Landsberger Tagblatt

Der Nabel der Welt

Ohne sie gerät das Leben schnell aus dem Lot. Vor den großen Ferien: Betrachtun­gen zur Pause, die eine Säule unseres Daseins ist

- / Von Michael Schreiner

Intervalle und Pausen in der Symphonie des wirklichen Lebens.“

Man könnte die Pause als eine Maßeinheit des Menschlich­en verstehen. Ohne Pause gibt es kein Davor und kein Danach. Pausen würzen den Einheitsbr­ei. Sie machen Musik erst zu Musik. Pausen rhythmisie­ren das Lebenstemp­o. Das ist hoch, weshalb zum Beispiel selbst in der Politik gelegentli­ch Denkpausen gefordert werden. Ist damit eigentlich gemeint – und diese Tücke gilt semantisch für viele Pausen – man solle mal mit dem Denken aufhören? Oder vielleicht doch eher das Gegenteil: die Pause nutzen zum Nachdenken? Zeitlich wird die Denkpause oft nicht genauer definiert, was zum Problem werden kann, weil die Pause manchmal schon beendet ist, bevor das Denken – je nach Lesart – so richtig ausgesetzt bzw. in Gang gekommen ist. Es gilt so oder so, was der Dramatiker Christian Friedrich Hebbel klug eingeworfe­n hat: „Doch sind die Pausen, wo der Geist ruht, wohl nicht ganz zu verachten.“

Pausen können kurz sein, wie die Kunstpause und die Verlegenhe­itspause, oder verdammt lang, wie die Winterpaus­e in der Bundesliga oder die Sommerpaus­e früher bei Harald Schmidt. Als Tätigkeit ist das Pausieren eine zweischnei­dige Sache. Einerseits klingt es verlockend, sich in einer länger währenden Pause zu befinden und diesen Zustand als Aktivität zu begreifen. Ich pausiere – und was machst du so?

Manchmal gehören zum Pausieber ren ja auch zwei – in der Beziehungs­pause beispielsw­eise, die zu den neuen Segnungen der Pausenbesc­hwörung zu gehören scheint. Anderersei­ts kann es eine große Belastung sein zu pausieren, weil dies auch eine Form der Verurteilu­ng zur Untätigkei­t ist. Leistungss­portler wissen das, wenn sie „pausieren müssen“. Pausen, die andere einem verordnen, sind nicht sehr beliebt.

Womit wir an einem sensiblen Punkt sind. Die meisten Pausen stellen sich nicht von selbst ein – man muss sie bewusst machen, muss sie sich nehmen, muss eine Unterbrech­ung herbeiführ­en – gleichsam die Pausentast­e drücken wie am CD-Player, damit die Musik nicht ewig weiterspie­lt.

Das gilt übrigens auch für den Fernseher. Die Zeiten der nächtliche­n Sendepause sind lange vorbei – es flimmert around the clock. Stopp, halt: Darüber muss der Einzelne gebieten, es gibt in einer Welt des 7/7 mal 24 Stunden immer weniger Pauseninst­anzen.

Dazu braucht es Einsicht und Vernunft – was nicht immer jedem in jeder Situation gelingt. Etwa den Durchbrett­erern, die am liebsten in einem Rutsch an den Gardasee rasen und Pinkelpaus­en von Mitfahrern als persönlich­e Niederlage begreifen. Pausen sind für diese Typen Flausen im Kopf. Oder die Workaholic­s, die mit Kaffee und Aufputschm­itteln bis in die Nacht weitermach­en, taub und unempfängl­ich für den inneren Pausengong, als wäre eine Pause ein schwarzes Loch,

Jetzt noch ein Geheimnis. Auf der Tastatur hier in der Redaktion gibt es eine Taste, auf der steht „Pause“. Haben alle Computer-Tastaturen. Olles Ding, sagt Wikipedia:

„Die Pause- bzw. Untbr/BreakTaste ist ein Relikt auf der Computerta­statur. In den meisten heute verwendete­n PC-Anwendunge­n kommt der Pause-Taste keine oder nur noch geringe Bedeutung zu, in bestimmten Situatione­n wird sie aber auch heute noch benötigt. So kann mit der Pause-Taste der Start des BIOS unterbroch­en und mit einer beliebigen Taste wieder fortgesetz­t werden.“

Danke, das reicht, Pause. PAUSE!

Aber hier, in der Redaktion, ist die Pausentast­e besonders hinterlegt. Das ist das Geheimnis. Wenn sie gedrückt wird, so wie jetzt

Dies ist fortlaufen­der Text, der über eine Makrotaste eingegeben wurde. Er braucht somit nicht gelesen zu werden. PD

kommt das da oben raus. Kurios, oder? Noch mal?

Dies ist fortlaufen­der Text, der über eine Makrotaste eingegeben wurde. Er braucht somit nicht gelesen zu werden. PD

An dieser Stelle beginnt der aufmerksam­e Leser zu ahnen: Da kündigt sich eine notwendige Schaffensp­ause an, jetzt kommt nicht mehr viel, wir sind in der 29. Etage, da rettet sich einer in die große Pause, oder aufs Dach, am Ende sogar in die großen Ferien, diese größte aller gemeinsame­n Pausen.

Dafür noch zwei polarisier­ende Lektüreemp­fehlungen: „Aktive Pause: Plädoyer für einen neuen Zeitbegrif­f“von G. Dellbrügge­r und „Donald macht Pause“, Micky Maus Taschenbuc­h Nr. 04.

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