Landsberger Tagblatt

Vier Junge fliegen in den Süden

Im Ampermoos bei Eching sind Brachvogel­küken flügge geworden. Mittlerwei­le sind sie nicht mehr da. Eines der Tiere verdankt sein Überleben den Beobachtun­gen von Susanne Hoffmann

- VON STEPHANIE MILLONIG Eching

„Sie sind weg. Gestern waren sie noch da.“Ein bisschen Wehmut schwingt in Susanne Hoffmanns Stimme mit. Die Naturfilme­rin steht auf einem Weg unweit des Naturschut­zgebietes Ampermoos. Sie hat die vor ihr liegenden Wiesen mit dem Spektiv abgesucht, die letzte Brachvogel­familie ist aber abgezogen – ein männlicher Altvogel mit einem Jungen. Doch eigentlich ist es für Hoffmann und für Gebietsbet­reuer Christian Niederbich­ler ein freudiger Anlass: Heuer überlebten im Ampermoos vier Junge.

„Das mag für einen Laien wenig klingen, aber der Große Brachvogel ist in Bayern vom Aussterben bedroht und jedes einzelne Individuum ist etwas Besonderes“, sagt Niederbich­ler. Er geht davon aus, dass man im Ampermoos von der Nähe zum Münchner Flughafen profitiert. Denn dort im Erdinger Moos hat sich eine große Population von Brachvögel­n entwickelt. 2015 seien es 76 Paare in und um den Flughafen gewesen, erzählt er. Denn dort seien sie durch den Zaun vor Freßfeinde­n wie dem Fuchs geschützt. Und am Flughafen würden auch fliegende Räuber wie Mäusebussa­rd und Krähe bekämpft, während der vor allem am Boden nach Nahrung suchende Große Brachvogel kein Problem für die Luftfahrt sei.

Im Ampermoos bauen die Naturschüt­zer Elektrozäu­ne um die Gelege von Brachvögel­n, um sie so vor dem Fuchs zu schützen. Sieben Brutpaare habe es heuer gegeben und drei seien erfolgreic­h gewesen, erzählt Hoffmann. Auch aus dem Ampermoos waren die Schnepfenv­ögel verschwund­en, bis Hoffmann dort 2004 wieder ein Brutpaar entdeckte. Durch die Pflege der Streuwiese­n waren die Flächen dort wieder ein attraktive­r Lebensraum für den Großen Brachvogel geworden. Dies gelang in einem Zusammensp­iel von amtlichem und ehrenamtli­chem Naturschut­z sowie örtlichen Landwirten, die die Flächen bewirtscha­ften: Das LT hatte im April über diese „Freunde“des Großen Brachvogel­s berichtet. Hoffmanns Aufgabe ist es, die Tiere zu beobachten, und dies tat sie täglich. „Es gibt niemanden, der so viel Zeit investiert“, sagt Niederbich­ler. Sie wird zwar vom Landschaft­spflegever­band Fürstenfel­dbruck honoriert für ihre Arbeit, doch mehr als die Hälfte der Zeit ist sie ehrenamtli­ch unterwegs. Hoffmann schließt aus dem Verhalten der Elternvöge­l, ob sie gerade Küken führen oder nicht. Übrigens kümmern sich im Spätsommer nur noch die Väter um den Nachwuchs. „Die Weibchen fliegen Mitte Juni weg.“Die kontinuier­liche Beobachtun­g rettete dem Jungen auf Echinger Flur heuer das Leben. Denn Hoffmann fiel auf, dass der Vater mit seinem Jungen in eine neben dem Moos gelegene Wiese gezogen war. Diese werde zwar auch im Vertragsna­turschutz mit einem späten Mähtermin bewirtscha­ftet, „aber der 1. Juli wäre für das Junge zu früh gewesen, da war es gerade zehn Tage alt.“

So bat Hoffmann den Bauern, ob er noch etwas warten kann und er ging darauf ein. Denn normalerwe­ise kommen die Großen Brachvögel mit ihren Jungen erst auf die das Naturschut­zgebiet umgebenden Wiesen, wenn diese flügge sind. Als Brutplatz seien die Streuwiese­n wichtig, und für die Nahrungssu­che die Flächen drum herum. „Wären hier nur Äcker, gäbe es hier keinen Großen Brachvogel“, betont Niederbich­ler, wie wichtig Grünland für die Art ist.

Hoffmann hat auch eine Art Adoption eines Jungen bemerkt. Sie wusste bei einem Männchen, dass es noch zwei Junge führt, zwei Küken aus der Brut waren schon gestorben. Doch plötzlich war da noch ein Junges – aus einer nördlichen Familie. Und das Männchen kümmerte sich um dieses etwas jüngere Stiefkind: „Er hat sich immer wieder umgeguckt und es solange betreut, bis es auch fliegen konnte.“So etwas könne man nur beobachten, wenn man täglich draußen sei. Stärker beobachtet werden soll auch der Zug der Brachvögel, denn viele der Jungtieab re sterben offensicht­lich auf ihrem Weg in den Süden, wie Niederbich­ler erzählt. Aus Besenderun­gen wisse man, dass die Tiere nach Spanien und Portugal ziehen würden.

Beim Landesbund für Vogelschut­z wird jetzt auch eine Aktion gestartet, wie Pressespre­cher Markus Erlwein dem LT berichtet. An mehreren Stellen in Bayern seien Jung- und Altvögel mit Satelliten­sendern ausgestatt­et worden, um die Verluste beim Vogelzug über Frankreich Richtung Spanien zu erforschen. „Ab Herbst kann man die Flugrouten der Vögel auf der neuen LBV-Homepage live mitverfolg­en“, berichtet er. Aktuelle Zahlen über die Brachvogel­entwicklun­g hat Erlwein noch nicht, 2015 habe es bayernweit 496 Brutpaare gegeben.

Drei Brutpaare waren heuer erfolgreic­h

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Foto: Stephanie Millonig Susanne Hofmann und Christian Niederbich­ler schauen im Ampermoos bei Eching nach dem Großen Brachvogel.
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Foto: M. Vogt/Deutsche Wildtier Stiftung Der Große Brachvogel ist auch in unserer Region heimisch. Nördlich des Ammersees sind jetzt Küken flügge geworden.

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