Vier Junge fliegen in den Süden
Im Ampermoos bei Eching sind Brachvogelküken flügge geworden. Mittlerweile sind sie nicht mehr da. Eines der Tiere verdankt sein Überleben den Beobachtungen von Susanne Hoffmann
„Sie sind weg. Gestern waren sie noch da.“Ein bisschen Wehmut schwingt in Susanne Hoffmanns Stimme mit. Die Naturfilmerin steht auf einem Weg unweit des Naturschutzgebietes Ampermoos. Sie hat die vor ihr liegenden Wiesen mit dem Spektiv abgesucht, die letzte Brachvogelfamilie ist aber abgezogen – ein männlicher Altvogel mit einem Jungen. Doch eigentlich ist es für Hoffmann und für Gebietsbetreuer Christian Niederbichler ein freudiger Anlass: Heuer überlebten im Ampermoos vier Junge.
„Das mag für einen Laien wenig klingen, aber der Große Brachvogel ist in Bayern vom Aussterben bedroht und jedes einzelne Individuum ist etwas Besonderes“, sagt Niederbichler. Er geht davon aus, dass man im Ampermoos von der Nähe zum Münchner Flughafen profitiert. Denn dort im Erdinger Moos hat sich eine große Population von Brachvögeln entwickelt. 2015 seien es 76 Paare in und um den Flughafen gewesen, erzählt er. Denn dort seien sie durch den Zaun vor Freßfeinden wie dem Fuchs geschützt. Und am Flughafen würden auch fliegende Räuber wie Mäusebussard und Krähe bekämpft, während der vor allem am Boden nach Nahrung suchende Große Brachvogel kein Problem für die Luftfahrt sei.
Im Ampermoos bauen die Naturschützer Elektrozäune um die Gelege von Brachvögeln, um sie so vor dem Fuchs zu schützen. Sieben Brutpaare habe es heuer gegeben und drei seien erfolgreich gewesen, erzählt Hoffmann. Auch aus dem Ampermoos waren die Schnepfenvögel verschwunden, bis Hoffmann dort 2004 wieder ein Brutpaar entdeckte. Durch die Pflege der Streuwiesen waren die Flächen dort wieder ein attraktiver Lebensraum für den Großen Brachvogel geworden. Dies gelang in einem Zusammenspiel von amtlichem und ehrenamtlichem Naturschutz sowie örtlichen Landwirten, die die Flächen bewirtschaften: Das LT hatte im April über diese „Freunde“des Großen Brachvogels berichtet. Hoffmanns Aufgabe ist es, die Tiere zu beobachten, und dies tat sie täglich. „Es gibt niemanden, der so viel Zeit investiert“, sagt Niederbichler. Sie wird zwar vom Landschaftspflegeverband Fürstenfeldbruck honoriert für ihre Arbeit, doch mehr als die Hälfte der Zeit ist sie ehrenamtlich unterwegs. Hoffmann schließt aus dem Verhalten der Elternvögel, ob sie gerade Küken führen oder nicht. Übrigens kümmern sich im Spätsommer nur noch die Väter um den Nachwuchs. „Die Weibchen fliegen Mitte Juni weg.“Die kontinuierliche Beobachtung rettete dem Jungen auf Echinger Flur heuer das Leben. Denn Hoffmann fiel auf, dass der Vater mit seinem Jungen in eine neben dem Moos gelegene Wiese gezogen war. Diese werde zwar auch im Vertragsnaturschutz mit einem späten Mähtermin bewirtschaftet, „aber der 1. Juli wäre für das Junge zu früh gewesen, da war es gerade zehn Tage alt.“
So bat Hoffmann den Bauern, ob er noch etwas warten kann und er ging darauf ein. Denn normalerweise kommen die Großen Brachvögel mit ihren Jungen erst auf die das Naturschutzgebiet umgebenden Wiesen, wenn diese flügge sind. Als Brutplatz seien die Streuwiesen wichtig, und für die Nahrungssuche die Flächen drum herum. „Wären hier nur Äcker, gäbe es hier keinen Großen Brachvogel“, betont Niederbichler, wie wichtig Grünland für die Art ist.
Hoffmann hat auch eine Art Adoption eines Jungen bemerkt. Sie wusste bei einem Männchen, dass es noch zwei Junge führt, zwei Küken aus der Brut waren schon gestorben. Doch plötzlich war da noch ein Junges – aus einer nördlichen Familie. Und das Männchen kümmerte sich um dieses etwas jüngere Stiefkind: „Er hat sich immer wieder umgeguckt und es solange betreut, bis es auch fliegen konnte.“So etwas könne man nur beobachten, wenn man täglich draußen sei. Stärker beobachtet werden soll auch der Zug der Brachvögel, denn viele der Jungtieab re sterben offensichtlich auf ihrem Weg in den Süden, wie Niederbichler erzählt. Aus Besenderungen wisse man, dass die Tiere nach Spanien und Portugal ziehen würden.
Beim Landesbund für Vogelschutz wird jetzt auch eine Aktion gestartet, wie Pressesprecher Markus Erlwein dem LT berichtet. An mehreren Stellen in Bayern seien Jung- und Altvögel mit Satellitensendern ausgestattet worden, um die Verluste beim Vogelzug über Frankreich Richtung Spanien zu erforschen. „Ab Herbst kann man die Flugrouten der Vögel auf der neuen LBV-Homepage live mitverfolgen“, berichtet er. Aktuelle Zahlen über die Brachvogelentwicklung hat Erlwein noch nicht, 2015 habe es bayernweit 496 Brutpaare gegeben.
Drei Brutpaare waren heuer erfolgreich