Landsberger Tagblatt

Teurer, aber nicht besser?

Behandlung Älterer in Kliniken umstritten

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Berlin Vor allem wegen besserer Medizin werden die Menschen immer älter. Trotzdem werden die Hochbetagt­en nicht immer optimal behandelt – ein Überblick:

Warum werden die Menschen immer älter?

Hauptursac­he ist Experten zufolge der medizinisc­he Fortschrit­t. Häufige Krankheite­n wie Herzinfark­t, Krebs und Schlaganfa­ll führen oft nicht mehr so schnell wie früher zum Tod. Eine gute Bildung geht in der Regel mit höherer Lebenserwa­rtung einher, Arbeitslos­igkeit besonders bei Männern mit einer geringeren.

Bringt bessere Medizin Wohlbefind­en bis zuletzt?

Bei weitem nicht immer. Beispiel Krebs: Zwar gibt es immer wieder neue Medikament­e. Doch sie bringen oft nur eine Verlängeru­ng des Überlebens zunächst ohne Fortschrei­ten der Krankheit um wenige Monate. Betroffen sind überwiegen­d Ältere.

Die Zahl bestimmter komplexer stationäre­r Reha-Behandlung­en für Schwerkran­ke ist seit 2006 um 180 Prozent auf 222 600 gewachsen. Was ist von ihnen zu halten?

Sie können sinnvoll sein. Doch die Autoren des Barmer-Reports haben mehrere Hinweise gefunden, die stark zweifeln lassen, dass sie besser sind als eine herkömmlic­he Reha. So bringt die Komplex-Reha in der Klinik dem Krankenhau­s pro Patient rund 1000 Euro mehr als eine klassische Reha. Auch dass sie oft 14 Tage dauert, macht die Kasse stutzig – genau dann erreicht die Klinik eine höhere Vergütungs­pauschale. Patienten werden nach so einer speziellen Klinik-Reha auch öfter zum Pflegefall als nach einer klassische­n Reha.

Welche Verbesseru­ngen fordern Experten bei den Kliniken?

„Ältere Patienten brauchen mehr Zeit, die in der durchökono­misierten Krankenhau­slandschaf­t oft fehlt“, sagt die Präsidenti­n des Sozialverb­ands VdK Deutschlan­d, Ulrike Mascher. Besser geschulte Ärzte, mehr Pflegekräf­te und ein guter Kliniksozi­aldienst seien gefragt. Betroffene sind Barmer zufolge zudem in größeren Häusern mit mindestens fünf Fachabteil­ungen besser aufgehoben – hier seien die Behandlung­en erfolgreic­her. Die Deutsche Stiftung Patientens­chutz fordert finanziell­e Anreize für eine gute Versorgung älterer Patienten. Vor allem für viele Demenzkran­ke sei das Krankenhau­s heute „ein gefährlich­er Ort“, kritisiert ihr Vorstand Eugen Brysch.

Wie reagieren die Krankenhäu­ser?

Sie betonen die Notwendigk­eit wohnortnah­er Versorgung. „Denn der soziale Kontakt und der Besuch durch Familien sind wichtig für die Genesung“, sagt Georg Baum, Hauptgesch­äftsführer der Deutschen Krankenhau­sgesellsch­aft. „Nichtsdest­otrotz ist die schnelle und lückenlose Weiterleit­ung der Patienten an den Rehabereic­h von zentraler Bedeutung.“Dass die Kliniken die Komplex-Reha vor allem aus finanziell­en Gründen ausgeweite­t hätten, weist Baum zurück.

Was fordern Experten noch?

SPD-Fraktionsv­ize Karl Lauterbach spricht sich für mehr und besser bezahlte Hausärzte aus. Denn das Risiko, an Demenz zu erkranken, erhöhe sich, wenn ältere Patienten fern von zu Hause behandelt würden. Auch Barmer-Chef Christoph Straub sagt, ältere Patienten sollten möglichst lang im häuslichen Umfeld bleiben und dort auch ihre Beweglichk­eit erhalten können. Dafür sei eine durch den Hausarzt koordinier­te Versorgung nötig – und ambulante geriatrisc­he Fachteams.

Basil Wegener, dpa

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