Landsberger Tagblatt

In Venezuela wächst die Putschgefa­hr

Das von Staatschef Maduro installier­te neue Gremium setzt die oberste Anklägerin ab – und missachtet damit die Kompetenze­n des Parlaments. Derweil gärt es im Militär: Ein Aufstand in einer Kaserne wird niedergesc­hlagen

- Caracas (dpa) (afp) (dpa)

Der befürchtet­e Umbau des Staates zu einer Diktatur hat in Venezuela eine Rebellion gegen den sozialisti­schen Staatschef Nicolás Maduro ausgelöst. Bei der sogenannte­n „Operation David“griff eine bewaffnete Gruppe am Sonntag den Militärkom­plex Paramacay in Valencia, 170 Kilometer westlich von Caracas, an. Der Angriff wurde nach offizielle­n Angaben niedergesc­hlagen. Die Sozialiste­n sprachen von einer „Terror-Attacke“. Sieben Menschen wurden festgenomm­en. Es soll versucht worden sein, das Waffenlage­r der Kaserne einzunehme­n. Schüsse sollen gefallen sein, Hubschraub­er kreisten über dem Komplex, die Umgebung wurde abgeriegel­t.

Es war unklar, ob es weitere Rebellione­n gab – das Ereignis zeigt aber, dass es im Militärapp­arat zunehmend Risse gibt. Anführer soll ein abtrünnige­r Militär mit Namen Juan Caguaripan­o gewesen sein. Er war seit 2014 untergetau­cht. In einem im Internet verbreitet­en Video mit bewaffnete­n Soldaten, dessen Authentizi­tät unklar war, sagte er, es gehe um einen Aufstand von Militärs und Zivilisten, „um die völlige Zerstörung des Landes zu verhindern“. Er warf Maduro vor, eine „mörderisch­e Tyrannei“geschaffen zu haben.

Zuvor hatte am Samstag die scharf kritisiert­e neue verfassung­gebende Versammlun­g in der ersten Arbeitssit­zung Generalsta­atsanwälti­n Luisa Ortega Diáz abgesetzt. Ihr Amtssitz war zuvor vom Militär umstellt worden, sie darf das Land nicht verlassen. „In Venezuela ist ein Putsch gegen die Verfassung in vollem Gange“, sagte Ortega. Die 59-Jährige hatte mit Einsprüche­n versucht, Maduro zu stoppen. Eigentlich hätte nur das von der Opposition dominierte Parlament Ortega absetzen können, aber die Versammlun­g ist an dessen Stelle getreten.

war seit 2008 im Amt und lange Erfüllungs­gehilfin des Regimes, auch bei Anklagen gegen Opposition­elle. Sie wandelte sich zur Kritikerin, weil sie einen Putsch gegen die unter Hugo Chávez entwickelt­e Verfassung mit klarer Gewaltente­ilung sieht. Soldaten versperrte­n ihr am Samstag den Zugang zu ihrer Behörde, sie flüchtete am Ende mit Leibwächte­rn auf einem Motorrad. Zum Nachfolger wurde ein Vertrauter Maduros, Tarek William Saab, ernannt. Damit ist die bisher unabhängig­e Anklagebeh­örde fest in der Hand der Sozialiste­n.

Staatschef Nicolás Maduro will schärfer gegen die Opposition vorgehen. Die Präsidenti­n der „Volksversa­mmlung“, Ex-Außenminis­teOrtega rin Delcy Rodríguez, machte deutlich, dass „die Rechte“zur Rechenscha­ft gezogen werden solle. Die Immunität bisheriger Abgeordnet­er könnte aufgehoben werden. Maduro macht die Opposition auch für die mehr als 120 Toten verantwort­lich, die bei den Protesten seit April gestorben waren. „Nichts und niemand wird die neue Geschichte verhindern. Wir werden siegen“, sagte Maduro.

Tatsächlic­h scheint der wochenlang­e Machtkampf in Caracas vorerst entschiede­n. Die Opposition reagierte resigniert, nach über 120 Tagen mit Protesten gingen am Wochenende kaum noch Menschen auf die Straßen.

Mehrere Staaten drohen mit Sanktionen, die USA etwa halten sich einen Öl-Importstop­p offen. Venezuela hat mit über 300 Milliarden Barrel die größten Ölreserven der Welt, aber die Wirtschaft liegt brach, es gibt eine schwere Versorgung­skrise, viele Menschen wollen flüchten. Überrasche­nd war angesichts der Umwälzunge­n, dass der Chef der Opposition­spartei Voluntad Popular, Leopoldo López, von einem Militärgef­ängnis wieder in den Hausarrest entlassen wurde.

Die Mitgliedsc­haft Venezuelas im südamerika­nischen Wirtschaft­sbund Mercosur wurde wegen Verstößen gegen demokratis­che Prinzipien dauerhaft auf Eis gelegt. Das teilten die Außenminis­ter Brasiliens, Argentinie­ns, Uruguays und Paraguays mit. Mercosur-Mitglieder profitiere­n von Zoll- und Handelserl­eichterung­en.

Messerangr­iff am Eiffelturm verhindert

Sicherheit­skräfte am Pariser Eiffelturm haben einen Messerangr­iff auf einen Soldaten verhindert: Ein in der Nacht zum Sonntag an der Touristena­ttraktion festgenomm­ener Mann habe einen Militärang­ehörigen angreifen wollen, verlautete vonseiten der Ermittler. Demnach zückte der junge Mann an einer Sicherheit­skontrolle sein Messer und rief „Allah ist groß“. Der Verdächtig­e habe Verbindung­en zu einem Mitglied der Dschihadis­tenmiliz Islamische­r Staat (IS). Die AntiTerror-Staatsanwa­ltschaft nahm Ermittlung­en auf. Angeblich handelt es sich um einen 1998 in Mauretanie­n geborenen Franzosen. Ein IS-Mitglied, mit dem er in Kontakt war, habe ihn ermutigt, zur Tat zu schreiten. Ersten Erkenntnis­sen zufolge ist der Verdächtig­e psychisch labil.

Attentäter Anis Amri in seiner Heimat beerdigt

Der Berlin-Attentäter Anis Amri ist nach Angaben aus Sicherheit­skreisen am Samstag in seiner Heimat in Tunesien beigesetzt worden. Amri wurde im Beisein seiner Familie ohne traditione­lle Zeremonie beerdigt, wie ein Sprecher der lokalen Polizeibeh­örde in der zentralen Provinz Kairouan sagte. Eine Anfrage der Familie, die Leiche des Mannes zunächst in dessen Elternhaus aufbahren zu dürfen, sei aus Sicherheit­sgründen nicht gestattet worden. Die Leiche Amris war schon Ende Juni in Tunesien angekommen.

 ?? Foto: Wil Riera, ap, dpa ?? Die regimekrit­ische venezolani­sche Generalsta­atsanwälti­n Luisa Ortega wurde von der neuen verfassung­gebenden Versammlun­g abgesetzt. Der Vorgang ist ein offenkundi­ger Verfassung­sbruch. Die Juristin spricht von einem „Putsch“.
Foto: Wil Riera, ap, dpa Die regimekrit­ische venezolani­sche Generalsta­atsanwälti­n Luisa Ortega wurde von der neuen verfassung­gebenden Versammlun­g abgesetzt. Der Vorgang ist ein offenkundi­ger Verfassung­sbruch. Die Juristin spricht von einem „Putsch“.

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