Das Gesetz der Kabine
Fahrer dürfen nicht mehr länger im Lkw übernachten. Das soll Rastplatz-Chaos verhindern, sorgt aber für Ärger
Eigentlich ist es für Barsaw Ioaw ein Wochenende wie viele andere. Doch etwas ist anders als sonst, und dennoch bleibt alles beim Alten. Zwischen der Bordwand des Lastwagens und den ersten Paletten im Heck sind noch knapp zwei Meter Platz. Hier hat der Lkw-Fahrer seinen Campingstuhl aufgestellt und eine improvisierte Küche eingerichtet. Auf dem Gaskocher brät sich der Rumäne ein Steak. Dazu Kartoffeln und eingelegte Gewürzgurken.
Damit verstößt Ioaw gegen geltendes Recht. Denn seit im Mai das Fahrpersonalgesetz überarbeitet wurde, erfüllen Lkw-Fahrer die vorgeschriebene Wochenruhezeit von 45 Stunden nur dann, wenn sie nicht im Fahrzeug oder an einem Ort ohne geeignete Schlafmöglichkeit verbracht wird. Die neue Vorschrift soll dafür sorgen, dass die wilden Zustände auf den Rastplätzen aufhören. Außerdem sollen sich die Fernfahrer besser ausruhen können, damit ihre Fahrtauglichkeit gesichert ist.
Der Landesverband Bayerischer Spediteure und die Gewerkschaft ver.di begrüßen grundsätzlich die neue Ruhezeiten-Regelung. Doch sie scheint an der Realität vorbeizugehen. Denn für Ioaw und seine Kollegen kommen Hotels oder Pensionen kaum infrage – es sei denn, der Chef bezahlt die Rechnung. Deshalb hat der Fernfahrer in der vergangenen Nacht trotzdem im Lastwagen auf dem Parkplatz des Rasthofs Würzburg-Süd geschlafen. „Niemand weiß, was passiert“, meint Ioaw und zuckt gelassen mit den Schultern.
Bisher kann der Fernfahrer auch noch gelassen sein. Denn „in den ersten drei Monaten gilt eine Schonfrist, in der das Gesetz noch nicht in voller Härte angewandt wird“, erläutert Horst Roitsch, Pressesprecher des Bundesamts für Güterverkehr. So lange werden nur Verwarnungen gegenüber den Fahrern ausgesprochen. Als weitere Schwachstelle des Gesetzes gilt, dass es bisher nicht auf europäischer Ebene durchgesetzt werden konnte. Nach Angaben des Landesverbandes Bayerischer Spediteure gibt es eine ähnli- che Regelung zur Wochenruhezeit wie jetzt in Deutschland nur in Frankreich und Belgien. Es sei damit zu rechnen, dass nun Fernfahrer auf grenznahe Rastplätze zum Beispiel in Polen oder Tschechien ausweichen, um die Regelung zu umgehen. Damit werde „dieses Nomadentum“allenfalls verschoben.
Dazu kommt: Da das Gesetz nur für Fahrzeuge ab einem zulässigen Gesamtgewicht von 2,8 Tonnen gilt, verbessern sich die Arbeitsbedingungen für Fahrer von sogenannten Sprinterflotten gar nicht. Einer dieser Fahrer ist Emil Goidyn. Er sitzt auf dem Trittbrett seines Sprinters. „Bei der Hitze in der Kabine zu schlafen, ist die Hölle! Es klingt merkwürdig, aber der Winter auf dem Rastplatz ist mir lieber“, sagt der Pole. In einer Sprinterkolonne, zusammen mit zwei Kollegen, fährt er morgen Richtung Nürnberg. ● Lenkzeiten Wie lange am Stück Lkw Fahrer hinterm Steuer sitzen dürfen und wie lange sie Pause ma chen müssen, ist in einem Dickicht aus Vorschriften geregelt. Ein Fahrer darf pro 24 Stunden höchstens neun Stunden unterwegs sein (Tageslenkzei ten), zweimal pro Kalenderwoche höchstens zehn Stunden. Pro Woche darf ein Fahrer maximal 56 Stunden fahren (Wochenlenkzeiten). ● Auch bei der Ruhezeit un terscheiden die Gesetze zwischen Dort laden sie Autoteile auf und bringen sie nach Italien.
Neben den Temperaturen quält ihn vor allem die Langeweile. „Ausruhen, essen und trinken – mehr machen wir hier nicht“, meint er. Plötzlich winkt Goidyn den Fahrer eines 7,5-Tonners herbei, den er am Abend zuvor kennengelernt hat. Dieser möchte namentlich nicht genannt werden. Er weiß von dem neuen Gesetz und hat die Nacht in Tag und Woche. Elf Stunden Pause sind es generell pro Tag, wobei sie in bestimmten Fällen auf neun Stunden verkürzt werden kann. Besondere Regelungen gelten, wenn die Lastwa gen Besatzung aus zwei Fahrern besteht. Die Wochenruhezeit beträgt grundsätzlich 45 Stunden – am Stück zu nehmen spätestens nach sechs Ta gen. Auch hier gibt es die Möglich keit, die Ruhezeit zu verkürzen. Fahrer müssen dann aber die nicht ge nommene Ruhezeit nachholen. (aug) seiner Kabine verbracht. Wie sonst auch. „Wenn kümmert es? Sollen sie mich doch kontrollieren“, meint er und zieht an seiner Zigarette. Solange nicht genauer geregelt ist, wo sich die Fahrer tatsächlich aufhalten sollen, hat die Polizei keine Handhabe.
