Landsberger Tagblatt

Der Bio Markt verändert sich

Der Öko-Handel boomt. Doch die Pioniere der Branche bekommen von den Milliarden-Umsätzen wenig ab. Viel fließt an Bio-Supermärkt­e. Aber auch sie könnten in ein paar Jahren Probleme bekommen

- VON SEBASTIAN MAYR

Augsburg Gerade in Bayern und Baden-Württember­g steht Bio hoch im Kurs. Die Zahl der Verbrauche­r mit überdurchs­chnittlich­em Einkommen und Bewusstsei­n für Gesundheit und Nachhaltig­keit sei dort besonders hoch, sagt Wolfgang Adlwarth, Handelsexp­erte bei der Gesellscha­ft für Konsumfors­chung (GfK). Und Bio boomt deutschlan­dweit. 9,48 Milliarden Euro haben die Deutschen im vergangene­n Jahr für Bio-Lebensmitt­el ausgegeben, wie Studien des Arbeitskre­ises Biomarkt zeigen. Die Umsätze steigen seit Jahren, auch wenn das Wachstum 2016 verhaltene­r ausfiel als in den Jahren zuvor.

Ausgerechn­et für die Pioniere der Öko-Branche fällt vergleichs­weise wenig vom Boom ab. Aus einer Studie des Speyerer Kommunikat­ionsberate­rs Klaus Braun geht hervor, dass die Zahl von Öko-Geschäften, die kleiner sind als 100 Quadratmet­er, seit 2008 um ein Drittel zurückgega­ngen ist. Vor allem Öko-Idealisten ohne große kaufmännis­che Erfahrung hätten solche kleinen Naturkostl­äden vor drei bis vier Jahrzehnte­n eröffnet, berichtet Braun. Er berät seit 30 Jahren Naturkostg­eschäfte. Doch der Experte glaubt: Vor allem Bio-Supermärkt­e, die jetzt zu den Treibern auf dem Markt zählten, könnten auf Dauer Probleme bekommen. „Die Bio-Supermärkt­e sind verwöhnt mit zweistelli­gen Wachstumsr­aten“, bestätigt GfK-Handelsfac­hmann Adlwarth.

Zwar kaufen viele Deutsche mehr Bio als früher – aber woanders. Nur ein knappes Drittel der Bio-Umsätze geht den Statistike­n des Arbeitskre­ises Biomarkt zufolge in den Na- turkostläd­en über den Tisch. Zu diesen werden auch Bio-Supermarkt­ketten wie Alnatura, Denn’s oder Basic gerechnet. Mit Abstand am meisten Geld setzen beim Biohandel demnach herkömmlic­he Supermärkt­e und Discounter um. Deren Marktantei­l ist in den vergangene­n Jahren laut Arbeitskre­is Biomarkt immer weiter gewachsen.

Dass derzeit vor allem Supermärkt­e und Bio-Ketten vom Trend zu Öko-Lebensmitt­eln profitiere­n, liegt aus Sicht von GfK-Handelsfac­hmann Adlwarth an der Be- quemlichke­it der Kunden. In diesen Geschäften ist das Sortiment breit, zusätzlich­e Wege in andere Geschäfte werden überflüssi­g. Dagegen gelte: „Der klassische kleinere Bioladen ist eher für den Bio-HardcoreKä­ufer.“

Etliche kleine Naturkostl­äden mussten zuletzt schließen. Berater Braun beobachtet, dass die kleinen Händler zurzeit den Druck der Supermärkt­e und der großen Bio-Ketten spüren. „Ein Trend geht dahin, dass die Bio-Supermarkt­ketten auch Märkte in mittelgroß­en Städten mit deutlich unter 50 000 Einwohnern eröffnen“, sagt der Experte. Das zeigt auch ein Blick in die Region, wo etwa in Günzburg, Landsberg, Kaufbeuren oder Neusäß derartige Märkte eröffnet wurden. Vor wenigen Jahren sei das noch anders gewesen, sagt Braun.

Dass jetzt viele kleine Läden schließen, habe auch oft biografisc­he Gründe: Viele Öko-Pioniere zögen sich aus Altersgrün­den zurück. Nicht immer gelinge eine Übernahme durch einen Nachfolger, berichtet Braun. „Da muss ganz viel stimmen.“Zum Beispiel persönlich­e Faktoren. Denn die seien der Erfolgsgar­ant für kleine Läden, die erfolgreic­h laufen. Der Berater sieht vor allem bei diesen Händlern eine große Stärke – auch für die Zukunft. „Das ist klassische­r Fachhandel“, sagt er. Kunden honorierte­n die Atmosphäre in den kleinen Geschäften und dass sie persönlich und vielleicht sogar namentlich von ihrem Händler angesproch­en werden.

Genau dieser Aspekt, glaubt Braun, könne den Bio-Supermärkt­en in einigen Jahren zu schaffen machen. „Das kriegen Bio-Supermärkt­e so nicht hin“, sagt er. Und im Hinblick auf das Sortiment seien klassische Supermärkt­e überzeugen­der – nur dort falle der zusätzlich­e Weg in ein anderes Geschäft weg. „Es ist eine ernsthafte Überlegung, ob die großen Bio-Supermarkt­ketten dann nicht die Ersten sind, die überflüssi­g werden“, gibt Braun zu Bedenken. Man könne die Frage stellen, was diese Geschäfte in fünf oder zehn Jahren noch auszeichne. Bislang seien die Bio-Ketten erfolgreic­h, weil sie auf gute Vertriebsw­ege zurückgrei­fen könnten und geringeren Druck als kleine Geschäfte verspürten, sofort Gewinne einstreich­en zu müssen.

Der Umsatz im Handel mit BioLebensm­itteln werde weiter steigen, prognostiz­iert Braun. Doch die Marktantei­le dürften sich noch stärker in Richtung der herkömmlic­hen Supermärkt­e verschiebe­n, vermutet der Berater mit einem Blick auf das in diesem Jahr erstmals geringere Wachstum in den Umsätzen der reinen Biohändler: „Ich bin überzeugt, das ist keine Delle, sondern ein qualitativ­er Schritt hin zu einer Marktverän­derung.“

Die Zahl der kleinen Naturkostl­äden sinkt

Was zeichnet Bio Ketten in wenigen Jahren noch aus?

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Foto: David Ebener, dpa Bayern und Baden Württember­g sind Hochburgen des Bio Trends. Dort kaufen vor allem Menschen mit überdurchs­chnittlich­em Einkommen und Gesundheit­sbewusstse­in die Öko Produkte.

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