freundin Nicola in einer Wohnung in der Kolpingstraße. Die hat zwar einen Balkon, aber, so sagt der 27-Jährige, „mir hat einfach was gefehlt“. Seine Freunde leben auch alle in Wohnungen, und wo soll man im Sommer da zusammensitzen? An Baggerseen und am Lechufer ist das Grillen verboten. „Und man muss immer alles mitschleppen“, ergänzt Philipps Freundin Nicola Kopp, 25. Die junge Frau studiert in Graz Psychologie und hegte ebenfalls eine Sehnsucht nach einem Stückchen Grün. „Bei meinen Eltern zu Hause hatten wir einen großen Garten, da gab es Wein, Rosen, Birnen, Äpfel und vieles mehr. Ich habe immer gerne mitgeholfen, und ich koche und backe gern.“Hier freut sie sich schon darauf, eigenes Obst und Gemüse anzubauen. Und obwohl die beiden den Garten erst seit ein paar Wochen haben, hat sie schon etwas daraus produziert: ihre besondere Rhabarbermarmelade. Zwei riesige alte Rhabarberstauden standen bei der Übernahme des Gartens schon in voller Reife.
Was bewegt so junge Menschen, einen Schrebergarten zu haben? Überraschenderweise beantworten beide diese Frage ähnlich: „Wir ge- nießen die Ruhe. Man braucht mal eine Pause von der Stadt und der Uni.“Doch der junge Mann hakt sofort ein: „Wir haben hier viele nette Nachbarn, da waren wir schon auf einen Kaffee eingeladen oder bekamen Tomaten geschenkt. Man findet hier gleich Anschluss.“
Und was sagen die Freunde, finden die das nicht seltsam, einen Schrebergarten zu haben? Nein, gar nicht, meint Philipp, die würden sich eher darauf freuen, sich hier im Grünen zu treffen. „Ein Paar aus unserem Freundeskreis will auch mitarbeiten. Wir wollen nicht alles allein machen, sondern ein Gemeinschaftsprojekt starten“, erklärt er. Nicola bringt hier ihre Erfahrungen mit einer Urban-Gardening-Gruppe in Grazer Studentenkreisen ein. „Es ist total schön, gemeinsam im Garten zu arbeiten. In unserem Gemeinschaftsgarten in Graz ist immer was los, man trifft sich, und es ist gar nicht spießig.“Das hänge auch zusammen mit der Bewegung „zurück zur Natur“, der viele junge Leute heute folgen. Es gehe um Work-Life-Balance, auch schon im Studium, das sei ja heute auch stressig. Und natürlich um biologisches Essen. „Man muss jeden Tag so viele Entscheidungen treffen, muss ständig alles optimieren. Da sehnt man sich nach einem einfachen Leben, nach etwas Bodenständigem. Ein Garten, das macht einfach ruhig und zufrieden. Hier muss man gar nichts“, sagt die Studentin.
Einen Teil des Gartens haben sie schon eingeebnet und als Rasenfläche angesät. „Zum Grillen, Badminton-Spielen, Hinlegen und Lernen“, sagt Philipp. Die andere Hälfte bildet das Gemüsebeet. Ein Komposthaufen soll an der Seite entstehen, wo der Rhabarber wächst, und die vielen Johannisbeersträucher. Etwas Arbeit wartet schon noch auf die beiden: Hütte streichen, Rasen pflegen und mähen, anpflanzen. Aber das macht ihnen nichts aus, im Gegenteil, sie freuen sich auf das gemeinsame Arbeiten mit den Freunden. Und auf das gemütliche Grillen danach, auf ihrem ruhigen Plätzchen zwischen den dichten Büschen und hohen Bäumen.
Die Vögel zwitschern und üppiges Grün überzieht die Gärten. Das Leben pulsiert an diesem Ort, wo einmal Tod und Vernichtung herrschten. Junge Menschen bearbeiten das Land und wollen in Gemeinschaft Positives schaffen. Und auch wenn sie es so gar nicht beabsichtigt haben, ist es doch, als finde da ein Stück Heilung statt. So gelingt die Rhabarbermarmelade von Nicola Kopp: ● Die Zutaten: Rhabarber (insge samt dreimal so viel Obst wie Ge lierzucker), Zusätze nach Geschmack: 1. Variante: mit Weinbergpfirsichen 2. Variante: Mit Apfel und Zimt Gelierzucker 3:1; pro 500 Gramm Masse ein Päckchen Vanillezucker oder echte Vanille. ● Die Herstellung: Rhabarber und zusätzliches Obst waschen und klein schneiden, mit Gelierzucker und Vanillezucker mischen. Aufkochen und nach Packungsanweisung kurz köcheln lassen. Wenn nötig, pürieren. Marmeladen gläser mit kochendem Wasser aus spülen und randvoll mit der heißen Marmelade befüllen, Gläser sofort schließen. (knill)
Die Sehnsucht nach einem Stückchen Grün Rezept Tipp