„Wenn wir mitbekommen, dass ein Fahrer mehrere Wochen nicht zu Hause war, sprechen wir die Speditionen darauf an – wenn der Fahrer das möchte“, sagt Polizeioberkommissar Martin Knobloch. Er ist für die Verkehrspolizeiinspektion Würzburg-Biebelried auf Autobahnen und Rastplätzen im Einsatz. Und wie soll die Polizei die Einhaltung kontrollieren? Sollen die Fahrer Hotel-Quittungen vorzeigen?
Im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Nord befindet sich zum Beispiel nördlich von Augsburg die A8. Auch hier wird noch nicht systematisch überprüft, ob die Regelung eingehalten wird. „Das neue Gesetz ist uns bekannt“, berichtet Thomas Rieger, Leiter der Pressestelle. „Es finden aber noch keine gezielten Kontrollen auf den Rastplätzen statt.“Der Grund sei, dass für die Polizisten noch die „praktische Handlungssicherheit“fehle. Erst müsse man sich mit den anderen Regierungsbezirken abstimmen.
Der Bekannte des Sprinter-Fahrers Goidyn wurde in den vergangenen drei Jahren nur einmal von der Polizei kontrolliert, ob er die Ruhezeiten einhielt. Damals musste er rund 150 Euro bezahlen, weil er zu lange hinter dem Steuer gesessen hatte. Das neue Gesetz hält er nicht für realisierbar. „Wo sollen wir denn hin? Wenn mir mein Chef in Zukunft ein Hotel bezahlt, gerne!“
Dass Ioaw von dem Gesetz profitiert, glaubt er nicht. Am nächsten Tag wird er sich mit seiner Ware auf den Weg nach Dettelbach im Kreis Kitzingen zu einem Discounter machen. Keine halbe Stunde vom Rastplatz entfernt. Was er genau geladen hat, weiß er nicht. „Aber alles ab einem Euro!“, scherzt er und zeigt auf die Paletten hinter sich. Zwischen zwei und drei Monate ist er am Stück unterwegs. So lange ist sein Fahrzeug sein Zuhause und die Laderampe seine Küche. Dann kehrt er für zwei Wochen zu seiner Frau nach Rumänien zurück, ehe er wieder weiterfährt und seine Ruhezeiten auf Rasthöfen verbringt.
Rückruf wegen Salmonellen in Gojibeeren von Lidl
Der Lebensmitteldiscounter Lidl und das Bundesamt für Verbraucherschutz haben Gojibeeren eines italienischen Herstellers wegen Salmonellengefahr zurückgerufen. Die Bakterien seien bei Untersuchungen gefunden worden, teilten die Behörde und das Unternehmen mit. Betroffen sei getrocknete Ware in einer 100-Gramm-Packung unter dem Markennamen Alesto mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 31.10.2017. Das Produkt sei nur bei Lidl in den Bundesländern Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein verkauft worden. Die Packungen können nach Angaben des Discounters in allen Filialen zurückgegeben werden.
Bahlsen ändert Rezeptur für Osteuropa
Der Kekskonzern Bahlsen stellt seine Butterkekse jetzt auch für Osteuropa nach deutschem Rezept her – also ausschließlich mit Butter und ohne Palmöl. Damit werde die Rezeptur aller Produkte – sofern dies nicht schon der Fall war – in ganz Europa vereinheitlicht, teilte das Unternehmen mit. Damit sei Bahlsen dem „Wunsch der Konsumenten nachgekommen“, sagte eine Sprecherin. Bereits im März hatte der slowakische Regierungschef Robert Fico im Streit um angeblich schlechtere Lebensmittel als etwa in Deutschland oder Österreich Lebensmittelhersteller an den Pranger gestellt.
Aigner will in drei Jahren 7000 Ladesäulen in Bayern
Bis 2020 soll es in Bayern 7000 öffentlich zugängliche Ladesäulen für Elektrofahrzeuge geben. Wirtschaftsministerin Ilse Aigner kündigte am Freitag ein Förderprogramm der Staatsregierung an, das die Zuschüsse des Bundes ergänzen soll. „Wir wollen in Bayern die emissionsfreie Mobilität vorantreiben“, sagte die CSU-Politikerin. Derzeit gibt es nach Angaben des Ministeriums etwa 1600 für jedermann zugängliche Ladesäulen in Bayern. Die Lechwerke kündigten an, die Anzahl ihrer öffentlich zugänglichen Stationen in der Region zu verdoppeln. Bis Frühjahr 2018 sollen 67 neue Ladesäulen aufgebaut werden.
Wie oft und wie lange Lkw Fahrer sich ausruhen müssen