Landsberger Tagblatt

Dramatisch­e Dimensione­n

Wie dreidimens­ionale Kunst und gesellscha­ftspolitis­che Skulpturen wirken

- VON SILKE FELTES

Landsberg Direkt am Eingang der Säulenhall­e steht überrasche­nderweise eine weiße Wand, die den Blick in den Saal verhindert. In der Wand befindet sich ein kleines rechteckig­es Loch, umrandet von einem goldenen Rahmen. Was zunächst wie ein eigenes Bild wirkt, gibt erst auf den zweiten Blick die Sicht frei auf ein weit dahinter liegendes plastische­s Gebilde, zugleich das ungewöhnli­chste Werk dieser ungewöhnli­chen Ausstellun­g. Der Holzkünstl­er Eugen Winter aus Weilheim und der gebürtige Hamburger Gerd Jacobsen, ein Meister der plastische­n Grafik, stellen gemeinsam in der Säulenhall­e neben dem Landsberge­r Stadttheat­er aus.

An den Wänden hängen stets gleich große, viereckige Platten, deren Inhalt streng strukturie­rt und farblich kräftig akzentuier­t jeweils etwa zwanzig Zentimeter in den Raum hinein ragt.

Jede fotografis­che Abbildung muss hier unweigerli­ch auf eine Dimension verzichten, deshalb sollte man diese Bilder, oder besser gesagt Werke, in natura gesehen haben, um den ganz eigenen Sog zu verstehen, der von ihnen ausgeht. Aus jedem Blickwinke­l wirken sie ein wenig anders, und wenn man direkt davor steht, meint man gelegentli­ch, in ein Bild hinein gezogen zu werden oder es schwirrt einem der Kopf vor lauter Struktur. Das Bild, so scheint es, greift in den Raum.

Höchst strukturie­rte Werke aus Holz und Styropor

Gerd Jacobsen heißt der fast 80-jährige Künstler, der diese plastische­n, höchst strukturie­rten Werke aus Holz, Metall, Styropor und anderen Materialie­n geschaffen hat. Bereits in jungen Jahren hat Jacobsen angefangen, inspiriert von den großen Meistern der grafischen Illusion, dem niederländ­ischen Künstler M.C. Escher sowie dem ungarische­n Maler und Op-Art-Künstler Victor Vasarely.

Op-Art oder optische Kunst erzeugt mithilfe präziser abstrakter Formmuster und geometrisc­her Farbfigure­n beim Betrachter überrasche­nde oder irritieren­de Effekte, ähnlich wie bei Jacobsen. Nach der Familiengr­ündung ruhte zunächst, so erzählt Gerd Jacobsen, seine künstleris­che Ader vollkommen. Arbeiten, Geld verdienen, Familie war angesagt. Erst nach der Pensionier­ung widmete sich der gebürtige Hamburger, der seit mehr als 30 Jahren in Türkenfeld lebt, wieder – und dieses Mal voll und ganz – der Kunst und machte da weiter, wo er fast 40 Jahre zuvor aufgehört hatte.

Jedem seiner Werke ist eine ganz eigene Bewegung und Dynamik immanent. „Die unterschie­dlichen Kompositio­nen konzentrie­ren sich auf ein klares Zentrum, eine Kugel oder auch eine Spannung erzeugende Leerstelle“, erläutert Natalie Jacobsen, die Tochter des Künstlers, in ihrer Laudatio. Im anfangs erwähnten „ungewöhnli­chen“Bild sind es nicht abstrakte Formen, sondern kleine Körper (angemalte Gliederpup­pen), die geometrisc­h und farblich unterschie­dlich angeordnet, Raum für vielfältig­e Interpreta­tionen geben.

So entsteht bei Jacobsen eine ganz eigene Form der Kunst, deren Werke aus verständli­chen Gründen keine Namen haben und die im Übrigen auch nicht zum Verkauf stehen. Ganz anders dagegen die HolzStein-Metall-Skulpturen des Weilheimer­s Eugen Winter: Der diplomiert­e Schreinerm­eister und langjährig­e Möbelspezi­alist widmet sich nach seiner Pensionier­ung der künstleris­chen Umsetzung gesellscha­ftspolitis­cher wie soziologis­cher Themen. „Oft ist es nur ein Gedanke, eine Redewendun­g, eine Emotion oder Gegensätze, die mich zu einem Werk inspiriere­n“, sagt Eugen Winter, „und oft wohnt meinen Werken dabei ein latent humoristis­cher oder zeitkritis­cher Aspekt inne.“

Manifestat­ionen von Gedankenko­nstrukten und Überlegung­en nennt er seine Skulpturen mit Titeln wie „Des Menschen Beziehunge­n“, „Ruder für Europa“, „begehrlich“, „Kreis des Lebens“. Dabei widmet sich Winter Themen wie dem Glauben, der Natur, der Schönheit, dem Begehren und verschiede­nen menschlich­en Bedürfniss­en.

Öffnungsze­iten Im Laufe der Ausstel lung – sie ist täglich geöffnet von 14 bis 19 Uhr bis einschließ­lich Dienstag, 25. Juli – werden beide Künstler immer wieder anwesend sein. Sie geben gerne Auskunft über den Entstehung­sprozess (im Falle Jacobsens spielt beispielsw­eise eine Sauna eine große Rolle) oder mögliche Interpreta­tionen (Besucher kön nen mit Eugen Winter über das Leben diskutiere­n).

 ??  ?? Eines der dreidimens­ionalen Werke von Gerd Jacobsen, die zusammen mit den Skulp turen von Eugen Winter noch bis 25. Juli in Landsberg zu sehen sind.
Eines der dreidimens­ionalen Werke von Gerd Jacobsen, die zusammen mit den Skulp turen von Eugen Winter noch bis 25. Juli in Landsberg zu sehen sind.
 ?? Fotos: Thorsten Jordan ?? Eugen Winters „Kreis des Lebens“aus Eichenholz, Eisen und Hanf in der Säulenhal le.
Fotos: Thorsten Jordan Eugen Winters „Kreis des Lebens“aus Eichenholz, Eisen und Hanf in der Säulenhal le.

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