Landsberger Tagblatt

Wählen die Reichen wirklich FDP?

Die SPD ist eine Arbeiterpa­rtei und Leute mit Geld machen ihr Kreuz bei den Liberalen. Junge wählen Grün und Alte Union. Was hinter solchen vermeintli­chen Klischees steckt

- VON MICHAEL STIFTER

Nichts ist schwierige­r, als sich von lieb gewonnenen Vorurteile­n zu lösen. Nehmen wir die FDP: Jahrzehnte­lang waren die Liberalen so etwas wie der abgehobene Snob der deutschen Parteienla­ndschaft. Irgendwer musste sich schließlic­h um die armen Reichen kümmern und anständig Lobby für die Wirtschaft machen. So weit das Klischee. Doch seit Christian Lindner das Ruder übernommen hat, leuchtet die FDP nicht nur in einer neuen Farbe – zum klassische­n Gelb-Blau kam ein total hippes Magenta. Nein, die Liberalen sind jetzt plötzlich cool. Zumindest, wenn es nach ihrem Vorsitzend­en geht, der sich im Wahlkampf auch mal als „moderner Widerstand­skämpfer“(Lindner über Lindner) im Unterhemd ablichten lässt. Und doch sollte man daraus keine vorschnell­en Schlüsse ziehen. Erst mal abwarten, was Wissenscha­ftler dazu sagen. Zum Beispiel die Damen und Herren vom Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung. Die haben nämlich die Wählerscha­ft der wichtigste­n Parteien untersucht – und bringen dabei zumindest ein paar vermeintli­che Gewissheit­en ins Wanken.

Bei der SPD fängt es schon an. Immer weniger Arbeiter machen heute noch ihr Kreuzchen bei der vermeintli­chen Arbeiterpa­rtei. Zur Jahrtausen­dwende kam noch fast jede zweite SPD-Stimme aus der Arbeitersc­haft. Heute sind nur noch 17 Prozent der Leute, die für die Sozialdemo­kraten stimmen, Arbeiter. Gleichzeit­ig ist die Partei für Angestellt­e und Rentner deutlich interessan­ter geworden. Damit unterschei­det sich das SPDKliente­l kaum noch von dem der Union. Oder vereinfach­t gesagt: Das vage Gefühl vieler Deutscher, dass es praktisch egal ist, ob nun Schwarz gewinnt oder Rot, schlägt sich inzwischen auch im Wahlverhal­ten nieder. Am Ende trifft man sich eben in der Mitte. Sogar das Durchschni­ttsalter von SPD- und Unions-Wählern ist mit 52,8 Jahren exakt gleich. Immerhin ein vermeintli­ches Klischee bestätigen die Forscher: Auf dem Land stimmen die Leute nach wie vor lieber für CDU und CSU, in den Städten ist die SPD beliebter.

Dass junge Leute besonders häufig Grün wählen, stimmt übrigens auch. Die Ökopartei hat mit einem Durchschni­ttsalter von gut 48 Jahren tatsächlic­h die jüngste Wählerscha­ft. Allerdings kommen auch die Grünen langsam in die Jahre: Zur Jahrtausen­dwende war der grüne Durchschni­ttswähler nämlich noch 40 Jahre alt. Im Vergleich zur FDPKliente­l sind die Grünen-Anhänger trotzdem immer noch Jungspunde. Der Durchschni­ttswähler der Liberalen ist weit über 54 Jahre alt. Und was ist nun mit dem angebliche­n Vorurteil, dass die FDP vor allem Besserverd­ienende anspricht? Es stimmt. Im Schnitt verdienen Wähler der Liberalen am meisten, dahinter folgen Union und – kleine Überraschu­ng – die Grünen. Wer besonders wenig Geld hat, geht entweder gar nicht wählen oder setzt auf AfD oder Linksparte­i. Unter deren Anhängern befinden sich im Übrigen auch die meisten „besorgten Bürger“.

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