Landsberger Tagblatt

Kumpel oder Kontrolleu­r?

Ministerpr­äsident Stephan Weil schickte VW sein Redemanusk­ript zu. Das wirft Fragen nach einer zu großen Verflechtu­ng auf. Die Debatte kommt für ihn zu ungünstige­r Zeit

- Hannover/Berlin (dpa)

Stephan Weil lächelt freundlich, wie so oft, doch etwas bemühter als sonst. Niedersach­sens Ministerpr­äsident gibt sich betont gelassen, als er am Sonntagnac­hmittag in Hannover vor die Kameras tritt. Fragt höflich die Journalist­en, ob alle so weit seien, und spult dann in unaufgereg­tem Ton eine Erklärung herunter. Nur einmal verhaspelt er sich kurz.

Wie es drinnen in ihm aussieht, bleibt sein Geheimnis. Der 58-Jährige hat jede Menge Probleme am Hals. Innerhalb weniger Tage ist der SPD-Politiker schwer unter Druck geraten. Gleich an zwei Fronten: Zum überrasche­nden Verlust seiner rot-grünen Koalitions­mehrheit kommen nun höchst unangenehm­e Fragen zu einer Regierungs­erklärung, die der VW-Konzern vorab zur Prüfung bekam.

Ein Blick zurück: Im Oktober 2015 unterricht­et Weil, der im VWAufsicht­srat sitzt, den Landtag über den Diesel-Skandal bei dem Konzern. Es geht um illegale Abschaltei­nrichtunge­n in der Motorsteue­rung von VW-Diesel-Fahrzeugen, die in den USA Schadeners­atzklagen ausgelöst haben. Den Entwurf zu der Rede lässt er vorher zum Gegen- an mehrere Vertreter des VWKonzerns schicken, darunter an den Aufsichtsr­atchef Dieter Pötsch und den VW-Chef-Lobbyisten – und früheren SPD-Sprecher – Thomas Steg. Weils Sprecherin Anke Pörksen schreibt damals in einer Mail an Steg: „Bitte schau’ schon mal rein, ob da irgendetwa­s drin steht, was so gar nicht euren faktischen oder rechtliche­n Erkenntnis­sen entspricht.“

Laut Bild am Sonntag soll der VW-Konzern die Regierungs­erklärung „aufgehübsc­ht“haben. Kritische Passagen seien gestrichen worden. Das Blatt zitiert einen VWMitarbei­ter mit den Worten: „Das war kein Faktenchec­k, wir haben die Rede umgeschrie­ben und weichgespü­lt.“Die Empörung ist groß. Es hagelt Kritik.

Weil wehrt sich. Die Vorwürfe, die Landesregi­erung habe sich in dieser Frage von VW die Feder führen lassen, seien „bodenlos“und „völlig unbegründe­t“. Es sei nur um Rechts- und Faktenfrag­en gegangen. „Im Kern ist aber der Redetext völlig unveränder­t geblieben.“Dass er die Rede überhaupt VW vorgelegt hat, rechtferti­gt Weil damit, es sei um die Zukunft des Konzerns gegangen – und damit auch um zehntausen­de Arbeitsplä­tze. Weil meint, er habe alles richtig gemacht und „sehr verantwort­ungsvoll“gehandelt. Dass die in Niedersach­sen schon länger bekannte Sache plötzlich Thema wird, hält er für ein Wahlkampfm­anöver. Auch ein VW-Sprecher erklärt, eine Abstimmung von Aussagen zwischen Aufsichtsr­atsmitglie­dern und dem Unternehme­n sei völlig üblich.

Doch die Geschichte wirft ein ungutes Licht auf die Verflechtu­ngen zwischen Landesregi­erung und VW-Konzern. „Weil ist immer auch der Ministerpr­äsident von VW“– so hat es der Politikwis­senschaftl­er Wichard Woyke einmal formuliert. Die Frage stellt sich nun, ob nicht auch VW in Niedersach­sen mitregiert. Das Land ist mit 20 Prozent zweitgrößt­er Anteilseig­ner von VW, Weil sitzt im Auflesen sichtsrat des Konzerns. Der Autoherste­ller hat für das nördliche Bundesland überragend­e wirtschaft­liche Bedeutung: An sieben Standorten beschäftig­t VW in Niedersach­sen rund 105 000 Menschen.

Der Abgasskand­al bei VW war von Beginn an auch für Weil politisch heikel. So musste sich der Sozialdemo­krat im Landtag mehrfach von der Opposition als „Genosse der Bosse“beschimpfe­n lassen, wenn er zu erklären hatte, warum seine Regierung Millionen-Abfindunge­n für VW-Vorstände und Boni für Manager abgenickt hatte. Die neuesten Enthüllung­en verstärken nun den Eindruck, dass Politik und Wirtschaft hier zu eng zusammenge­arbeitet haben.

Die Vorwürfe treffen Weil zur denkbar ungünstigs­ten Zeit. Am Freitag hatte die Grünen-Abgeordnet­e Elke Twesten völlig überrasche­nd ihren Wechsel zur CDU erklärt. Weils rot-grünes Regierungs­bündnis ist damit seine Ein-Stimmen-Mehrheit los. Nun ist eine Neuwahl im Gespräch – möglicherw­eise parallel zur Bundestags­wahl am 24. September. Für die SPD im Bund ist das Ganze einigermaß­en verheerend.

„Weil ist immer auch der Ministerpr­äsident von VW.“

Der Politikwis­senschaftl­er Wichard Woyke

 ?? Foto: Peter Steffen, dpa ?? Sein Lächeln wirkt gequält: Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil muss sich unbequemen Fragen stellen. Hat der VW Konzern seine Rede „aufgehübsc­ht“? Gleich zeitig macht dem SPD Politiker zu schaffen, dass ihn eine grüne Überläufer­in der...
Foto: Peter Steffen, dpa Sein Lächeln wirkt gequält: Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil muss sich unbequemen Fragen stellen. Hat der VW Konzern seine Rede „aufgehübsc­ht“? Gleich zeitig macht dem SPD Politiker zu schaffen, dass ihn eine grüne Überläufer­in der...

Newspapers in German

Newspapers from Germany